Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.Die Theater der Reichshauptstadt. nur eine Selbsterhaltungspflicht, nicht die eines "Deutschen Theaters." Das¬ ^xeiuM ave-ont,. Auf welche Einfülle der moderne Gottschedianismus, Der Abhub der Franzosen! Der Direktor des Nesidcnztheaters würde sich Die Theater der Reichshauptstadt. nur eine Selbsterhaltungspflicht, nicht die eines „Deutschen Theaters." Das¬ ^xeiuM ave-ont,. Auf welche Einfülle der moderne Gottschedianismus, Der Abhub der Franzosen! Der Direktor des Nesidcnztheaters würde sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199494"/> <fw type="header" place="top"> Die Theater der Reichshauptstadt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_469" prev="#ID_468"> nur eine Selbsterhaltungspflicht, nicht die eines „Deutschen Theaters." Das¬<lb/> selbe gilt von ihren als etwas so besondres gepriesenen Bemühungen um ein<lb/> korrektes und glattes Jneinanderspiel. Hatten wir nicht längst im „Nesidenz-<lb/> theciter" eine Bühne, welche schon durch die von ihr gepflegte Gattung darauf<lb/> angewiesen war, sich diese sogenannte „Spezialität" zu eigen zu macheu? Daß<lb/> das „Deutsche Theater" den unseligen Grundgedanken der Meininger, nämlich<lb/> die Dekorationen spielen zu lassen, wie ich ihn ausdrücken möchte, in immer<lb/> bänglicherer Ausschließlichkeit in den Vordergrund stellte, das wird ihm die<lb/> dramatische Dichtkunst am wenigsten danken. Was aber schließlich die deutsche<lb/> dramatische Dichtkunst betrifft, so ist ihrer im „Deutschen Theater" im obigen<lb/> Sinne überhaupt nicht gedacht worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_470"> ^xeiuM ave-ont,. Auf welche Einfülle der moderne Gottschedianismus,<lb/> welcher die „Deutsche Schaubühne" am liebsten ganz nicht bloß „nach den<lb/> Regeln," sondern mit den Stücken der Franzosen einrichten möchte, auf welche<lb/> wunderliche Sprünge diese alte Monomanie das deutsche Theater führen kann,<lb/> das beweist die Wiedereinsetzung der öl-äev-me „Fourchambvults" in das klassische<lb/> Repertoire seines Patenkindes in der Schumannstraße. Ist es möglich? fragt<lb/> man sich. Ein Stück mit dem Normalthema der Kolportagedramatik, so ab¬<lb/> geblaßt und fadenscheinig in seinem Dessin, wie grell, unabgestuft und bunt¬<lb/> scheckig in seinen Farben, mit einem Worte ein Stück wie geschaffen zum „Sen¬<lb/> sationsdrama" für eine „Saison," dieses Stück wird aus der Rumpelkammer,<lb/> nicht aus der literarhistorischen, nein aus der Theaterrumpelkammer, hervor¬<lb/> geholt, um zum klassischen „Repertoirestück" eines Theaters zu dienen, das sich<lb/> in seinem Titel das „Deutsche" nennt! Ist es möglich? Natürlich, wenn sich<lb/> in Deutschland einmal ein „Deutsches Theater" aufthut, so muß es einmal<lb/> möglich werden, das ist schon so hergebracht. Was würde man dazu sagen,<lb/> wenn ein Berliner Theater sich einfallen ließe, eines der auffallenderen Rühr¬<lb/> stücke des vorigen Jahrhunderts, mit denen ja diese Sorte eine so sprechende<lb/> Verwandtschaft zeigt, ja selbst eines der besten (etwa die „Miß Sara Snmpson")<lb/> mit großem Aufwande von Zeit und Geld neu einzustudiren, und nun geruhig<lb/> neben Romeo und Julie und Don Karlos allwöchentlich aufzuführen! Was<lb/> würde man dazu sagen! „Antiquarischer Blödsinn," „Literatnrgeschichtssimpelei,"<lb/> „himmelschreiende Beschränktheit gegenüber dem modernen Leben und Schaffen"<lb/> wäre das geringste, was man ihm an die Koulissen würfe. Und hier? Die ernsthaften<lb/> Kritiker zucken höchstens die Achseln und Publikus schüttelt höchstens den Kopf,<lb/> „schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge." Die Herren in der Schnmann-<lb/> straße aber wandeln ruhig weiter ihre unerforschlichen Wege, um ihr Theater<lb/> aus einer Rivalin der Hofbühne zu einem Konkurrenzinstitut des Nesidenz-<lb/> theaters zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_471" next="#ID_472"> Der Abhub der Franzosen! Der Direktor des Nesidcnztheaters würde sich<lb/> hüten, jetzt etwa die „Fourchcnnboults" aufzuführen. Dies Theater bleibt seiner</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
Die Theater der Reichshauptstadt.
