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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Auflegen des Brennholzes dienend. An diesen Tränen sind einige Schwcbcrccke,
"Stängel," zum Kleidcrtrocknen angebracht. Ich bemerke gleich hier, daß ander¬
wärts, z. B. in Gaidel und Krickerhäu, wenigstens in den größeren Gebäuden
zu den "Tränen" noch ein andrer Hauptbalken hinzukommt, der Rost, der die
Stube in der Richtung von Giebel zu Giebel durchzieht und auf dem die Träne
ruhen. Durch fünf Fenster von etwa einem halben Quadratmeter mit kleinen,
aber nicht runden Scheiben wird die Stube zur Genüge erleuchtet.

In die andre Hälfte des Hauses teilen sich zwei Kammern, von denen ich
jedoch nur die meinem Führer gehörige besichtigen konnte; sie enthielt zwei
Betten, das eine, wohl das Ehebett, fast quadratisch, eine kurze Bank, einen
Schrein, einen Kasten, ein Faß und in einer Ecke einen niedrigen Bretterver¬
schlag, um allerlei hinaufzulegen; zwei Holzständer stützten die bei dem alten
Hause schon baufällige Decke.

Von dem "Hause" führt eine in ihrer Einfachheit merkwürdige Treppe in
den obern Stock. Ihre elf Stufen sind nichts andres als einfache, durch
die Länge der Benutzung in der Mitte tief ausgetretene Baumabschnittc,
welche auf zwei vou oben nach unten in schräger Richtung herablaufenden Auf-
bäumen (altes oberdeutsches Wort für Tragbaum), ein jeder vermittelst zweier senk¬
recht eingefügten, fingerlang herausstellenden Stöcke, festgehalten werden. Die obere
Einteilung des Hauses scheint auf den ersten Blick genau die untere zu wieder¬
holen. Über dem Vorhause ein Mittelraum, rechts die "Oberstoben" über der
Wohnstube, links zwei durch nackte Balkenwündc abgeschlagene Kammern mit
Thüröffnung, aber ohne Thür. Dazu sind offenbar später für neue Bedürfnisse
von dem Mittelraume zwei weitere Gelasse abgeteilt. Indessen ist diese Über¬
einstimmung nur Schein. In Wirklichkeit ist die "Oberstobe" nur ein kahler
Bodenraum, wie deun auch der Dachboden über der obern Kammer denselben
Namen "obere Stöbe" trügt. Dagegen bietet die andre Hälfte des Gebäudes
mit den obern Kammern und dem Mittelraume einen wirklichen, wenn auch
niedrigen Mittelstvck, der aber nur inwendig eingelegt ist und in der äußern
Ansicht des Hauses höchstens dadurch angedeutet wird, daß die gleichmäßig ohne
Unterbrechung durch überschießende Balkenköpfe einer Zwischenlage hinauf ge¬
schichteten Wandbalken auf der Kammerseite etwa einen halben Meter höher an¬
steigen als auf der Seite der Stube, ohne daß indes, soviel ich sah, der
gleichmäßige Verlauf des Daches und Firstes beeinträchtigt wäre. Der Zwischen¬
stock wird außer der Erhöhung der Wand auf dieser Seite dadurch gewonnen,
daß den untern Kammern im Verhältnis zur Stube eine sehr geringe Höhe
gegeben ist. Da, wo die beiden Wandhcilften am Dache zusammenstehen, zeigt
sich eine Lücke, welche dem Abzüge des Rauches zu statten kommt und samt
ihrer Umgebung rußgeschwärzt erscheint; Kamin und Schornstein kennt das Münich-
wieser Haus ebensowenig wie der alte Bau der andern deutschen Dörfer und
der Slowaken. Das ziemlich hohe Dach besteht im obern Teile aus Stroh.


Auflegen des Brennholzes dienend. An diesen Tränen sind einige Schwcbcrccke,
„Stängel," zum Kleidcrtrocknen angebracht. Ich bemerke gleich hier, daß ander¬
wärts, z. B. in Gaidel und Krickerhäu, wenigstens in den größeren Gebäuden
zu den „Tränen" noch ein andrer Hauptbalken hinzukommt, der Rost, der die
Stube in der Richtung von Giebel zu Giebel durchzieht und auf dem die Träne
ruhen. Durch fünf Fenster von etwa einem halben Quadratmeter mit kleinen,
aber nicht runden Scheiben wird die Stube zur Genüge erleuchtet.

In die andre Hälfte des Hauses teilen sich zwei Kammern, von denen ich
jedoch nur die meinem Führer gehörige besichtigen konnte; sie enthielt zwei
Betten, das eine, wohl das Ehebett, fast quadratisch, eine kurze Bank, einen
Schrein, einen Kasten, ein Faß und in einer Ecke einen niedrigen Bretterver¬
schlag, um allerlei hinaufzulegen; zwei Holzständer stützten die bei dem alten
Hause schon baufällige Decke.

