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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Wein- und andre Fälschungen.

Jahren, Gott sei's geklagt, ein Wein, den man, so wie er wächst, nicht trinken
kann, weil eben der absolute Essig wohl zu manchen Dingen gut ist, nicht aber
zum Trinken; dnrch gute Behandlung aber läßt auch solcher Wein sich zu einem
trinkbaren, ja zu einem angenehmen und guten und dabei durchaus bekömmlichen
machen. Denn es sei mutig heraus gesagt: das Geschrei gegen jede Wein¬
behandlung und Weinveredluug beruht wesentlich auf thörichtem Vorurteil.
Nicht der behandelte, sondern nur der schlecht behandelte Wein ist verwerflich,
und die verehrlichen Herren Opponenten haben mehr als wahrscheinlicherweise
schon sehr oft behandelten Wein als absolut reinen getrunken und das treffliche
Getränk höchlichst belobt. Nicht das ist das Elend, daß unsre Winzer den
Wein behandeln, sondern daß sie es leider Gottes so vielfach thun, ohne etwas
von der Sache zu verstehen und ohne die gehörigen Einrichtungen zu haben.
Wer die gehörige Menge guten Zuckers zusetzt und dieselbe dann im gleich¬
mäßig warmen Gührkeller auf Null vergähren läßt, der hat dem Weine nur
dasjenige auf künstlichen Wege gegeben, was derselbe unter günstigeren Um¬
ständen auch vou Natur hätte haben können, und hat damit ein schlechtes Ge¬
tränk zu einem guten, Gott und Menschen wohlgefälligen gemacht. Wer aber
allerdings nicht einmal einen ordentlichen Keller, geschweige denn einen Gühr¬
keller hat und eine Pantscherei mit schlechtem, billigem Kartoffelzucker anstellt,
der bringt freilich ein polizeiwidriges Gesöff zu stände. Auch Glyzerin mag
unter Umständen bis zu einem gewissen Punkte gestattet sein, ebenso die Zusätze
von Rosinen, Beeren, die manche Produzenten lieben. Immer kommt es vor
allem darauf an, daß das Geschäft mit Verständnis lind mit guten Materialien
und Einrichtungen betrieben werde, und es ist allerdings richtig, daß man hierfür
beim Weinhnndler weit mehr Wahrscheinlichkeit hat als bei dem kleinen Pfälzer
oder Moseler Weinbauern. Was vollends den eigentlichen "Verschnitt" betrifft,
d. h. die Mischung verschiedner Weine, so ist nicht abzusehen, warum in dieser
etwas Bedenkliches gefunden werden soll (auch wo sie gewisser, an sich ja harm¬
loser Zusätze nicht entbehren kann, und selbst wenn zu diesen etwas Spiritus
gehören sollte), und wir halten es für eine, von keinem Sachkundigen bestrittene
Thatsache, daß, wenn man alles derartige verbieten will, jeder Weinhandel
aufhört.

So viel über die Weinbehcmdlnng. Aber geschehen denn nun nicht bei
andern Verbrauchsgegenständen ähnliche, jn viel ärgere Dinge? Bleiben wir
zunächst einmal bei den Getränken. Bier -- ein Getränk aus Hopfen und
Malz, nicht wahr? Und nicht wahr, so muß es unverändert bleiben, und nie¬
mand darf sich unterstehen wollen, einmal Bier oder ein bierartigcs Getränk auf
andre Weise und aus andern Stoffen zu machen? Aber - die Hand aufs
Herz! -- ist das nicht wirklich eine starke Zumutung? Aus uralter Zeit ist
uns die ungefähre Bereitungsweise und sind uns die ungefähren Zuthaten für
ein gegohrenes Getränk überliefert, welches doch diesmal wirklich kein Mensch


Wein- und andre Fälschungen.

Jahren, Gott sei's geklagt, ein Wein, den man, so wie er wächst, nicht trinken
kann, weil eben der absolute Essig wohl zu manchen Dingen gut ist, nicht aber
zum Trinken; dnrch gute Behandlung aber läßt auch solcher Wein sich zu einem
trinkbaren, ja zu einem angenehmen und guten und dabei durchaus bekömmlichen
machen. Denn es sei mutig heraus gesagt: das Geschrei gegen jede Wein¬
behandlung und Weinveredluug beruht wesentlich auf thörichtem Vorurteil.
Nicht der behandelte, sondern nur der schlecht behandelte Wein ist verwerflich,
und die verehrlichen Herren Opponenten haben mehr als wahrscheinlicherweise
schon sehr oft behandelten Wein als absolut reinen getrunken und das treffliche
Getränk höchlichst belobt. Nicht das ist das Elend, daß unsre Winzer den
Wein behandeln, sondern daß sie es leider Gottes so vielfach thun, ohne etwas
von der Sache zu verstehen und ohne die gehörigen Einrichtungen zu haben.
Wer die gehörige Menge guten Zuckers zusetzt und dieselbe dann im gleich¬
mäßig warmen Gührkeller auf Null vergähren läßt, der hat dem Weine nur
dasjenige auf künstlichen Wege gegeben, was derselbe unter günstigeren Um¬
ständen auch vou Natur hätte haben können, und hat damit ein schlechtes Ge¬
tränk zu einem guten, Gott und Menschen wohlgefälligen gemacht. Wer aber
allerdings nicht einmal einen ordentlichen Keller, geschweige denn einen Gühr¬
keller hat und eine Pantscherei mit schlechtem, billigem Kartoffelzucker anstellt,
der bringt freilich ein polizeiwidriges Gesöff zu stände. Auch Glyzerin mag
unter Umständen bis zu einem gewissen Punkte gestattet sein, ebenso die Zusätze
von Rosinen, Beeren, die manche Produzenten lieben. Immer kommt es vor
allem darauf an, daß das Geschäft mit Verständnis lind mit guten Materialien
und Einrichtungen betrieben werde, und es ist allerdings richtig, daß man hierfür
beim Weinhnndler weit mehr Wahrscheinlichkeit hat als bei dem kleinen Pfälzer
oder Moseler Weinbauern. Was vollends den eigentlichen „Verschnitt" betrifft,
d. h. die Mischung verschiedner Weine, so ist nicht abzusehen, warum in dieser
etwas Bedenkliches gefunden werden soll (auch wo sie gewisser, an sich ja harm¬
loser Zusätze nicht entbehren kann, und selbst wenn zu diesen etwas Spiritus
gehören sollte), und wir halten es für eine, von keinem Sachkundigen bestrittene
Thatsache, daß, wenn man alles derartige verbieten will, jeder Weinhandel
aufhört.

