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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Land und Leute in Bulgarien,

In Ostrumelien ergingen im Herbst 1880 einige Vorschriften zum Schutze der
Wälder und zur regelmäßiger Ausforstung derselben. Im Fürstentume wurden
ein paar größere Chausseen gebaut, von Eisenbahnen aber kein einziger Kilometer,
und so geschah es, daß der Preis der zur Ausfuhr sich eignenden Cerealien sich
derart verteuerte, daß sie die Konkurrenz mit den amerikanischen nicht zu be¬
stehen vermochten und im Lande zurückbleiben mußten. In Nustschuk und in
dem östlich von Philippopel gelegenen Orte Sadowo bestehen seit einigen Jahren
landwirtschaftliche Schulen, die aber nicht recht gedeihen wollen.

Das Hauptprodukt der bulgarischen Landwirtschaft ist Weizen, daneben
baut man Kukurutz (Mais), Roggen, Gerste sowie Rübsen als Ölfrucht, Krapp,
Wald und einige andre Farbepflanzen. Die Landstriche im Süden des Balkans
sind endlich reich an Obst und Wein, auch erzengen sie Tabak, Hanf und etwas
Olivenöl. Von den Weinen, welche in Bulgarien gekeltert werden, sind der
von Sliwen und der von Negotin zu nennen. Der letztere, der an beiden Ufern
des Timor wächst, ist der bessere; es ist ein starker Rotwein, der angenehm
schmeckt, wenn er nicht, wie in der Regel, in Schläuchen von Bocksfellcn auf¬
bewahrt worden ist. Der Obstbau wird so fleißig betrieben, daß man in manchen
Gegenden förmlichen Wäldern von Pflaumen-, Pfirsich-, Kirsch-, Virn- und
Äpfelbüumen begegnet. In außerordentlichem Flore steht endlich in Ostrumelien
die Kultur der Rosen. Man züchtet sie aber nicht aus Wohlgefallen an der
Schönheit der Königin der Blumen, sondern um des Öls willen, welches ans
ihnen gewonnen wird. Die meisten und ausgedehntesten Rosengärten weist das
Thal von Kasanlik auf, wo nicht weniger als zweiundvierzig von den thrazischen
Ortschaften liegen, welche die Fabrikation von Rosenöl als Hausindustrie be¬
treiben und wo von den 1650 Kilogramm, die davon zur Ausfuhr gelangen,
durchschnittlich 850 gewonnen werden. Sonst beschäftigen sich noch die Kreise
Tschirpan, Giopsa, Karadscha-Dag, Kodschun-Tepe, Eski-Zagra und Basardschik
mit diesem Zweige der Gärtnerei, dessen Ertrag infolge von Witterungseinflüssen
sehr verschieden ist, indem man in günstigen Jahren fast 3000, in solchen, wo
Frost und Hagel den Blüten schaden, kaum 800 Kilogramm Öl produzirt. Die
Nosengattuug, welche kultivirt wird, ist die rosa Zg.illa8<zsrm söinxsrviröns, sie
hat ungefüllte, lichtrote Blüten und gedeiht am besten auf der Sonnenseite san¬
diger Hügel. Die Rosen, welche an den Südabhängen des Balkans wachsen,
enthalten um fünfzig Prozent mehr Öl als die der Ebenen, auch ist dasselbe
aromatischer und wird deshalb vom Kaufmann bester bezahlt. Die Ernte der
Rosen findet in der letzten Woche des Mai statt und wurde früher von den
Bauern selbst in Öl verwandelt, während jetzt große städtische Destillationen die
Blumen aufkaufen und verarbeiten. Unter der türkischen Herrschaft war die
Rosenölproduktion stark und zuletzt zwiefach besteuert. Im Mai schätzten Re¬
gierungsbeamte die zu hoffende Ernte ab, und die Pächter der Naturalfteuern
hoben 12^/z Prozent des durchschnittlichen Verkaufspreises in Geld ein. Das