Von dem „Hause" führt eine in ihrer Einfachheit merkwürdige Treppe in
den obern Stock. Ihre elf Stufen sind nichts andres als einfache, durch
die Länge der Benutzung in der Mitte tief ausgetretene Baumabschnittc,
welche auf zwei vou oben nach unten in schräger Richtung herablaufenden Auf-
bäumen (altes oberdeutsches Wort für Tragbaum), ein jeder vermittelst zweier senk¬
recht eingefügten, fingerlang herausstellenden Stöcke, festgehalten werden. Die obere
Einteilung des Hauses scheint auf den ersten Blick genau die untere zu wieder¬
holen. Über dem Vorhause ein Mittelraum, rechts die „Oberstoben" über der
Wohnstube, links zwei durch nackte Balkenwündc abgeschlagene Kammern mit
Thüröffnung, aber ohne Thür. Dazu sind offenbar später für neue Bedürfnisse
von dem Mittelraume zwei weitere Gelasse abgeteilt. Indessen ist diese Über¬
einstimmung nur Schein. In Wirklichkeit ist die „Oberstobe" nur ein kahler
Bodenraum, wie deun auch der Dachboden über der obern Kammer denselben
Namen „obere Stöbe" trügt. Dagegen bietet die andre Hälfte des Gebäudes
mit den obern Kammern und dem Mittelraume einen wirklichen, wenn auch
niedrigen Mittelstvck, der aber nur inwendig eingelegt ist und in der äußern
Ansicht des Hauses höchstens dadurch angedeutet wird, daß die gleichmäßig ohne
Unterbrechung durch überschießende Balkenköpfe einer Zwischenlage hinauf ge¬
schichteten Wandbalken auf der Kammerseite etwa einen halben Meter höher an¬
steigen als auf der Seite der Stube, ohne daß indes, soviel ich sah, der
gleichmäßige Verlauf des Daches und Firstes beeinträchtigt wäre. Der Zwischen¬
stock wird außer der Erhöhung der Wand auf dieser Seite dadurch gewonnen,
daß den untern Kammern im Verhältnis zur Stube eine sehr geringe Höhe
gegeben ist. Da, wo die beiden Wandhcilften am Dache zusammenstehen, zeigt
sich eine Lücke, welche dem Abzüge des Rauches zu statten kommt und samt
ihrer Umgebung rußgeschwärzt erscheint; Kamin und Schornstein kennt das Münich-
wieser Haus ebensowenig wie der alte Bau der andern deutschen Dörfer und
der Slowaken. Das ziemlich hohe Dach besteht im obern Teile aus Stroh.


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[0604] Auflegen des Brennholzes dienend. An diesen Tränen sind einige Schwcbcrccke, „Stängel," zum Kleidcrtrocknen angebracht. Ich bemerke gleich hier, daß ander¬ wärts, z. B. in Gaidel und Krickerhäu, wenigstens in den größeren Gebäuden zu den „Tränen" noch ein andrer Hauptbalken hinzukommt, der Rost, der die Stube in der Richtung von Giebel zu Giebel durchzieht und auf dem die Träne ruhen. Durch fünf Fenster von etwa einem halben Quadratmeter mit kleinen, aber nicht runden Scheiben wird die Stube zur Genüge erleuchtet. In die andre Hälfte des Hauses teilen sich zwei Kammern, von denen ich jedoch nur die meinem Führer gehörige besichtigen konnte; sie enthielt zwei Betten, das eine, wohl das Ehebett, fast quadratisch, eine kurze Bank, einen Schrein, einen Kasten, ein Faß und in einer Ecke einen niedrigen Bretterver¬ schlag, um allerlei hinaufzulegen; zwei Holzständer stützten die bei dem alten Hause schon baufällige Decke. Von dem „Hause" führt eine in ihrer Einfachheit merkwürdige Treppe in den obern Stock. Ihre elf Stufen sind nichts andres als einfache, durch die Länge der Benutzung in der Mitte tief ausgetretene Baumabschnittc, welche auf zwei vou oben nach unten in schräger Richtung herablaufenden Auf- bäumen (altes oberdeutsches Wort für Tragbaum), ein jeder vermittelst zweier senk¬ recht eingefügten, fingerlang herausstellenden Stöcke, festgehalten werden. Die obere Einteilung des Hauses scheint auf den ersten Blick genau die untere zu wieder¬ holen. Über dem Vorhause ein Mittelraum, rechts die „Oberstoben" über der Wohnstube, links zwei durch nackte Balkenwündc abgeschlagene Kammern mit Thüröffnung, aber ohne Thür. Dazu sind offenbar später für neue Bedürfnisse von dem Mittelraume zwei weitere Gelasse abgeteilt. Indessen ist diese Über¬ einstimmung nur Schein. In Wirklichkeit ist die „Oberstobe" nur ein kahler Bodenraum, wie deun auch der Dachboden über der obern Kammer denselben Namen „obere Stöbe" trügt. Dagegen bietet die andre Hälfte des Gebäudes mit den obern Kammern und dem Mittelraume einen wirklichen, wenn auch niedrigen Mittelstvck, der aber nur inwendig eingelegt ist und in der äußern Ansicht des Hauses höchstens dadurch angedeutet wird, daß die gleichmäßig ohne Unterbrechung durch überschießende Balkenköpfe einer Zwischenlage hinauf ge¬ schichteten Wandbalken auf der Kammerseite etwa einen halben Meter höher an¬ steigen als auf der Seite der Stube, ohne daß indes, soviel ich sah, der gleichmäßige Verlauf des Daches und Firstes beeinträchtigt wäre. Der Zwischen¬ stock wird außer der Erhöhung der Wand auf dieser Seite dadurch gewonnen, daß den untern Kammern im Verhältnis zur Stube eine sehr geringe Höhe gegeben ist. Da, wo die beiden Wandhcilften am Dache zusammenstehen, zeigt sich eine Lücke, welche dem Abzüge des Rauches zu statten kommt und samt ihrer Umgebung rußgeschwärzt erscheint; Kamin und Schornstein kennt das Münich- wieser Haus ebensowenig wie der alte Bau der andern deutschen Dörfer und der Slowaken. Das ziemlich hohe Dach besteht im obern Teile aus Stroh.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/604>, abgerufen am 22.07.2024.