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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Alexander von Roberts.

Schildkröte und verheimlicht den Tod der andern, aber gleichzeitig verzichtet
er auf das in Aussicht gestellte Erbe, das ihn bisher schon in der Phantasie
so um jede Nuhe gebracht und gequält hat. Er zieht es vor, mit den Seinigen
arm zu bleiben.

Man begreift leicht, warum Roberts, der das Familienleben so anmutig
verherrlicht und auch sonst konservativ ist, so schnell ein Liebling der Familien¬
journale werdeu konnte. Zu seiner ungewöhnlich eleganten Form, die er sich
wohl in französischer Schule erworben hat, bringt er eine dem deutschen Bürger-
tumc sympathische Gesinnung mit. Was speziell den Reiz der "Pensionärin"
erhöht, ist die vornehm schlichte Erzählungsweise. Auch war es ein sehr glück¬
licher Griff, die ganze Handlung nach Paris zu verlegen, das für solche halb
märchenhafte Goldgeschichten der deutschen Phantasie noch immer als der rechte
Hintergrund erscheint.

Roberts ist der geborne Erzähler, der erfindungsreiche Fabnlist von Haus
aus. Er verfolgt keinerlei Tendenz, die Satire liegt ihm fern, auch ist es uicht
seine Art, originelle Charaktere in ihrer Absonderlichkeit aufzustellen, die schweren
innern Konflikte meidet er. Er will nichts als heiter unterhalten, und dies
gelingt ihm in ausnehmender Weise. Dadurch unterscheidet er sich wesentlich
von seinem literarischen Altersgenossen Schwarzkopf, auf den oben hingedeutet
wurde. Dieser geht ganz in der Charakteristik auf, reiht eine seine Beobach¬
tung an die andre; Roberts hat nur Sinn für die Handlung, die er hübsch
spannend komponirt.

Roberts war früher Soldat, Offizier in der deutschen Armee; die ersten
literarischen Erfolge veranlaßten ihn, den militärischen Dienst zu verlassen und
sich ganz dem der Muse zu widmen. Allein die Erinnerungen aus dem Militär¬
leben regten ihn zu einer Reihe heiterer und ernster Geschichten an, in denen
der militärische Ton zu erzählen besonders glücklich nachgeahmt wurde. Es ge¬
hören dahin "Scharfgeladen," "Die Puppen," "Aus der Art," "Der Tambour-
major" und die ausgezeichneten Geschichten aus den Erlebnissen des Majors
Marsa: "Ein Kuß" und "Das Herz des Oberleutnants." Aus dem "Kuß"
mag hier eine Stelle zur Veranschaulichung seines Stils Platz finden. Der
Major Marsa sitzt am Stammtische im Kreise seiner Kollegen; ein stets
bereiter Erzähler, läßt er sich auch heute nicht lange bitten, und erzählt
ein Abenteuer, welches ihm als jungen Leutnant einmal bei einer Rück¬
fahrt in seine Garnison begegnet ist. Vorher hatte er noch einen Abschied von
den Husaren bei schwerem Wein gefeiert. "Was kann man auf der Eisenbcchu
besseres thun als schlafen, oder wie ein guter Bekannter von mir sich ausdrückte:
die innere Gegend rekognosziren. Zumal, wenn einem solche charmante Bursche
wie die S.schen grünen Husaren mit dem deliziösesten Getränk von der Welt
das Blut versetzt haben. Lag also bequem in einer Ecke und duselte, hatte
dem Schaffner anbefohlen, mich in Derbitz, meiner Garnison, zu wecken, beileibe


Alexander von Roberts.

Schildkröte und verheimlicht den Tod der andern, aber gleichzeitig verzichtet
er auf das in Aussicht gestellte Erbe, das ihn bisher schon in der Phantasie
so um jede Nuhe gebracht und gequält hat. Er zieht es vor, mit den Seinigen
arm zu bleiben.

Man begreift leicht, warum Roberts, der das Familienleben so anmutig
verherrlicht und auch sonst konservativ ist, so schnell ein Liebling der Familien¬
journale werdeu konnte. Zu seiner ungewöhnlich eleganten Form, die er sich
wohl in französischer Schule erworben hat, bringt er eine dem deutschen Bürger-
tumc sympathische Gesinnung mit. Was speziell den Reiz der „Pensionärin"
erhöht, ist die vornehm schlichte Erzählungsweise. Auch war es ein sehr glück¬
licher Griff, die ganze Handlung nach Paris zu verlegen, das für solche halb
märchenhafte Goldgeschichten der deutschen Phantasie noch immer als der rechte
Hintergrund erscheint.

Roberts ist der geborne Erzähler, der erfindungsreiche Fabnlist von Haus
aus. Er verfolgt keinerlei Tendenz, die Satire liegt ihm fern, auch ist es uicht
seine Art, originelle Charaktere in ihrer Absonderlichkeit aufzustellen, die schweren
innern Konflikte meidet er. Er will nichts als heiter unterhalten, und dies
gelingt ihm in ausnehmender Weise. Dadurch unterscheidet er sich wesentlich
von seinem literarischen Altersgenossen Schwarzkopf, auf den oben hingedeutet
wurde. Dieser geht ganz in der Charakteristik auf, reiht eine seine Beobach¬
tung an die andre; Roberts hat nur Sinn für die Handlung, die er hübsch
spannend komponirt.