So viel über die Weinbehcmdlnng. Aber geschehen denn nun nicht bei
andern Verbrauchsgegenständen ähnliche, jn viel ärgere Dinge? Bleiben wir
zunächst einmal bei den Getränken. Bier — ein Getränk aus Hopfen und
Malz, nicht wahr? Und nicht wahr, so muß es unverändert bleiben, und nie¬
mand darf sich unterstehen wollen, einmal Bier oder ein bierartigcs Getränk auf
andre Weise und aus andern Stoffen zu machen? Aber - die Hand aufs
Herz! — ist das nicht wirklich eine starke Zumutung? Aus uralter Zeit ist
uns die ungefähre Bereitungsweise und sind uns die ungefähren Zuthaten für
ein gegohrenes Getränk überliefert, welches doch diesmal wirklich kein Mensch


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[0171] Wein- und andre Fälschungen. Jahren, Gott sei's geklagt, ein Wein, den man, so wie er wächst, nicht trinken kann, weil eben der absolute Essig wohl zu manchen Dingen gut ist, nicht aber zum Trinken; dnrch gute Behandlung aber läßt auch solcher Wein sich zu einem trinkbaren, ja zu einem angenehmen und guten und dabei durchaus bekömmlichen machen. Denn es sei mutig heraus gesagt: das Geschrei gegen jede Wein¬ behandlung und Weinveredluug beruht wesentlich auf thörichtem Vorurteil. Nicht der behandelte, sondern nur der schlecht behandelte Wein ist verwerflich, und die verehrlichen Herren Opponenten haben mehr als wahrscheinlicherweise schon sehr oft behandelten Wein als absolut reinen getrunken und das treffliche Getränk höchlichst belobt. Nicht das ist das Elend, daß unsre Winzer den Wein behandeln, sondern daß sie es leider Gottes so vielfach thun, ohne etwas von der Sache zu verstehen und ohne die gehörigen Einrichtungen zu haben. Wer die gehörige Menge guten Zuckers zusetzt und dieselbe dann im gleich¬ mäßig warmen Gührkeller auf Null vergähren läßt, der hat dem Weine nur dasjenige auf künstlichen Wege gegeben, was derselbe unter günstigeren Um¬ ständen auch vou Natur hätte haben können, und hat damit ein schlechtes Ge¬ tränk zu einem guten, Gott und Menschen wohlgefälligen gemacht. Wer aber allerdings nicht einmal einen ordentlichen Keller, geschweige denn einen Gühr¬ keller hat und eine Pantscherei mit schlechtem, billigem Kartoffelzucker anstellt, der bringt freilich ein polizeiwidriges Gesöff zu stände. Auch Glyzerin mag unter Umständen bis zu einem gewissen Punkte gestattet sein, ebenso die Zusätze von Rosinen, Beeren, die manche Produzenten lieben. Immer kommt es vor allem darauf an, daß das Geschäft mit Verständnis lind mit guten Materialien und Einrichtungen betrieben werde, und es ist allerdings richtig, daß man hierfür beim Weinhnndler weit mehr Wahrscheinlichkeit hat als bei dem kleinen Pfälzer oder Moseler Weinbauern. Was vollends den eigentlichen „Verschnitt" betrifft, d. h. die Mischung verschiedner Weine, so ist nicht abzusehen, warum in dieser etwas Bedenkliches gefunden werden soll (auch wo sie gewisser, an sich ja harm¬ loser Zusätze nicht entbehren kann, und selbst wenn zu diesen etwas Spiritus gehören sollte), und wir halten es für eine, von keinem Sachkundigen bestrittene Thatsache, daß, wenn man alles derartige verbieten will, jeder Weinhandel aufhört. So viel über die Weinbehcmdlnng. Aber geschehen denn nun nicht bei andern Verbrauchsgegenständen ähnliche, jn viel ärgere Dinge? Bleiben wir zunächst einmal bei den Getränken. Bier — ein Getränk aus Hopfen und Malz, nicht wahr? Und nicht wahr, so muß es unverändert bleiben, und nie¬ mand darf sich unterstehen wollen, einmal Bier oder ein bierartigcs Getränk auf andre Weise und aus andern Stoffen zu machen? Aber - die Hand aufs Herz! — ist das nicht wirklich eine starke Zumutung? Aus uralter Zeit ist uns die ungefähre Bereitungsweise und sind uns die ungefähren Zuthaten für ein gegohrenes Getränk überliefert, welches doch diesmal wirklich kein Mensch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/171>, abgerufen am 20.10.2024.