Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Alexander von Roberts. u den Sympathischsten Gestalten der jüngsten Literatur gehört Roberts ist einer der seltenen Menschen, die zufrieden sind mit ihrer Zeit. Alexander von Roberts. u den Sympathischsten Gestalten der jüngsten Literatur gehört Roberts ist einer der seltenen Menschen, die zufrieden sind mit ihrer Zeit. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0611" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199331"/> </div> <div n="1"> <head> Alexander von Roberts.</head><lb/> <p xml:id="ID_2093"> u den Sympathischsten Gestalten der jüngsten Literatur gehört<lb/> Baron von Roberts, der im Verlaufe weniger Jahre zu einem<lb/> beliebte-, Modeschriftsteller geworden ist. um dessen Mitarbeiter¬<lb/> schaft sich die üppige Konkurrenz der Familienblätter mit und<lb/> ohne Illustration bemüht. Dieser Erfolg innerhalb von vier Jahren<lb/> — Roberts trat dnrch die Gewinnung des ersten Preises bei der Feuilleton-<lb/> Preisausschreibnug der Wiener Allgemeinen Zeitung im Frühjahr 1882 zuerst<lb/> in der literarischen Öffentlichkeit hervor — erklärt sich aus der Eigenart des<lb/> Mannes und seiner Schriften.</p><lb/> <p xml:id="ID_2094" next="#ID_2095"> Roberts ist einer der seltenen Menschen, die zufrieden sind mit ihrer Zeit.<lb/> Das ist seine Stärke und seine Schwäche. Eine edle, grundgütige und harmonische<lb/> Natur, kontemplativ zu behaglichem Genusse des Daseins angelegt, hält er sich<lb/> mit Vorliebe an die guten Seiten der Menschen und seiner Zeit. Um seinen Stand¬<lb/> punkt klar auszusprechen, schrieb er die Skizze „Die gute alte Zeit" als Ein¬<lb/> leitung zu seiner ersten Novellcusnmmlung „Es und Anderes" (dritte Auflage,<lb/> Dresden. Minden, 1884). Charakteristisch für die Liebenswürdigkeit seines<lb/> Naturells, hat er hier deu Spott über die Kopfhänger und Schimpfer in die<lb/> Form der Selbstironie gekleidet. Er träumt sich in das Jahr 1923, wo er<lb/> längst Großvater geworden, im Sorgenstuhl sinnend dasitzt. Zu dieser Zeit ist<lb/> der Luftballon schon lenkbar gemacht worden, das elektrische Licht wird zum<lb/> Befördern des Ncbenwuchscs benutzt, und dergleichen mehr. Trotzdem sehnt er,<lb/> der Alte von Anno 1883, sich nach der „guten alten Zeit" zurück, muß sich aber<lb/> von seinem frühreifen Enkelkinder über seine Irrtümer aufklären lassen. Und er<lb/> kommt zu folgender abschließenden Erkenntnis: „Man muß tüchtig sein und stark<lb/> in seiner Zeit, nicht vor-, nicht rückschaueu. Modern sein, das ist das Beste!...<lb/> Man wird sich des Guten, das man genießt, nicht immer so bewußt; das Böse<lb/> kann man meist greifen, und da mag es vorkommen, daß man jenes völlig<lb/> übersieht. Man ist auch undankbar, manche giebt es, die wollen das Gute, in<lb/> dem sie leben und atmen, nicht anerkennen. Jetzt ist es eine Mode geworden,<lb/> eine ganz nichtswürdige Mode, alles schlecht und erbärmlich zu finden. Die<lb/> Regierungen taugen nichts, die Regierten ebenso wenig, so geht das Geschrei.<lb/> Die Pietät ist dahin, der Unglaube frißt an den Seelen. Hochmut und Halb¬<lb/> bildung beherrschen den großen Markt u. s. w. Ach, was haben sie meine Zeit<lb/> verlästert! So schlimm sei es noch nie gewesen — die Welt ginge aus den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0611]
Alexander von Roberts.
u den Sympathischsten Gestalten der jüngsten Literatur gehört
Baron von Roberts, der im Verlaufe weniger Jahre zu einem
beliebte-, Modeschriftsteller geworden ist. um dessen Mitarbeiter¬
schaft sich die üppige Konkurrenz der Familienblätter mit und
ohne Illustration bemüht. Dieser Erfolg innerhalb von vier Jahren
— Roberts trat dnrch die Gewinnung des ersten Preises bei der Feuilleton-
Preisausschreibnug der Wiener Allgemeinen Zeitung im Frühjahr 1882 zuerst
in der literarischen Öffentlichkeit hervor — erklärt sich aus der Eigenart des
Mannes und seiner Schriften.
Roberts ist einer der seltenen Menschen, die zufrieden sind mit ihrer Zeit.
Das ist seine Stärke und seine Schwäche. Eine edle, grundgütige und harmonische
Natur, kontemplativ zu behaglichem Genusse des Daseins angelegt, hält er sich
mit Vorliebe an die guten Seiten der Menschen und seiner Zeit. Um seinen Stand¬
punkt klar auszusprechen, schrieb er die Skizze „Die gute alte Zeit" als Ein¬
leitung zu seiner ersten Novellcusnmmlung „Es und Anderes" (dritte Auflage,
Dresden. Minden, 1884). Charakteristisch für die Liebenswürdigkeit seines
Naturells, hat er hier deu Spott über die Kopfhänger und Schimpfer in die
Form der Selbstironie gekleidet. Er träumt sich in das Jahr 1923, wo er
längst Großvater geworden, im Sorgenstuhl sinnend dasitzt. Zu dieser Zeit ist
der Luftballon schon lenkbar gemacht worden, das elektrische Licht wird zum
Befördern des Ncbenwuchscs benutzt, und dergleichen mehr. Trotzdem sehnt er,
der Alte von Anno 1883, sich nach der „guten alten Zeit" zurück, muß sich aber
von seinem frühreifen Enkelkinder über seine Irrtümer aufklären lassen. Und er
kommt zu folgender abschließenden Erkenntnis: „Man muß tüchtig sein und stark
in seiner Zeit, nicht vor-, nicht rückschaueu. Modern sein, das ist das Beste!...
Man wird sich des Guten, das man genießt, nicht immer so bewußt; das Böse
kann man meist greifen, und da mag es vorkommen, daß man jenes völlig
übersieht. Man ist auch undankbar, manche giebt es, die wollen das Gute, in
dem sie leben und atmen, nicht anerkennen. Jetzt ist es eine Mode geworden,
eine ganz nichtswürdige Mode, alles schlecht und erbärmlich zu finden. Die
Regierungen taugen nichts, die Regierten ebenso wenig, so geht das Geschrei.
Die Pietät ist dahin, der Unglaube frißt an den Seelen. Hochmut und Halb¬
bildung beherrschen den großen Markt u. s. w. Ach, was haben sie meine Zeit
verlästert! So schlimm sei es noch nie gewesen — die Welt ginge aus den
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |