Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Camoens. und stieg dann, langsam "ut wie tief erniüdet, die große Palasttreppe hinab. Fast in demselben Augenblicke, in welchen: Luis Camoens das Schloß ver¬ Grenzbotm III. 1886. 12
Camoens. und stieg dann, langsam »ut wie tief erniüdet, die große Palasttreppe hinab. Fast in demselben Augenblicke, in welchen: Luis Camoens das Schloß ver¬ Grenzbotm III. 1886. 12
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0097" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198817"/> <fw type="header" place="top"> Camoens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_266" prev="#ID_265"> und stieg dann, langsam »ut wie tief erniüdet, die große Palasttreppe hinab.<lb/> In der halben Dunkelheit, die hier herrschte, nahmen die zahlreichen Begegnenden<lb/> die schmerzliche Verstörung des Herabsteigenden nicht wahr. Ihm aber war<lb/> sein eigner Traum, dem er fast willenlos lebte, noch nie zuvor, selbst in<lb/> Almocegema und an Barretos Tische nicht, so thöricht, so aller Hoffnung bar<lb/> erschienen, als jetzt, da Fray Tellez zu ihm gesprochen! Was wußte der Priester<lb/> vom Leben und von lebendiger Glut! wie leicht dünkte es ihm, eine Leidenschaft<lb/> zu besiegen, gegen die der König selbst schon mit der Glut seines Glaubens,<lb/> mit der Erinnerung an seine Gelübde und dennoch umsonst gerungen hatte!<lb/> Wie rasch fiel dem Beichtiger das Wort von den Lippen: Wenn Ihr in der<lb/> Zwischenzeit die Gräfin Palmcirim zur Gemahlin gewinnt! wie wenig ahnte<lb/> er, was alles zwischen Camoens und so herrlichem, sinnberückendcm Ziele lag!<lb/> In bitterer Sorge rief sich der Dichter seine Jahre, sein Verlornes Auge, seine<lb/> Armut ins Gedächtnis und spottete seiner selbst, daß er je habe hoffen können.<lb/> Wahrlich, genug und zuviel des Glückes für ihn würde es ja schon sein, wenn<lb/> er sich hinfort dem schönen Mädchen täglich nähern, ihr ritterliche Verehrung<lb/> und unermüdliche Hingebung erweisen dürfe. Und dennoch, dennoch — durch<lb/> die Dumpfheit seines Gefühls und alle trüben Erwägungen dieser Stunde<lb/> blitzte ein lichter Gedanke immer wieder hindurch: Der König geht morgen hin¬<lb/> weg — das eine, das nächste ist erreicht! Indem Camoens sich vorsetzte, un¬<lb/> mittelbar nach der Abfahrt der Flotte eine Wohnung in Cintra zu suchen, wo<lb/> die Herzogin mit ihrer Schutzbefohlenen jedenfalls bleiben würde, überschlug er<lb/> im Stillen die dürftigen Mittel, mit denen er es ermöglichen mußte, deu längern<lb/> Aufenthalt an dem nunmehr verödeten Hoflager zu bestreiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_267" next="#ID_268"> Fast in demselben Augenblicke, in welchen: Luis Camoens das Schloß ver¬<lb/> ließ und in das Getümmel der Gassen hinaustrat, hatte oben im Saale, an<lb/> der Schwelle zu seinen Gemächern, die er heute Nacht — nur der Himmel<lb/> wußte auf wie lauge Zeit — zum letztenmale bewohnen sollte, König Sebastian<lb/> seine Begleiter, die neuernannten Neichsregcnten und den Jägermeister Casalinho,<lb/> verabschiedet, auch eine flüchtige Frage nach Tellez Alucita, seinen neuen Beicht¬<lb/> vater, gethan. Als ihm gesagt ward, daß dieser mit Luis Camoens hinweg¬<lb/> gegangen sei, erhellten sich die Mienen des Königs, und mit einer von Art<lb/> Ungestüm, unbekümmert um die tiefen Verbeugungen der zahlreich im Saale<lb/> versammelten, riß er selbst die Thür zu einem kleinen Durchgangsgemache ans<lb/> und warf sie dröhnend wieder ins Schloß. Von dem einzigen Sitze in dem<lb/> beinahe dunkeln Raume fuhr der vertraute Diener des Königs empor, der<lb/> schweigend, vielleicht schlummernd, dort seines Gebieters gewartet hatte. Dom<lb/> Sebastian sagte im Vorübereilen nur: Der alte Miraflores ist hier? und<lb/> wandte sich auf ein leises: Ja, Majestät! zu der weiterführenden Thür. Das<lb/> Gemach, welches er jetzt betrat, war von einem Bündel Wachskerzen auf einem<lb/> großen silbernen Handleuchter erhellt, der alte Stallmeister der Gräfin Pal-<lb/> '</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotm III. 1886. 12</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
Camoens.
und stieg dann, langsam »ut wie tief erniüdet, die große Palasttreppe hinab.
