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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Notiz.

seinem Zimmer, als nebenan im Saale Fräulein Cäcilie den Besuch des Herrn
Oberförsters empfing, und konnte nicht umhin, deren Gespräch mit anzuhören.

Die Dame klagte dem alten Bekannten ihr bitteres Leid.

Was soll nur noch aus uns werden, Bester? Wir gehen dem Abgrunde
zu! Ist das eine Wirtschaft für ein ehrsames Haus? Sind das Zustände?
Ich bitte Sie! Seit der abscheulichen Geschichte mit dem niederträchtigen Dalda
ist mein Bruder geradezu unerträglich. Sagen Sie selbst, ist das nichtsnutzige,
französische Frauenzimmer es wert, daß man darum einen friedlichen Hausstand
zu Grunde richtet? Aber es ist noch etwas andres dahinter gewesen.

Andres? Dusele zwinkerte mit den Augen und zog die Schultern in die
Höhe. Nun ja, auf dieser Welt ist nichts unmöglich. Aber was können Sie
meinen, vcrehrtcstcs Fräulein?

Ich denke mir, er wäre nicht so furchtbar aufgebracht auf den Moosdorfer,
wenn ihn nicht im Grunde die Eifersucht ein wenig plagte. Der Erztaugenichts
hat meiner Schwägerin doch sehr schön gethan.

Eifersüchtig auf den? rief Dnsele mit Hellem Auflachen, el, das nenne ich
nnr Verschwendung, meine Beste, Verschwendung. Wenn der Herr Hofmarschall
eifersüchtig sein will, so sollte er sich näher umsehen. Näher -- und weiter;
verstehen Sie mich?

Nein.

I, da sieht man 'mal wieder, daß man draußen merken kann, was im Hause
niemand ahnt.

Unsinn! rief Cäcilie.

Und Unsinn! wiederholte der Hofmarschall. Aber der Tropfen Gift, den
er wider Willen aufgenommen hatte, fand in seinem kranken Gemüt dankbaren
Boden und fraß weiter. (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Der Philosoph von Sanssouci. Eine der interessantesten von den zahl¬
reichen Schriften, welche der 17. August d. I. hervorgerufen hat, erblicken wir in
E. Zelters "Friedrich der Große als Philosoph" (Berlin, Weidmann), denn dem
großen Könige, der an jenen: Tage vor hundert Jahren aus dem Leben schied,
stand die Philosophie im Mittelpunkte seines Bewußtseins, und so weit auch in ihm
der Herrscher den Forscher überragt, hat jene Wissenschaft doch dem Jünglinge wie
dem Greise sehr wesentliche Dienste geleistet. Gleichwohl ist der Gegenstand bis¬
her noch nicht erschöpfend behandelt worden, und wir freuen uns daher doppelt,
daß ein Gelehrter von Zelters Bedeutung sich dieser Aufgabe unterzogen hat. Im
folgenden teilen wir kurz die Resultate mit, zu denen er gelangt. Friedrich hat
me Notwendigkeit der Beschäftigung mit philosophischen Fragen, obwohl ihn als
Regenten die anstrengendsten Pflichten und Sorgen fast unausgesetzt in Anspruch
nahmen und er seiner ganzen Natur nach auf praktische Ziele gerichtet war, tief
und lebhaft empfunden. Der leitende Gedanke wird ihm, je mehr die Religion bei


Grenzboten III. 1886. 73
Notiz.

seinem Zimmer, als nebenan im Saale Fräulein Cäcilie den Besuch des Herrn
Oberförsters empfing, und konnte nicht umhin, deren Gespräch mit anzuhören.

Die Dame klagte dem alten Bekannten ihr bitteres Leid.

Was soll nur noch aus uns werden, Bester? Wir gehen dem Abgrunde
zu! Ist das eine Wirtschaft für ein ehrsames Haus? Sind das Zustände?
Ich bitte Sie! Seit der abscheulichen Geschichte mit dem niederträchtigen Dalda
ist mein Bruder geradezu unerträglich. Sagen Sie selbst, ist das nichtsnutzige,
französische Frauenzimmer es wert, daß man darum einen friedlichen Hausstand
zu Grunde richtet? Aber es ist noch etwas andres dahinter gewesen.

Andres? Dusele zwinkerte mit den Augen und zog die Schultern in die
Höhe. Nun ja, auf dieser Welt ist nichts unmöglich. Aber was können Sie
meinen, vcrehrtcstcs Fräulein?

Ich denke mir, er wäre nicht so furchtbar aufgebracht auf den Moosdorfer,
wenn ihn nicht im Grunde die Eifersucht ein wenig plagte. Der Erztaugenichts
hat meiner Schwägerin doch sehr schön gethan.

Eifersüchtig auf den? rief Dnsele mit Hellem Auflachen, el, das nenne ich
nnr Verschwendung, meine Beste, Verschwendung. Wenn der Herr Hofmarschall
eifersüchtig sein will, so sollte er sich näher umsehen. Näher — und weiter;
verstehen Sie mich?

Nein.

I, da sieht man 'mal wieder, daß man draußen merken kann, was im Hause
niemand ahnt.

Unsinn! rief Cäcilie.

Und Unsinn! wiederholte der Hofmarschall. Aber der Tropfen Gift, den
er wider Willen aufgenommen hatte, fand in seinem kranken Gemüt dankbaren
Boden und fraß weiter. (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Der Philosoph von Sanssouci. Eine der interessantesten von den zahl¬
reichen Schriften, welche der 17. August d. I. hervorgerufen hat, erblicken wir in
E. Zelters „Friedrich der Große als Philosoph" (Berlin, Weidmann), denn dem
großen Könige, der an jenen: Tage vor hundert Jahren aus dem Leben schied,
stand die Philosophie im Mittelpunkte seines Bewußtseins, und so weit auch in ihm
der Herrscher den Forscher überragt, hat jene Wissenschaft doch dem Jünglinge wie
dem Greise sehr wesentliche Dienste geleistet. Gleichwohl ist der Gegenstand bis¬
her noch nicht erschöpfend behandelt worden, und wir freuen uns daher doppelt,
daß ein Gelehrter von Zelters Bedeutung sich dieser Aufgabe unterzogen hat. Im
folgenden teilen wir kurz die Resultate mit, zu denen er gelangt. Friedrich hat
me Notwendigkeit der Beschäftigung mit philosophischen Fragen, obwohl ihn als
Regenten die anstrengendsten Pflichten und Sorgen fast unausgesetzt in Anspruch
nahmen und er seiner ganzen Natur nach auf praktische Ziele gerichtet war, tief
und lebhaft empfunden. Der leitende Gedanke wird ihm, je mehr die Religion bei


Grenzboten III. 1886. 73
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/625>, abgerufen am 22.07.2024.