Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Ans der Chronik derer von Riffclshanseu,

Auf dem Dache des Herrenhauses waren zwei Männer beschäftigt, durch
Frühlingsstürme angerichteten Schaden auszubessern. Der Hvfmcirschall stand
in einem alten grauen Rucke auf dem Kiesplatze vor dem Hause und sah be¬
harrlich den Arbeitern zu. Währenddem suchte Herr Trcckclberg, im Hofe auf-
und nicderwandelnd, die Aufmerksamkeit seiner Schiller durch die Erläuterung
irgend eines Schillerschen Gedichtes zu fesseln. Valerian, der neben dem In¬
formator herschritt, trug seine Jacke über dem Arme, da er sich einbildete,
schrecklich unter der Hitze zu leiden. Er sah eifrig nach rechts und links und
seufzte in regelmäßigen Zwischcnrciumen, um seine Ungeduld kund zu thun.
Auch Julie hatte allerhand verstohlene Beobachtungen zu machen, und nur
Mathilde zeigte Aufmerksamkeit für Trakelbcrgs Vortrag.

Mitten in einer schwungvollen Rede jedoch wurde letzterer durch Klee unter¬
brochen, der kräftig des Sokrates Schulter berührte.

Ich komme, um mich von Ihnen zu verabschieden, sagte dieser; bleiben Sie
gesund und munter, Herr Trakelberg, und ihr auch, ihr nichtsnutze, lebt wohl.

Valerian, der dem Inspektor sehr gut war, bat, ihn ein Stück Weges be¬
gleiten zu dürfen, was Trakelberg gern gestattete. So faßte der Knabe des
Scheidenden Hand, und sie gingen gemeinschaftlich dem Hinterpförtchen zu.
Unweit desselben begegneten Sie der jungen Französin, die feine Vlütenzweige
gepflückt hatte, um die Vasen in den Zimmern damit zu schmücken.

Ach, Mademoiselle, rief Valer traurig, nun geht Herr Klee auch fort,
und Tante Cäcilie sagt, er sei der einzige Mensch hier, der noch etwas tauge.

Die junge Dame lächelte und sagte dann mit anmutigen Neigen des
Kopfes: Es thut mir leid, daß Sie uns verlassen, mein Herr.

Er sah sie mit trübem Ernste an und fluchte im Stillen einem gewissen
schönen, glänzenden Kavalier. Ich wollte, Sie erinnerten sich meiner, wenn
sie eines Stockes bedürften, sagte er grimmig, gleichviel, ob als Stütze oder
zum Zuschlagen.

Sie errötete tief; doch ging sie schweigend an ihm vorüber.

Langsam ging Valerian zu Herrn Trakelbcrgs Unterricht zurück. Es
gingen ihm zu kuriose Gedanken diirch den Kopf, daß er garnicht damit fertig
werden konnte.

Als Danda, der Hofmarschall, Therese und Cäcilie sich später im Saale
zusammenfanden, gratulirte der Graf dem Hausherrn zu dem Regicrnngscnde
des Geschiedenen. Ja, es ist wirklich ein Aufatmen, sagte dieser; aber Cäcilie
warf einen spitzen Blick über die Gesellschaft. Sieben Jahre hindurch ist er
uns eine treue und zuverlässige Stütze gewesen; überdies hätte ich garnichts
dagegen gehabt, wenn er Mademoiselle Adeline zur Madame Klee gemacht hätte.
Eine feste Hand kann ihr nur dienlich sein.

Aber ich bitte Sie, mein gnädigstes Fräulein! rief Darda, diese Idee ist
furchtbar! Solch ein feines, elegantes Geschöpfchen wollten Sie in die Klanen


Ans der Chronik derer von Riffclshanseu,

Auf dem Dache des Herrenhauses waren zwei Männer beschäftigt, durch
Frühlingsstürme angerichteten Schaden auszubessern. Der Hvfmcirschall stand
in einem alten grauen Rucke auf dem Kiesplatze vor dem Hause und sah be¬
harrlich den Arbeitern zu. Währenddem suchte Herr Trcckclberg, im Hofe auf-
und nicderwandelnd, die Aufmerksamkeit seiner Schiller durch die Erläuterung
irgend eines Schillerschen Gedichtes zu fesseln. Valerian, der neben dem In¬
formator herschritt, trug seine Jacke über dem Arme, da er sich einbildete,
schrecklich unter der Hitze zu leiden. Er sah eifrig nach rechts und links und
seufzte in regelmäßigen Zwischcnrciumen, um seine Ungeduld kund zu thun.
Auch Julie hatte allerhand verstohlene Beobachtungen zu machen, und nur
Mathilde zeigte Aufmerksamkeit für Trakelbcrgs Vortrag.

Mitten in einer schwungvollen Rede jedoch wurde letzterer durch Klee unter¬
brochen, der kräftig des Sokrates Schulter berührte.

Ich komme, um mich von Ihnen zu verabschieden, sagte dieser; bleiben Sie
gesund und munter, Herr Trakelberg, und ihr auch, ihr nichtsnutze, lebt wohl.