Land und Leute in Bulgarien,

In Ostrumelien ergingen im Herbst 1880 einige Vorschriften zum Schutze der
Wälder und zur regelmäßiger Ausforstung derselben. Im Fürstentume wurden
ein paar größere Chausseen gebaut, von Eisenbahnen aber kein einziger Kilometer,
und so geschah es, daß der Preis der zur Ausfuhr sich eignenden Cerealien sich
derart verteuerte, daß sie die Konkurrenz mit den amerikanischen nicht zu be¬
stehen vermochten und im Lande zurückbleiben mußten. In Nustschuk und in
dem östlich von Philippopel gelegenen Orte Sadowo bestehen seit einigen Jahren
landwirtschaftliche Schulen, die aber nicht recht gedeihen wollen.

Das Hauptprodukt der bulgarischen Landwirtschaft ist Weizen, daneben
baut man Kukurutz (Mais), Roggen, Gerste sowie Rübsen als Ölfrucht, Krapp,
Wald und einige andre Farbepflanzen. Die Landstriche im Süden des Balkans
sind endlich reich an Obst und Wein, auch erzengen sie Tabak, Hanf und etwas
Olivenöl. Von den Weinen, welche in Bulgarien gekeltert werden, sind der
von Sliwen und der von Negotin zu nennen. Der letztere, der an beiden Ufern
des Timor wächst, ist der bessere; es ist ein starker Rotwein, der angenehm
schmeckt, wenn er nicht, wie in der Regel, in Schläuchen von Bocksfellcn auf¬
bewahrt worden ist. Der Obstbau wird so fleißig betrieben, daß man in manchen
Gegenden förmlichen Wäldern von Pflaumen-, Pfirsich-, Kirsch-, Virn- und
Äpfelbüumen begegnet. In außerordentlichem Flore steht endlich in Ostrumelien
die Kultur der Rosen. Man züchtet sie aber nicht aus Wohlgefallen an der
Schönheit der Königin der Blumen, sondern um des Öls willen, welches ans
ihnen gewonnen wird. Die meisten und ausgedehntesten Rosengärten weist das
Thal von Kasanlik auf, wo nicht weniger als zweiundvierzig von den thrazischen
Ortschaften liegen, welche die Fabrikation von Rosenöl als Hausindustrie be¬
treiben und wo von den 1650 Kilogramm, die davon zur Ausfuhr gelangen,
durchschnittlich 850 gewonnen werden. Sonst beschäftigen sich noch die Kreise
Tschirpan, Giopsa, Karadscha-Dag, Kodschun-Tepe, Eski-Zagra und Basardschik
mit diesem Zweige der Gärtnerei, dessen Ertrag infolge von Witterungseinflüssen
sehr verschieden ist, indem man in günstigen Jahren fast 3000, in solchen, wo
Frost und Hagel den Blüten schaden, kaum 800 Kilogramm Öl produzirt. Die
Nosengattuug, welche kultivirt wird, ist die rosa Zg.illa8<zsrm söinxsrviröns, sie
hat ungefüllte, lichtrote Blüten und gedeiht am besten auf der Sonnenseite san¬
diger Hügel. Die Rosen, welche an den Südabhängen des Balkans wachsen,
enthalten um fünfzig Prozent mehr Öl als die der Ebenen, auch ist dasselbe
aromatischer und wird deshalb vom Kaufmann bester bezahlt. Die Ernte der
Rosen findet in der letzten Woche des Mai statt und wurde früher von den
Bauern selbst in Öl verwandelt, während jetzt große städtische Destillationen die
Blumen aufkaufen und verarbeiten. Unter der türkischen Herrschaft war die
Rosenölproduktion stark und zuletzt zwiefach besteuert. Im Mai schätzten Re¬
gierungsbeamte die zu hoffende Ernte ab, und die Pächter der Naturalfteuern
hoben 12^/z Prozent des durchschnittlichen Verkaufspreises in Geld ein. Das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/109>, abgerufen am 27.09.2024.