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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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ist es doch infolge der schon seit längerer Zeit durch geführten Realteilnng der
Räume unter die Familien nicht überall möglich, die älteste Benutzungsweise
zu erkunden, und einige Kammern, die den Brüdern meines Führers gehörten,
blieben mir verschlossen.

Auch hier liegt der Eingang wie bei den kleinen Häusern, welche offenbar
ihre Vorgänger nur kopirt haben, ziemlich inmitten der Längsseite; durch die
Hausthür, die früher in einfachster Weise ohne Thürstvck in die abgeschnittenen
Wcmdbalken eingelassen war, führte ein durchgehendes, geräumiges Vorhaus
-- "Hans" schlechthin -- dessen Flur den Namen "Am" führt. Den gauzeu
rechten Teil des Gebäudes nimmt die weitläuftige, etwa sieben Meter im Geviert
haltende Stube ein, früher der gemeinschaftliche, regelmäßige Aufenthalt der
Hausgenossen, wo man kochte, aß, arbeitete und wohl auch schlief. Aber die
Stube in Müuichwies unterscheidet sich von den Stuben in allen andern mir
bekannten deutschen Dörfern dadurch, daß sie wesentlich nach slowakischer Art
eingerichtet war, Backofen und Herd wie in Vndinoov zu einem Ganzen verbunden
enthielt, nur in weit größerem Maßstabe. Der ungefähr zwei Meter hohe,
zweiundeinhalb Meter nach jeder Seite messende viereckige Ofen ist ebenso in
die Ecke hineingebaut; vor dem großen, nach der Stube gähnenden Ofenloch, das
zwanzig Brote fassen kann, legt sich wie eine Stufe etwa siebzig Centimeter
hoch der nicht viel über Bankbreite haltende Herd. An der andern freien Seite
des Ofens befindet sich eine Bank; den Raum daneben bis zur Stubenthür
nimmt eine Leinstampfe ein. Die Ecke an der andern Seite der Thür war
früher einer Ölstampfc zugewiesen, an den übrigen Wänden laufen feste Bänke
ringsum. In den von diesen Bänken, nämlich der die ganze Giebelseite des
Hauses einnehmenden Laugbank, nnter deren Mitte sich ein Hnhnerkasten be¬
findet, und zwei kürzeren Bänken längs deu anstoßenden Seiten gebildeten zwei
Ecken stehen zwei auffallend kleine Tische, deren vier Füße dicht über der Erde
durch eiuen Bretterboden verbunden sind, der die "Kant," eine Wnsserkannc,
trägt. Fügen wir noch einige elende Stühle oder Schemel hinzu, so habe"
wir die ganze Ausstattung der Wohnstube erschöpft; der Mittelraum derselben
bleibt für die Geschäfte des Tages und das Nachtlager verfügbar. Heute ist
die Abteilung der Stube so durchgeführt, daß meinem Führer durch eine
Luftlinie, welche den einen Tisch durchschneidet, eine Strecke an der Längswand
zugewiesen ist, aber er klagte, im Gegensatz zu der früheren Verträglichkeit be¬
zeichnend genug, bitter und fast leidenschaftlich über die rücksichtslose Härte, mit
welcher sein anscheinend in seinem Erwerb besser gestellter Bruder, der sich
doch schon ein besondres Häuschen gebaut hatte, ihm und seiner Familie ent¬
gegentrete.

Ungefähr eiuen Meter unter der Stubendecke laufen von einer Längswand
des Hauses zur andern vier runde Balken, "Träne," einer in der Mitte, einer
dicht an der Giebelwand, zwei dicht an der Wand des Vorhauses, letztere zum


ist es doch infolge der schon seit längerer Zeit durch geführten Realteilnng der
Räume unter die Familien nicht überall möglich, die älteste Benutzungsweise
zu erkunden, und einige Kammern, die den Brüdern meines Führers gehörten,
blieben mir verschlossen.

Auch hier liegt der Eingang wie bei den kleinen Häusern, welche offenbar
ihre Vorgänger nur kopirt haben, ziemlich inmitten der Längsseite; durch die
Hausthür, die früher in einfachster Weise ohne Thürstvck in die abgeschnittenen
Wcmdbalken eingelassen war, führte ein durchgehendes, geräumiges Vorhaus
— „Hans" schlechthin — dessen Flur den Namen „Am" führt. Den gauzeu
rechten Teil des Gebäudes nimmt die weitläuftige, etwa sieben Meter im Geviert
haltende Stube ein, früher der gemeinschaftliche, regelmäßige Aufenthalt der
Hausgenossen, wo man kochte, aß, arbeitete und wohl auch schlief. Aber die
Stube in Müuichwies unterscheidet sich von den Stuben in allen andern mir
bekannten deutschen Dörfern dadurch, daß sie wesentlich nach slowakischer Art
eingerichtet war, Backofen und Herd wie in Vndinoov zu einem Ganzen verbunden
enthielt, nur in weit größerem Maßstabe. Der ungefähr zwei Meter hohe,
zweiundeinhalb Meter nach jeder Seite messende viereckige Ofen ist ebenso in
die Ecke hineingebaut; vor dem großen, nach der Stube gähnenden Ofenloch, das
zwanzig Brote fassen kann, legt sich wie eine Stufe etwa siebzig Centimeter
hoch der nicht viel über Bankbreite haltende Herd. An der andern freien Seite
des Ofens befindet sich eine Bank; den Raum daneben bis zur Stubenthür
nimmt eine Leinstampfe ein. Die Ecke an der andern Seite der Thür war
früher einer Ölstampfc zugewiesen, an den übrigen Wänden laufen feste Bänke
ringsum. In den von diesen Bänken, nämlich der die ganze Giebelseite des
Hauses einnehmenden Laugbank, nnter deren Mitte sich ein Hnhnerkasten be¬
findet, und zwei kürzeren Bänken längs deu anstoßenden Seiten gebildeten zwei
Ecken stehen zwei auffallend kleine Tische, deren vier Füße dicht über der Erde
durch eiuen Bretterboden verbunden sind, der die „Kant," eine Wnsserkannc,
trägt. Fügen wir noch einige elende Stühle oder Schemel hinzu, so habe»
wir die ganze Ausstattung der Wohnstube erschöpft; der Mittelraum derselben
bleibt für die Geschäfte des Tages und das Nachtlager verfügbar. Heute ist
die Abteilung der Stube so durchgeführt, daß meinem Führer durch eine
Luftlinie, welche den einen Tisch durchschneidet, eine Strecke an der Längswand
zugewiesen ist, aber er klagte, im Gegensatz zu der früheren Verträglichkeit be¬
zeichnend genug, bitter und fast leidenschaftlich über die rücksichtslose Härte, mit
welcher sein anscheinend in seinem Erwerb besser gestellter Bruder, der sich
doch schon ein besondres Häuschen gebaut hatte, ihm und seiner Familie ent¬
gegentrete.

Ungefähr eiuen Meter unter der Stubendecke laufen von einer Längswand
des Hauses zur andern vier runde Balken, „Träne," einer in der Mitte, einer
dicht an der Giebelwand, zwei dicht an der Wand des Vorhauses, letztere zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/603>, abgerufen am 22.07.2024.