Valerian, der dem Inspektor sehr gut war, bat, ihn ein Stück Weges be¬
gleiten zu dürfen, was Trakelberg gern gestattete. So faßte der Knabe des
Scheidenden Hand, und sie gingen gemeinschaftlich dem Hinterpförtchen zu.
Unweit desselben begegneten Sie der jungen Französin, die feine Vlütenzweige
gepflückt hatte, um die Vasen in den Zimmern damit zu schmücken.

Ach, Mademoiselle, rief Valer traurig, nun geht Herr Klee auch fort,
und Tante Cäcilie sagt, er sei der einzige Mensch hier, der noch etwas tauge.

Die junge Dame lächelte und sagte dann mit anmutigen Neigen des
Kopfes: Es thut mir leid, daß Sie uns verlassen, mein Herr.

Er sah sie mit trübem Ernste an und fluchte im Stillen einem gewissen
schönen, glänzenden Kavalier. Ich wollte, Sie erinnerten sich meiner, wenn
sie eines Stockes bedürften, sagte er grimmig, gleichviel, ob als Stütze oder
zum Zuschlagen.

Sie errötete tief; doch ging sie schweigend an ihm vorüber.

Langsam ging Valerian zu Herrn Trakelbcrgs Unterricht zurück. Es
gingen ihm zu kuriose Gedanken diirch den Kopf, daß er garnicht damit fertig
werden konnte.

Als Danda, der Hofmarschall, Therese und Cäcilie sich später im Saale
zusammenfanden, gratulirte der Graf dem Hausherrn zu dem Regicrnngscnde
des Geschiedenen. Ja, es ist wirklich ein Aufatmen, sagte dieser; aber Cäcilie
warf einen spitzen Blick über die Gesellschaft. Sieben Jahre hindurch ist er
uns eine treue und zuverlässige Stütze gewesen; überdies hätte ich garnichts
dagegen gehabt, wenn er Mademoiselle Adeline zur Madame Klee gemacht hätte.
Eine feste Hand kann ihr nur dienlich sein.

