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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta.

schösse der Einnahmen über die Ausgaben lange Jahre hindurch, dnrch die Ent¬
wicklung der inländischen Produktion und durch die Verminderung der Zahlungen
an das Ausland. Jeder Versuch, den Kurs des Kreditrubels plötzlich zu heben,
könnte nur einen vorübergehenden Erfolg haben und muß sicher zu einem
Rückgang führen, welcher nnr dem Börsenspiele Vorschub leisten würde.
Es ist augenscheinlich, daß die Spekulation im vergangnen Jahre die Baisse
des Kurses beeinflußt hat und daß sie eine Stütze in der Verlangsamung der
Getreideausfuhr gefunden hat, aber man darf hoffen, daß mit der Hebung des
Exports und dank dem Vertrauen, welches die Wiederkehr geregelter Zustände
im Jnnern und die feste, aber friedliche Politik Eurer Majestät bringt, der
Kurs sich wieder bessern wird."

Fast gleichlautend sind die Bemerkungen des Finanzministers, welche die
Einreichuug des Budgets vou 1884 begleiten. Herr Bunge hält auch darin
an der Auffassung fest, daß eine reißend schnelle, aber uur zeitweilige Besserung
des Wechselkurses nicht allzusehr zu wünschen wäre. Diese Besserung würde
"ein weiteres Sinken der Getreidepreise hervorrufen, deren jetzige Gestaltung
ohnedies für die getreideausführenden Landwirte ungünstig genug ist."

Der Druck, den die Getreideexpvrteure Rußlands auf die Entschließungen
der Regierung ausüben, hat denn anch in den letzten zwei Jahren jedwede auf
Hebung des Rubelkurses gerichtete Operation hintangehalten. Der Finanz-
minister wird von dieser Jntcressentengruppe stark bedrängt. Ihre Stimmen
haben umso größeres Gewicht, als die Getreideausfuhr der wichtigste Faktor
des russische" Außenhandels ist und die Konkurrenz Kanadas und Indiens
nur mit Hilfe der Valntendeprcssion überwunden werden kann. Ein Abweichen
von diesem System ist auch in der nächsten Zukunft nicht zu erwarten. Die
russische Regierung scheint vielmehr eine langsame Hebung des Kurses dem
natürlichen Verlauf der Dinge überlassen zu wollen, wobei das Anwachsen der
Produktionskraft des Landes bei fortgesetzter Entwicklung des Verkehrswesens
und eine stetige günstige Handelsbilanz den Ausschlag geben werden.

Ein drittes Mittel bietet sich freilich noch in der Verminderung der Zahlungs-
verpslichtuugeu an das Ausland. Diese wäre durch eine Kvnvertirung derjenigen
Anleihen zu erreichen, bei welchen die Rückzahlung des Kapitals uicht an eine
ausdrücklich gewährleistete Frist gebunden ist. Die große Mehrzahl der russischen
Anleihen ist ohne eine solche Beschränkung aufgenommen. Die Rechtsfrage
kann nicht streitig sein. Sie ist schon in andern Staaten und noch kürzlich in
Preußen bei der Kouvertiruug der Prioritäten verstaatlichter Eisenbahnen
praktisch zum Austrag gekommen. Natürlich wird es sich im vorliegenden Falle
vorwiegend um die auf Gold lautenden Staatspapiere handeln. Diejenigen,
deren Kurs sich nach Papierrnbeln ausdrückt, bleiben zunächst außer Betracht.
Die Umwandlung des fünfprozentigen Zinsfußes in einen vierprozentigen kann
von der Negierung ohne Nachteil vollzogen werden, wenn der Kurs des fünf-


Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta.

schösse der Einnahmen über die Ausgaben lange Jahre hindurch, dnrch die Ent¬
wicklung der inländischen Produktion und durch die Verminderung der Zahlungen
an das Ausland. Jeder Versuch, den Kurs des Kreditrubels plötzlich zu heben,
könnte nur einen vorübergehenden Erfolg haben und muß sicher zu einem
Rückgang führen, welcher nnr dem Börsenspiele Vorschub leisten würde.
Es ist augenscheinlich, daß die Spekulation im vergangnen Jahre die Baisse
des Kurses beeinflußt hat und daß sie eine Stütze in der Verlangsamung der
Getreideausfuhr gefunden hat, aber man darf hoffen, daß mit der Hebung des
Exports und dank dem Vertrauen, welches die Wiederkehr geregelter Zustände
im Jnnern und die feste, aber friedliche Politik Eurer Majestät bringt, der
Kurs sich wieder bessern wird."

Fast gleichlautend sind die Bemerkungen des Finanzministers, welche die
Einreichuug des Budgets vou 1884 begleiten. Herr Bunge hält auch darin
an der Auffassung fest, daß eine reißend schnelle, aber uur zeitweilige Besserung
des Wechselkurses nicht allzusehr zu wünschen wäre. Diese Besserung würde
„ein weiteres Sinken der Getreidepreise hervorrufen, deren jetzige Gestaltung
ohnedies für die getreideausführenden Landwirte ungünstig genug ist."