nur eine Selbsterhaltungspflicht, nicht die eines „Deutschen Theaters." Das¬
selbe gilt von ihren als etwas so besondres gepriesenen Bemühungen um ein
korrektes und glattes Jneinanderspiel. Hatten wir nicht längst im „Nesidenz-
theciter" eine Bühne, welche schon durch die von ihr gepflegte Gattung darauf
angewiesen war, sich diese sogenannte „Spezialität" zu eigen zu macheu? Daß
das „Deutsche Theater" den unseligen Grundgedanken der Meininger, nämlich
die Dekorationen spielen zu lassen, wie ich ihn ausdrücken möchte, in immer
bänglicherer Ausschließlichkeit in den Vordergrund stellte, das wird ihm die
dramatische Dichtkunst am wenigsten danken. Was aber schließlich die deutsche
dramatische Dichtkunst betrifft, so ist ihrer im „Deutschen Theater" im obigen
Sinne überhaupt nicht gedacht worden.
^xeiuM ave-ont,. Auf welche Einfülle der moderne Gottschedianismus,
welcher die „Deutsche Schaubühne" am liebsten ganz nicht bloß „nach den
Regeln," sondern mit den Stücken der Franzosen einrichten möchte, auf welche
wunderliche Sprünge diese alte Monomanie das deutsche Theater führen kann,
das beweist die Wiedereinsetzung der öl-äev-me „Fourchambvults" in das klassische
Repertoire seines Patenkindes in der Schumannstraße. Ist es möglich? fragt
man sich. Ein Stück mit dem Normalthema der Kolportagedramatik, so ab¬
geblaßt und fadenscheinig in seinem Dessin, wie grell, unabgestuft und bunt¬
scheckig in seinen Farben, mit einem Worte ein Stück wie geschaffen zum „Sen¬
sationsdrama" für eine „Saison," dieses Stück wird aus der Rumpelkammer,
nicht aus der literarhistorischen, nein aus der Theaterrumpelkammer, hervor¬
geholt, um zum klassischen „Repertoirestück" eines Theaters zu dienen, das sich
in seinem Titel das „Deutsche" nennt! Ist es möglich? Natürlich, wenn sich
in Deutschland einmal ein „Deutsches Theater" aufthut, so muß es einmal
möglich werden, das ist schon so hergebracht. Was würde man dazu sagen,
wenn ein Berliner Theater sich einfallen ließe, eines der auffallenderen Rühr¬
stücke des vorigen Jahrhunderts, mit denen ja diese Sorte eine so sprechende
Verwandtschaft zeigt, ja selbst eines der besten (etwa die „Miß Sara Snmpson")
mit großem Aufwande von Zeit und Geld neu einzustudiren, und nun geruhig
neben Romeo und Julie und Don Karlos allwöchentlich aufzuführen! Was
würde man dazu sagen! „Antiquarischer Blödsinn," „Literatnrgeschichtssimpelei,"
„himmelschreiende Beschränktheit gegenüber dem modernen Leben und Schaffen"
wäre das geringste, was man ihm an die Koulissen würfe. Und hier? Die ernsthaften
Kritiker zucken höchstens die Achseln und Publikus schüttelt höchstens den Kopf,
„schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge." Die Herren in der Schnmann-
straße aber wandeln ruhig weiter ihre unerforschlichen Wege, um ihr Theater
aus einer Rivalin der Hofbühne zu einem Konkurrenzinstitut des Nesidenz-
theaters zu machen.
Der Abhub der Franzosen! Der Direktor des Nesidcnztheaters würde sich
hüten, jetzt etwa die „Fourchcnnboults" aufzuführen. Dies Theater bleibt seiner
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |