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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Land und Leute in Bulgarien.

schmilzt, gewöhnlich überschwemmt werden. Dann kleidet sich das Land hier in
frisches Grün. Aber der Sommer versengt Gras und Laub, und erst die Regen¬
güsse des Herbstes lassen eine neue Vegetation sich entwickeln, die sich dann bis
zum ersten Froste erhält. Der Balkan trennt, wenn wir ihn vom Standpunkte
des Geognosten betrachten, die Tertiärbildungcn des Beckens der untern Donau
und desjenigen der Maritza von einander. Er besteht vom Gebiete des Ister
ostwärts aus einer Zone, wo Übergangsgebirgsschiefer und Kalke vorherrschen;
südlich von dieser treten krystallinische Schiefer mit einzelnen Stöcken von Gneis
und Granit und östlich von super auch Porphyre auf. Im Nordwesten lagert
über dem Übergangsgebirge roter Sandstein und über diesem wieder jurassischer
Kalk, während im Nordosten die mit einer hohen Lößschicht bedeckte Kreide er¬
scheint, aber nicht so ausschließlich, als man früher meinte; denn Kanitz fand
hier fast in allen Flußgebieten auch krystallinische Gesteine und eruptive Bil¬
dungen, Granit, Porphyr, Diorit, Gneiß und Mergelschiefer. Wichtig ist, daß
dieser Teil des Gebirges durch ausgedehnte Steinkohlenlager sich auszeichnet.
Zwischen Burgas und der Grenze Südbulgariens streckt sich der nördliche Aus¬
läufer der Strcmdscha Planina hin, ein wildes, waldreiches Vergland mit Höhlen
und Klüften, die nach der Behauptung des Volkes mit dem Meere in Ver¬
bindung stehen. Noch wilder ist das oft genannte, aber noch wenig erforschte
Rhodopegebirge, das, von den Türken Despoto-Dag genannt, an der Südgrenze
liegt und dessen höchster Gipfel 2700 Meter hoch sein soll. Die Verbindung
zwischen diesem Berglande und dem Balkan wird durch eine niedrigere Kette
gebildet, die im Westen Srednja Gora, im Osten Karadscha Dag heißt.

Trotz der vielen Gebirge, welche sich über das Land ausbreiten, herrscht
doch im ganzen die Ebene vor, namentlich dann, wenn wir die Hochplateaus
zwischen Balkan und Donau zu ihr rechnen. Vorzüglich im südlichen Bulgarien
finden sich sehr ausgedehnte Ebenen, zunächst die zwischen Wjetrena und Tschirpcm,
die wahrscheinlich der Boden eines Sees der Urzeit ist, dann das langgestreckte
Tulowsko Polje bei Kascmlik, ferner westlich von hier das Karlvwsko Polje,
sodann das Hochland zwischen Imi Zagra und Eski Zagra, endlich die fast
unabsehbare Ebene, in welcher Sofia, und die, in welcher Sliwen liegt.

An bedeutenden Flüssen ist Bulgarien, wenn wir von der Donau, dem
Grenzstrome, absehen, so arm wie alle Länder der Valkanhalbinsel. Aus dem
Balkan strömen der Donan der Tinot, welcher die Grenze gegen Serbien
bildet, der Lom, der bei Lompalanka mündet, die Sibriza, der Ogost, der Ister,
der Wid, die Osma, die Jcmtra und ein zweiter Lom zu, welcher sich bei
Rustschuk in die Donau ergießt. In das Schwarze Meer fließen die Kamdschija
und die Mantra, in das Ägeische die Maritza mit ihren Nebenflüssen Tundscha
und Arda, sowie die Struma. schiffbar ist von allen diesen Gewässern nur
die Donau. Doch würden die Maritza und der Ister sich in ihrem untern
Laufe wohl so vertiefen lassen, daß sie im Frühjahr und Herbst von flachgehenden


Land und Leute in Bulgarien.

schmilzt, gewöhnlich überschwemmt werden. Dann kleidet sich das Land hier in
frisches Grün. Aber der Sommer versengt Gras und Laub, und erst die Regen¬
güsse des Herbstes lassen eine neue Vegetation sich entwickeln, die sich dann bis
zum ersten Froste erhält. Der Balkan trennt, wenn wir ihn vom Standpunkte
des Geognosten betrachten, die Tertiärbildungcn des Beckens der untern Donau
und desjenigen der Maritza von einander. Er besteht vom Gebiete des Ister
ostwärts aus einer Zone, wo Übergangsgebirgsschiefer und Kalke vorherrschen;
südlich von dieser treten krystallinische Schiefer mit einzelnen Stöcken von Gneis
und Granit und östlich von super auch Porphyre auf. Im Nordwesten lagert
über dem Übergangsgebirge roter Sandstein und über diesem wieder jurassischer
Kalk, während im Nordosten die mit einer hohen Lößschicht bedeckte Kreide er¬
scheint, aber nicht so ausschließlich, als man früher meinte; denn Kanitz fand
hier fast in allen Flußgebieten auch krystallinische Gesteine und eruptive Bil¬
dungen, Granit, Porphyr, Diorit, Gneiß und Mergelschiefer. Wichtig ist, daß
dieser Teil des Gebirges durch ausgedehnte Steinkohlenlager sich auszeichnet.
Zwischen Burgas und der Grenze Südbulgariens streckt sich der nördliche Aus¬
läufer der Strcmdscha Planina hin, ein wildes, waldreiches Vergland mit Höhlen
und Klüften, die nach der Behauptung des Volkes mit dem Meere in Ver¬
bindung stehen. Noch wilder ist das oft genannte, aber noch wenig erforschte
Rhodopegebirge, das, von den Türken Despoto-Dag genannt, an der Südgrenze
liegt und dessen höchster Gipfel 2700 Meter hoch sein soll. Die Verbindung
zwischen diesem Berglande und dem Balkan wird durch eine niedrigere Kette
gebildet, die im Westen Srednja Gora, im Osten Karadscha Dag heißt.