Der Druck, den die Getreideexpvrteure Rußlands auf die Entschließungen
der Regierung ausüben, hat denn anch in den letzten zwei Jahren jedwede auf
Hebung des Rubelkurses gerichtete Operation hintangehalten. Der Finanz-
minister wird von dieser Jntcressentengruppe stark bedrängt. Ihre Stimmen
haben umso größeres Gewicht, als die Getreideausfuhr der wichtigste Faktor
des russische» Außenhandels ist und die Konkurrenz Kanadas und Indiens
nur mit Hilfe der Valntendeprcssion überwunden werden kann. Ein Abweichen
von diesem System ist auch in der nächsten Zukunft nicht zu erwarten. Die
russische Regierung scheint vielmehr eine langsame Hebung des Kurses dem
natürlichen Verlauf der Dinge überlassen zu wollen, wobei das Anwachsen der
Produktionskraft des Landes bei fortgesetzter Entwicklung des Verkehrswesens
und eine stetige günstige Handelsbilanz den Ausschlag geben werden.

Ein drittes Mittel bietet sich freilich noch in der Verminderung der Zahlungs-
verpslichtuugeu an das Ausland. Diese wäre durch eine Kvnvertirung derjenigen
Anleihen zu erreichen, bei welchen die Rückzahlung des Kapitals uicht an eine
ausdrücklich gewährleistete Frist gebunden ist. Die große Mehrzahl der russischen
Anleihen ist ohne eine solche Beschränkung aufgenommen. Die Rechtsfrage
kann nicht streitig sein. Sie ist schon in andern Staaten und noch kürzlich in
Preußen bei der Kouvertiruug der Prioritäten verstaatlichter Eisenbahnen
praktisch zum Austrag gekommen. Natürlich wird es sich im vorliegenden Falle
vorwiegend um die auf Gold lautenden Staatspapiere handeln. Diejenigen,
deren Kurs sich nach Papierrnbeln ausdrückt, bleiben zunächst außer Betracht.
Die Umwandlung des fünfprozentigen Zinsfußes in einen vierprozentigen kann
von der Negierung ohne Nachteil vollzogen werden, wenn der Kurs des fünf-


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[0077] Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta. schösse der Einnahmen über die Ausgaben lange Jahre hindurch, dnrch die Ent¬ wicklung der inländischen Produktion und durch die Verminderung der Zahlungen an das Ausland. Jeder Versuch, den Kurs des Kreditrubels plötzlich zu heben, könnte nur einen vorübergehenden Erfolg haben und muß sicher zu einem Rückgang führen, welcher nnr dem Börsenspiele Vorschub leisten würde. Es ist augenscheinlich, daß die Spekulation im vergangnen Jahre die Baisse des Kurses beeinflußt hat und daß sie eine Stütze in der Verlangsamung der Getreideausfuhr gefunden hat, aber man darf hoffen, daß mit der Hebung des Exports und dank dem Vertrauen, welches die Wiederkehr geregelter Zustände im Jnnern und die feste, aber friedliche Politik Eurer Majestät bringt, der Kurs sich wieder bessern wird." Fast gleichlautend sind die Bemerkungen des Finanzministers, welche die Einreichuug des Budgets vou 1884 begleiten. Herr Bunge hält auch darin an der Auffassung fest, daß eine reißend schnelle, aber uur zeitweilige Besserung des Wechselkurses nicht allzusehr zu wünschen wäre. Diese Besserung würde „ein weiteres Sinken der Getreidepreise hervorrufen, deren jetzige Gestaltung ohnedies für die getreideausführenden Landwirte ungünstig genug ist." Der Druck, den die Getreideexpvrteure Rußlands auf die Entschließungen der Regierung ausüben, hat denn anch in den letzten zwei Jahren jedwede auf Hebung des Rubelkurses gerichtete Operation hintangehalten. Der Finanz- minister wird von dieser Jntcressentengruppe stark bedrängt. Ihre Stimmen haben umso größeres Gewicht, als die Getreideausfuhr der wichtigste Faktor des russische» Außenhandels ist und die Konkurrenz Kanadas und Indiens nur mit Hilfe der Valntendeprcssion überwunden werden kann. Ein Abweichen von diesem System ist auch in der nächsten Zukunft nicht zu erwarten. Die russische Regierung scheint vielmehr eine langsame Hebung des Kurses dem natürlichen Verlauf der Dinge überlassen zu wollen, wobei das Anwachsen der Produktionskraft des Landes bei fortgesetzter Entwicklung des Verkehrswesens und eine stetige günstige Handelsbilanz den Ausschlag geben werden. Ein drittes Mittel bietet sich freilich noch in der Verminderung der Zahlungs- verpslichtuugeu an das Ausland. Diese wäre durch eine Kvnvertirung derjenigen Anleihen zu erreichen, bei welchen die Rückzahlung des Kapitals uicht an eine ausdrücklich gewährleistete Frist gebunden ist. Die große Mehrzahl der russischen Anleihen ist ohne eine solche Beschränkung aufgenommen. Die Rechtsfrage kann nicht streitig sein. Sie ist schon in andern Staaten und noch kürzlich in Preußen bei der Kouvertiruug der Prioritäten verstaatlichter Eisenbahnen praktisch zum Austrag gekommen. Natürlich wird es sich im vorliegenden Falle vorwiegend um die auf Gold lautenden Staatspapiere handeln. Diejenigen, deren Kurs sich nach Papierrnbeln ausdrückt, bleiben zunächst außer Betracht. Die Umwandlung des fünfprozentigen Zinsfußes in einen vierprozentigen kann von der Negierung ohne Nachteil vollzogen werden, wenn der Kurs des fünf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/77>, abgerufen am 22.07.2024.