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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Rußlands Finanzen und die Gntivertnng seiner Valuta.

den Urhebern des russischen Gesetzes vor. Allein die Lage war hier eine ganz
andre, und der Erfolg konnte nicht derselbe sein. Denn in Frankreich liefen
damals 2500 Mill. Silber- und 500 Mill, Goldmünze um, und die Bank¬
noten standen uach einer kurzen vorübergehenden Schwankung während der
ganzen damaligen Herrschaft des Zwangskurses al xari. In Rußland war bei
dem tiefen Stande der Valuta ein solches Ergebnis nicht zu erwarten. Die
Negierung sah sich denn auch bald genötigt, den Zinsfuß der Vankbillete auf
fünf Prozent zu erhöhen. Ein andrer Fehler war, daß die Reichsbank bei
ihrer Begründung den Stock der entwertete" Kreditbillets übernehmen mußte
und so vou vornherein als zahlungsunfähig hingestellt wurde. Sie konnte in
der Folge deren Nominalwert nur mühsam dnrch Trassirungen aufrecht erhalten,
bei denen sie in jedem einzelnen Falle zuzählte.

Bei dieser Sachlage hat auch die Berufung des Herrn von Reuter" (1861),
an welche man anfangs große Hoffmmgen knüpfte, keinen Umschwung in den
Fi"a"zvcrhältnissen bewirken können. Allerdings errang sich der neue Minister
den Beifall des großen Publikums dadurch, daß er die Veröffentlichung des
bis dahin stets geheim gehaltenen jährlichen Budget-Voranschlags veranlaßte.
Allein der Versuch, den Kurs des Papierrubcls durch Begründung eines Um-
wechsluugsfvnds unter Bestimmung einer aufsteigenden Einwechslungsskala zu
heben, zeigte sich bald als undurchführbar. Die fünfzehn Millionen der russisch-
englischen Anleihe von 1862 waren für diese Operation bestimmt. Vom 1. Mai
jenes Jahres ab sollte vier Monate lang der Silberrubel mit 110^ Kopeken
Papiergeld bezahlt, dieser Betrag vom 1. August ab auf 108^ Kopeken herab¬
gesetzt und so allmählich Parität zwischen Silber und Papier herbeigeführt
werden. Diese Maßregel wurde von der Börse in gewinnbringendster Weise
ausgebeutet, da die Umwechslungspreise im voraus für ein Jahr veröffentlicht
waren. Außerdem war vorherzusehen, daß nach Verausgabung der fünfzehn
Millionen, also uach wenigen Jahren, die Mittel zur Aufrechterhaltung eines
künstlich gefristeten Wechselkurses fehlen würden und der Außenhandel dann die
Rolle des Kurserhalters uoch uicht würde übernehmen können. Dieser Zeit
Punkt trat noch früher ein, da der polnische Aufstand und die Rüstungen des
Jahres 186^ ungeheure Ausgaben veranlaßten, sodaß im Herbst jenes Jahres
der Umwechslungsfonds bereits erschöpft und gleichzeitig derselbe niedrige Kurs¬
stand wieder erreicht war, der die Reform veranlaßt hatte. Einige Jahre später,
1867, wurde auch ein Teil der Neichsschatzscheine durch neuemittirtes Papier¬
geld ersetzt. Die Vermehrung des letztern trat nach vorübergehender Ein¬
schränkung wieder in der alten Weise aus. Das Endergebnis aller Versuche,
welche man vereint unter dem prunkenden Namen der "Finauzreform" zusammen¬
gefaßt hat, war schließlich das, daß die Papiergeldmasse ihre ehemalige, durch
den Krimkrieg erlangte Höhe von über 700 Mill. Rubel wieder erreicht hatte.
Mit dieser Ziffer trat man in das siebente Jahrzehnt des Jahrhunderts ein.


Rußlands Finanzen und die Gntivertnng seiner Valuta.

den Urhebern des russischen Gesetzes vor. Allein die Lage war hier eine ganz
andre, und der Erfolg konnte nicht derselbe sein. Denn in Frankreich liefen
damals 2500 Mill. Silber- und 500 Mill, Goldmünze um, und die Bank¬
noten standen uach einer kurzen vorübergehenden Schwankung während der
ganzen damaligen Herrschaft des Zwangskurses al xari. In Rußland war bei
dem tiefen Stande der Valuta ein solches Ergebnis nicht zu erwarten. Die
Negierung sah sich denn auch bald genötigt, den Zinsfuß der Vankbillete auf
fünf Prozent zu erhöhen. Ein andrer Fehler war, daß die Reichsbank bei
ihrer Begründung den Stock der entwertete» Kreditbillets übernehmen mußte
und so vou vornherein als zahlungsunfähig hingestellt wurde. Sie konnte in
der Folge deren Nominalwert nur mühsam dnrch Trassirungen aufrecht erhalten,
bei denen sie in jedem einzelnen Falle zuzählte.

Bei dieser Sachlage hat auch die Berufung des Herrn von Reuter» (1861),
an welche man anfangs große Hoffmmgen knüpfte, keinen Umschwung in den
Fi»a»zvcrhältnissen bewirken können. Allerdings errang sich der neue Minister
den Beifall des großen Publikums dadurch, daß er die Veröffentlichung des
bis dahin stets geheim gehaltenen jährlichen Budget-Voranschlags veranlaßte.
Allein der Versuch, den Kurs des Papierrubcls durch Begründung eines Um-
wechsluugsfvnds unter Bestimmung einer aufsteigenden Einwechslungsskala zu
heben, zeigte sich bald als undurchführbar. Die fünfzehn Millionen der russisch-
englischen Anleihe von 1862 waren für diese Operation bestimmt. Vom 1. Mai
jenes Jahres ab sollte vier Monate lang der Silberrubel mit 110^ Kopeken
Papiergeld bezahlt, dieser Betrag vom 1. August ab auf 108^ Kopeken herab¬
gesetzt und so allmählich Parität zwischen Silber und Papier herbeigeführt
werden. Diese Maßregel wurde von der Börse in gewinnbringendster Weise
ausgebeutet, da die Umwechslungspreise im voraus für ein Jahr veröffentlicht
waren. Außerdem war vorherzusehen, daß nach Verausgabung der fünfzehn
Millionen, also uach wenigen Jahren, die Mittel zur Aufrechterhaltung eines
künstlich gefristeten Wechselkurses fehlen würden und der Außenhandel dann die
Rolle des Kurserhalters uoch uicht würde übernehmen können. Dieser Zeit
Punkt trat noch früher ein, da der polnische Aufstand und die Rüstungen des
Jahres 186^ ungeheure Ausgaben veranlaßten, sodaß im Herbst jenes Jahres
der Umwechslungsfonds bereits erschöpft und gleichzeitig derselbe niedrige Kurs¬
stand wieder erreicht war, der die Reform veranlaßt hatte. Einige Jahre später,
1867, wurde auch ein Teil der Neichsschatzscheine durch neuemittirtes Papier¬
geld ersetzt. Die Vermehrung des letztern trat nach vorübergehender Ein¬
schränkung wieder in der alten Weise aus. Das Endergebnis aller Versuche,
welche man vereint unter dem prunkenden Namen der „Finauzreform" zusammen¬
gefaßt hat, war schließlich das, daß die Papiergeldmasse ihre ehemalige, durch
den Krimkrieg erlangte Höhe von über 700 Mill. Rubel wieder erreicht hatte.
Mit dieser Ziffer trat man in das siebente Jahrzehnt des Jahrhunderts ein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/67>, abgerufen am 22.07.2024.