Trotz der vielen Gebirge, welche sich über das Land ausbreiten, herrscht
doch im ganzen die Ebene vor, namentlich dann, wenn wir die Hochplateaus
zwischen Balkan und Donau zu ihr rechnen. Vorzüglich im südlichen Bulgarien
finden sich sehr ausgedehnte Ebenen, zunächst die zwischen Wjetrena und Tschirpcm,
die wahrscheinlich der Boden eines Sees der Urzeit ist, dann das langgestreckte
Tulowsko Polje bei Kascmlik, ferner westlich von hier das Karlvwsko Polje,
sodann das Hochland zwischen Imi Zagra und Eski Zagra, endlich die fast
unabsehbare Ebene, in welcher Sofia, und die, in welcher Sliwen liegt.

An bedeutenden Flüssen ist Bulgarien, wenn wir von der Donau, dem
Grenzstrome, absehen, so arm wie alle Länder der Valkanhalbinsel. Aus dem
Balkan strömen der Donan der Tinot, welcher die Grenze gegen Serbien
bildet, der Lom, der bei Lompalanka mündet, die Sibriza, der Ogost, der Ister,
der Wid, die Osma, die Jcmtra und ein zweiter Lom zu, welcher sich bei
Rustschuk in die Donau ergießt. In das Schwarze Meer fließen die Kamdschija
und die Mantra, in das Ägeische die Maritza mit ihren Nebenflüssen Tundscha
und Arda, sowie die Struma. schiffbar ist von allen diesen Gewässern nur
die Donau. Doch würden die Maritza und der Ister sich in ihrem untern
Laufe wohl so vertiefen lassen, daß sie im Frühjahr und Herbst von flachgehenden


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[0107] Land und Leute in Bulgarien. schmilzt, gewöhnlich überschwemmt werden. Dann kleidet sich das Land hier in frisches Grün. Aber der Sommer versengt Gras und Laub, und erst die Regen¬ güsse des Herbstes lassen eine neue Vegetation sich entwickeln, die sich dann bis zum ersten Froste erhält. Der Balkan trennt, wenn wir ihn vom Standpunkte des Geognosten betrachten, die Tertiärbildungcn des Beckens der untern Donau und desjenigen der Maritza von einander. Er besteht vom Gebiete des Ister ostwärts aus einer Zone, wo Übergangsgebirgsschiefer und Kalke vorherrschen; südlich von dieser treten krystallinische Schiefer mit einzelnen Stöcken von Gneis und Granit und östlich von super auch Porphyre auf. Im Nordwesten lagert über dem Übergangsgebirge roter Sandstein und über diesem wieder jurassischer Kalk, während im Nordosten die mit einer hohen Lößschicht bedeckte Kreide er¬ scheint, aber nicht so ausschließlich, als man früher meinte; denn Kanitz fand hier fast in allen Flußgebieten auch krystallinische Gesteine und eruptive Bil¬ dungen, Granit, Porphyr, Diorit, Gneiß und Mergelschiefer. Wichtig ist, daß dieser Teil des Gebirges durch ausgedehnte Steinkohlenlager sich auszeichnet. Zwischen Burgas und der Grenze Südbulgariens streckt sich der nördliche Aus¬ läufer der Strcmdscha Planina hin, ein wildes, waldreiches Vergland mit Höhlen und Klüften, die nach der Behauptung des Volkes mit dem Meere in Ver¬ bindung stehen. Noch wilder ist das oft genannte, aber noch wenig erforschte Rhodopegebirge, das, von den Türken Despoto-Dag genannt, an der Südgrenze liegt und dessen höchster Gipfel 2700 Meter hoch sein soll. Die Verbindung zwischen diesem Berglande und dem Balkan wird durch eine niedrigere Kette gebildet, die im Westen Srednja Gora, im Osten Karadscha Dag heißt. Trotz der vielen Gebirge, welche sich über das Land ausbreiten, herrscht doch im ganzen die Ebene vor, namentlich dann, wenn wir die Hochplateaus zwischen Balkan und Donau zu ihr rechnen. Vorzüglich im südlichen Bulgarien finden sich sehr ausgedehnte Ebenen, zunächst die zwischen Wjetrena und Tschirpcm, die wahrscheinlich der Boden eines Sees der Urzeit ist, dann das langgestreckte Tulowsko Polje bei Kascmlik, ferner westlich von hier das Karlvwsko Polje, sodann das Hochland zwischen Imi Zagra und Eski Zagra, endlich die fast unabsehbare Ebene, in welcher Sofia, und die, in welcher Sliwen liegt. An bedeutenden Flüssen ist Bulgarien, wenn wir von der Donau, dem Grenzstrome, absehen, so arm wie alle Länder der Valkanhalbinsel. Aus dem Balkan strömen der Donan der Tinot, welcher die Grenze gegen Serbien bildet, der Lom, der bei Lompalanka mündet, die Sibriza, der Ogost, der Ister, der Wid, die Osma, die Jcmtra und ein zweiter Lom zu, welcher sich bei Rustschuk in die Donau ergießt. In das Schwarze Meer fließen die Kamdschija und die Mantra, in das Ägeische die Maritza mit ihren Nebenflüssen Tundscha und Arda, sowie die Struma. schiffbar ist von allen diesen Gewässern nur die Donau. Doch würden die Maritza und der Ister sich in ihrem untern Laufe wohl so vertiefen lassen, daß sie im Frühjahr und Herbst von flachgehenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/107>, abgerufen am 27.09.2024.