Aber ich bitte Sie, mein gnädigstes Fräulein! rief Darda, diese Idee ist
furchtbar! Solch ein feines, elegantes Geschöpfchen wollten Sie in die Klanen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0581" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199301"/>
            <fw type="header" place="top"> Ans der Chronik derer von Riffclshanseu,</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2006"> Auf dem Dache des Herrenhauses waren zwei Männer beschäftigt, durch<lb/>
Frühlingsstürme angerichteten Schaden auszubessern. Der Hvfmcirschall stand<lb/>
in einem alten grauen Rucke auf dem Kiesplatze vor dem Hause und sah be¬<lb/>
harrlich den Arbeitern zu. Währenddem suchte Herr Trcckclberg, im Hofe auf-<lb/>
und nicderwandelnd, die Aufmerksamkeit seiner Schiller durch die Erläuterung<lb/>
irgend eines Schillerschen Gedichtes zu fesseln. Valerian, der neben dem In¬<lb/>
formator herschritt, trug seine Jacke über dem Arme, da er sich einbildete,<lb/>
schrecklich unter der Hitze zu leiden. Er sah eifrig nach rechts und links und<lb/>
seufzte in regelmäßigen Zwischcnrciumen, um seine Ungeduld kund zu thun.<lb/>
Auch Julie hatte allerhand verstohlene Beobachtungen zu machen, und nur<lb/>
Mathilde zeigte Aufmerksamkeit für Trakelbcrgs Vortrag.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2007"> Mitten in einer schwungvollen Rede jedoch wurde letzterer durch Klee unter¬<lb/>
brochen, der kräftig des Sokrates Schulter berührte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2008"> Ich komme, um mich von Ihnen zu verabschieden, sagte dieser; bleiben Sie<lb/>
gesund und munter, Herr Trakelberg, und ihr auch, ihr nichtsnutze, lebt wohl.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2009"> Valerian, der dem Inspektor sehr gut war, bat, ihn ein Stück Weges be¬<lb/>
gleiten zu dürfen, was Trakelberg gern gestattete. So faßte der Knabe des<lb/>
Scheidenden Hand, und sie gingen gemeinschaftlich dem Hinterpförtchen zu.<lb/>
Unweit desselben begegneten Sie der jungen Französin, die feine Vlütenzweige<lb/>
gepflückt hatte, um die Vasen in den Zimmern damit zu schmücken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2010"> Ach, Mademoiselle, rief Valer traurig, nun geht Herr Klee auch fort,<lb/>
und Tante Cäcilie sagt, er sei der einzige Mensch hier, der noch etwas tauge.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2011"> Die junge Dame lächelte und sagte dann mit anmutigen Neigen des<lb/>
Kopfes: Es thut mir leid, daß Sie uns verlassen, mein Herr.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2012"> Er sah sie mit trübem Ernste an und fluchte im Stillen einem gewissen<lb/>
schönen, glänzenden Kavalier. Ich wollte, Sie erinnerten sich meiner, wenn<lb/>
sie eines Stockes bedürften, sagte er grimmig, gleichviel, ob als Stütze oder<lb/>
zum Zuschlagen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2013"> Sie errötete tief; doch ging sie schweigend an ihm vorüber.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2014"> Langsam ging Valerian zu Herrn Trakelbcrgs Unterricht zurück. Es<lb/>
gingen ihm zu kuriose Gedanken diirch den Kopf, daß er garnicht damit fertig<lb/>
werden konnte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2015"> Als Danda, der Hofmarschall, Therese und Cäcilie sich später im Saale<lb/>
zusammenfanden, gratulirte der Graf dem Hausherrn zu dem Regicrnngscnde<lb/>
des Geschiedenen. Ja, es ist wirklich ein Aufatmen, sagte dieser; aber Cäcilie<lb/>
warf einen spitzen Blick über die Gesellschaft. Sieben Jahre hindurch ist er<lb/>
uns eine treue und zuverlässige Stütze gewesen; überdies hätte ich garnichts<lb/>
dagegen gehabt, wenn er Mademoiselle Adeline zur Madame Klee gemacht hätte.<lb/>
Eine feste Hand kann ihr nur dienlich sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2016" next="#ID_2017"> Aber ich bitte Sie, mein gnädigstes Fräulein! rief Darda, diese Idee ist<lb/>
furchtbar! Solch ein feines, elegantes Geschöpfchen wollten Sie in die Klanen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0581] Ans der Chronik derer von Riffclshanseu, Auf dem Dache des Herrenhauses waren zwei Männer beschäftigt, durch Frühlingsstürme angerichteten Schaden auszubessern. Der Hvfmcirschall stand in einem alten grauen Rucke auf dem Kiesplatze vor dem Hause und sah be¬ harrlich den Arbeitern zu. Währenddem suchte Herr Trcckclberg, im Hofe auf- und nicderwandelnd, die Aufmerksamkeit seiner Schiller durch die Erläuterung irgend eines Schillerschen Gedichtes zu fesseln. Valerian, der neben dem In¬ formator herschritt, trug seine Jacke über dem Arme, da er sich einbildete, schrecklich unter der Hitze zu leiden. Er sah eifrig nach rechts und links und seufzte in regelmäßigen Zwischcnrciumen, um seine Ungeduld kund zu thun. Auch Julie hatte allerhand verstohlene Beobachtungen zu machen, und nur Mathilde zeigte Aufmerksamkeit für Trakelbcrgs Vortrag. Mitten in einer schwungvollen Rede jedoch wurde letzterer durch Klee unter¬ brochen, der kräftig des Sokrates Schulter berührte. Ich komme, um mich von Ihnen zu verabschieden, sagte dieser; bleiben Sie gesund und munter, Herr Trakelberg, und ihr auch, ihr nichtsnutze, lebt wohl. Valerian, der dem Inspektor sehr gut war, bat, ihn ein Stück Weges be¬ gleiten zu dürfen, was Trakelberg gern gestattete. So faßte der Knabe des Scheidenden Hand, und sie gingen gemeinschaftlich dem Hinterpförtchen zu. Unweit desselben begegneten Sie der jungen Französin, die feine Vlütenzweige gepflückt hatte, um die Vasen in den Zimmern damit zu schmücken. Ach, Mademoiselle, rief Valer traurig, nun geht Herr Klee auch fort, und Tante Cäcilie sagt, er sei der einzige Mensch hier, der noch etwas tauge. Die junge Dame lächelte und sagte dann mit anmutigen Neigen des Kopfes: Es thut mir leid, daß Sie uns verlassen, mein Herr. Er sah sie mit trübem Ernste an und fluchte im Stillen einem gewissen schönen, glänzenden Kavalier. Ich wollte, Sie erinnerten sich meiner, wenn sie eines Stockes bedürften, sagte er grimmig, gleichviel, ob als Stütze oder zum Zuschlagen. Sie errötete tief; doch ging sie schweigend an ihm vorüber. Langsam ging Valerian zu Herrn Trakelbcrgs Unterricht zurück. Es gingen ihm zu kuriose Gedanken diirch den Kopf, daß er garnicht damit fertig werden konnte. Als Danda, der Hofmarschall, Therese und Cäcilie sich später im Saale zusammenfanden, gratulirte der Graf dem Hausherrn zu dem Regicrnngscnde des Geschiedenen. Ja, es ist wirklich ein Aufatmen, sagte dieser; aber Cäcilie warf einen spitzen Blick über die Gesellschaft. Sieben Jahre hindurch ist er uns eine treue und zuverlässige Stütze gewesen; überdies hätte ich garnichts dagegen gehabt, wenn er Mademoiselle Adeline zur Madame Klee gemacht hätte. Eine feste Hand kann ihr nur dienlich sein. Aber ich bitte Sie, mein gnädigstes Fräulein! rief Darda, diese Idee ist furchtbar! Solch ein feines, elegantes Geschöpfchen wollten Sie in die Klanen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/581
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/581>, abgerufen am 22.07.2024.