Roberts war früher Soldat, Offizier in der deutschen Armee; die ersten
literarischen Erfolge veranlaßten ihn, den militärischen Dienst zu verlassen und
sich ganz dem der Muse zu widmen. Allein die Erinnerungen aus dem Militär¬
leben regten ihn zu einer Reihe heiterer und ernster Geschichten an, in denen
der militärische Ton zu erzählen besonders glücklich nachgeahmt wurde. Es ge¬
hören dahin „Scharfgeladen," „Die Puppen," „Aus der Art," „Der Tambour-
major" und die ausgezeichneten Geschichten aus den Erlebnissen des Majors
Marsa: „Ein Kuß" und „Das Herz des Oberleutnants." Aus dem „Kuß"
mag hier eine Stelle zur Veranschaulichung seines Stils Platz finden. Der
Major Marsa sitzt am Stammtische im Kreise seiner Kollegen; ein stets
bereiter Erzähler, läßt er sich auch heute nicht lange bitten, und erzählt
ein Abenteuer, welches ihm als jungen Leutnant einmal bei einer Rück¬
fahrt in seine Garnison begegnet ist. Vorher hatte er noch einen Abschied von
den Husaren bei schwerem Wein gefeiert. „Was kann man auf der Eisenbcchu
besseres thun als schlafen, oder wie ein guter Bekannter von mir sich ausdrückte:
die innere Gegend rekognosziren. Zumal, wenn einem solche charmante Bursche
wie die S.schen grünen Husaren mit dem deliziösesten Getränk von der Welt
das Blut versetzt haben. Lag also bequem in einer Ecke und duselte, hatte
dem Schaffner anbefohlen, mich in Derbitz, meiner Garnison, zu wecken, beileibe


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[0614] Alexander von Roberts. Schildkröte und verheimlicht den Tod der andern, aber gleichzeitig verzichtet er auf das in Aussicht gestellte Erbe, das ihn bisher schon in der Phantasie so um jede Nuhe gebracht und gequält hat. Er zieht es vor, mit den Seinigen arm zu bleiben. Man begreift leicht, warum Roberts, der das Familienleben so anmutig verherrlicht und auch sonst konservativ ist, so schnell ein Liebling der Familien¬ journale werdeu konnte. Zu seiner ungewöhnlich eleganten Form, die er sich wohl in französischer Schule erworben hat, bringt er eine dem deutschen Bürger- tumc sympathische Gesinnung mit. Was speziell den Reiz der „Pensionärin" erhöht, ist die vornehm schlichte Erzählungsweise. Auch war es ein sehr glück¬ licher Griff, die ganze Handlung nach Paris zu verlegen, das für solche halb märchenhafte Goldgeschichten der deutschen Phantasie noch immer als der rechte Hintergrund erscheint. Roberts ist der geborne Erzähler, der erfindungsreiche Fabnlist von Haus aus. Er verfolgt keinerlei Tendenz, die Satire liegt ihm fern, auch ist es uicht seine Art, originelle Charaktere in ihrer Absonderlichkeit aufzustellen, die schweren innern Konflikte meidet er. Er will nichts als heiter unterhalten, und dies gelingt ihm in ausnehmender Weise. Dadurch unterscheidet er sich wesentlich von seinem literarischen Altersgenossen Schwarzkopf, auf den oben hingedeutet wurde. Dieser geht ganz in der Charakteristik auf, reiht eine seine Beobach¬ tung an die andre; Roberts hat nur Sinn für die Handlung, die er hübsch spannend komponirt. Roberts war früher Soldat, Offizier in der deutschen Armee; die ersten literarischen Erfolge veranlaßten ihn, den militärischen Dienst zu verlassen und sich ganz dem der Muse zu widmen. Allein die Erinnerungen aus dem Militär¬ leben regten ihn zu einer Reihe heiterer und ernster Geschichten an, in denen der militärische Ton zu erzählen besonders glücklich nachgeahmt wurde. Es ge¬ hören dahin „Scharfgeladen," „Die Puppen," „Aus der Art," „Der Tambour- major" und die ausgezeichneten Geschichten aus den Erlebnissen des Majors Marsa: „Ein Kuß" und „Das Herz des Oberleutnants." Aus dem „Kuß" mag hier eine Stelle zur Veranschaulichung seines Stils Platz finden. Der Major Marsa sitzt am Stammtische im Kreise seiner Kollegen; ein stets bereiter Erzähler, läßt er sich auch heute nicht lange bitten, und erzählt ein Abenteuer, welches ihm als jungen Leutnant einmal bei einer Rück¬ fahrt in seine Garnison begegnet ist. Vorher hatte er noch einen Abschied von den Husaren bei schwerem Wein gefeiert. „Was kann man auf der Eisenbcchu besseres thun als schlafen, oder wie ein guter Bekannter von mir sich ausdrückte: die innere Gegend rekognosziren. Zumal, wenn einem solche charmante Bursche wie die S.schen grünen Husaren mit dem deliziösesten Getränk von der Welt das Blut versetzt haben. Lag also bequem in einer Ecke und duselte, hatte dem Schaffner anbefohlen, mich in Derbitz, meiner Garnison, zu wecken, beileibe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/614>, abgerufen am 22.07.2024.