In der halben Dunkelheit, die hier herrschte, nahmen die zahlreichen Begegnenden
die schmerzliche Verstörung des Herabsteigenden nicht wahr. Ihm aber war
sein eigner Traum, dem er fast willenlos lebte, noch nie zuvor, selbst in
Almocegema und an Barretos Tische nicht, so thöricht, so aller Hoffnung bar
erschienen, als jetzt, da Fray Tellez zu ihm gesprochen! Was wußte der Priester
vom Leben und von lebendiger Glut! wie leicht dünkte es ihm, eine Leidenschaft
zu besiegen, gegen die der König selbst schon mit der Glut seines Glaubens,
mit der Erinnerung an seine Gelübde und dennoch umsonst gerungen hatte!
Wie rasch fiel dem Beichtiger das Wort von den Lippen: Wenn Ihr in der
Zwischenzeit die Gräfin Palmcirim zur Gemahlin gewinnt! wie wenig ahnte
er, was alles zwischen Camoens und so herrlichem, sinnberückendcm Ziele lag!
In bitterer Sorge rief sich der Dichter seine Jahre, sein Verlornes Auge, seine
Armut ins Gedächtnis und spottete seiner selbst, daß er je habe hoffen können.
Wahrlich, genug und zuviel des Glückes für ihn würde es ja schon sein, wenn
er sich hinfort dem schönen Mädchen täglich nähern, ihr ritterliche Verehrung
und unermüdliche Hingebung erweisen dürfe. Und dennoch, dennoch — durch
die Dumpfheit seines Gefühls und alle trüben Erwägungen dieser Stunde
blitzte ein lichter Gedanke immer wieder hindurch: Der König geht morgen hin¬
weg — das eine, das nächste ist erreicht! Indem Camoens sich vorsetzte, un¬
mittelbar nach der Abfahrt der Flotte eine Wohnung in Cintra zu suchen, wo
die Herzogin mit ihrer Schutzbefohlenen jedenfalls bleiben würde, überschlug er
im Stillen die dürftigen Mittel, mit denen er es ermöglichen mußte, deu längern
Aufenthalt an dem nunmehr verödeten Hoflager zu bestreiten.
Fast in demselben Augenblicke, in welchen: Luis Camoens das Schloß ver¬
ließ und in das Getümmel der Gassen hinaustrat, hatte oben im Saale, an
der Schwelle zu seinen Gemächern, die er heute Nacht — nur der Himmel
wußte auf wie lauge Zeit — zum letztenmale bewohnen sollte, König Sebastian
seine Begleiter, die neuernannten Neichsregcnten und den Jägermeister Casalinho,
verabschiedet, auch eine flüchtige Frage nach Tellez Alucita, seinen neuen Beicht¬
vater, gethan. Als ihm gesagt ward, daß dieser mit Luis Camoens hinweg¬
gegangen sei, erhellten sich die Mienen des Königs, und mit einer von Art
Ungestüm, unbekümmert um die tiefen Verbeugungen der zahlreich im Saale
versammelten, riß er selbst die Thür zu einem kleinen Durchgangsgemache ans
und warf sie dröhnend wieder ins Schloß. Von dem einzigen Sitze in dem
beinahe dunkeln Raume fuhr der vertraute Diener des Königs empor, der
schweigend, vielleicht schlummernd, dort seines Gebieters gewartet hatte. Dom
Sebastian sagte im Vorübereilen nur: Der alte Miraflores ist hier? und
wandte sich auf ein leises: Ja, Majestät! zu der weiterführenden Thür. Das
Gemach, welches er jetzt betrat, war von einem Bündel Wachskerzen auf einem
großen silbernen Handleuchter erhellt, der alte Stallmeister der Gräfin Pal-
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Grenzbotm III. 1886. 12
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