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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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wieder. Ist er gut, oder ist er schlimm? Was denkt er und was will er?
So jagten sich ihre Gedanken, während sie schweigend den Weg bis zur grünen
Gartenthür zurücklegten. Dort blieb der Graf stehen. Haben Sie mich nun
ganz aufgegeben, gnädige Frau?

Ich, Sie aufgebe"? Was liegt an meiner Meinung! Sagen Sie mir
einfach, daß Sie gut sein wollen.

Gut? Lassen Sie mich erst zu Ihnen reden: Ich frage nicht mehr, was
gut ist; denn Sie selbst sind die Antwort darauf. Ich höre es darum gern,
wenn Sie mich schelten wie einen Knaben; aber ich fürchte, gnädigste Frau,
es wird Ihnen nicht mehr gelingen, eine neue Kreatur aus mir zu machen.

Er sprach gleichgiltig, und seine Worte, durch die ein leiser Hohn klang,
machten einen äußerst unangenehmen Eindruck auf die Hofnwrschallin. Mit
einemmale schienen sie ihr den selbstsüchtigen und oberflächlichen Charakter des
Mannes darzuthun, der ihr bis dcchiu anziehend, wenn auch unverständlich ge¬
wesen war. Und von diesem Manne sollte für Bohcmund Gutes kommen?




Sechzehntes Aapitel.

Mit ihrem Vertrauen zu dem Moosdorfer Nachbar war wieder ein
Sonnenblick aus dem sorgenschweren Dasein der armen Therese verschwunden.
Dalda erschien womöglich noch häufiger in Siebenhofen und zwar in un¬
verändert guter Laune, aber sie empfand seine Anwesenheit nur noch als einen
Druck. Seine geistvollen Einfälle erfreuten sie nicht mehr.

In dieser Zeit jedoch ging an Theresens Himmel ein neues Gestirn auf,
und zwar in der Person der Freifrau von Schcsflingen, die mit ihrer Familie
die Sommermonate auf dem nachbarlichen Gute Trübensee zuzubringen pflegte.

Das Herrenhaus von Trübensee war minder alt, aber dafür viel freund¬
licher und hübscher als das Siebenhofer. An der nach dem Park zu gelegnen
Seite des Hauses befand sich sogar eine breite Galerie nach Schweizer Art, die
einen Blick auf den Teich gewährte. Herr von Schefflingen war nicht wenig
stolz auf diese Aussicht auf den "kühlen Wasserspiegel." Er hatte nämlich
denselben nach dem Vorbilde des berühmt schönen Moosdorfer Parks angelegt.
Der Teich enthielt leider ungenügenden Abfluß, und überzog sich nach und nach
mit einer geblichgrnnen Algcndecke. Als einst Daida in einem besonders trocknen
Sommer die Trübenseeer Nachbarn besuchte, meinte er: Das haben Sie recht
gemacht, Schefflingen, der Teich bietet in dieser Zeit den einzigen grünen Anblick.

Die Freifrau, aus einem unsrer stolzesten Grnfengcschlcchter stammend, war
eine Aristokratin vom Scheitel bis zur Sohle. Sie widmete sich indessen aus¬
schließlich der Erziehung ihres reizenden Töchterchens, das denn auch muster¬
haft geriet. Mit dem einzigen Sohne war die Dame minder glücklich. Einnahm,


wieder. Ist er gut, oder ist er schlimm? Was denkt er und was will er?
So jagten sich ihre Gedanken, während sie schweigend den Weg bis zur grünen
Gartenthür zurücklegten. Dort blieb der Graf stehen. Haben Sie mich nun
ganz aufgegeben, gnädige Frau?

Ich, Sie aufgebe»? Was liegt an meiner Meinung! Sagen Sie mir
einfach, daß Sie gut sein wollen.

Gut? Lassen Sie mich erst zu Ihnen reden: Ich frage nicht mehr, was
gut ist; denn Sie selbst sind die Antwort darauf. Ich höre es darum gern,
wenn Sie mich schelten wie einen Knaben; aber ich fürchte, gnädigste Frau,
es wird Ihnen nicht mehr gelingen, eine neue Kreatur aus mir zu machen.

Er sprach gleichgiltig, und seine Worte, durch die ein leiser Hohn klang,
machten einen äußerst unangenehmen Eindruck auf die Hofnwrschallin. Mit
einemmale schienen sie ihr den selbstsüchtigen und oberflächlichen Charakter des
Mannes darzuthun, der ihr bis dcchiu anziehend, wenn auch unverständlich ge¬
wesen war. Und von diesem Manne sollte für Bohcmund Gutes kommen?




Sechzehntes Aapitel.

Mit ihrem Vertrauen zu dem Moosdorfer Nachbar war wieder ein
Sonnenblick aus dem sorgenschweren Dasein der armen Therese verschwunden.
Dalda erschien womöglich noch häufiger in Siebenhofen und zwar in un¬
verändert guter Laune, aber sie empfand seine Anwesenheit nur noch als einen
Druck. Seine geistvollen Einfälle erfreuten sie nicht mehr.

In dieser Zeit jedoch ging an Theresens Himmel ein neues Gestirn auf,
und zwar in der Person der Freifrau von Schcsflingen, die mit ihrer Familie
die Sommermonate auf dem nachbarlichen Gute Trübensee zuzubringen pflegte.

Das Herrenhaus von Trübensee war minder alt, aber dafür viel freund¬
licher und hübscher als das Siebenhofer. An der nach dem Park zu gelegnen
Seite des Hauses befand sich sogar eine breite Galerie nach Schweizer Art, die
einen Blick auf den Teich gewährte. Herr von Schefflingen war nicht wenig
stolz auf diese Aussicht auf den „kühlen Wasserspiegel." Er hatte nämlich
denselben nach dem Vorbilde des berühmt schönen Moosdorfer Parks angelegt.
Der Teich enthielt leider ungenügenden Abfluß, und überzog sich nach und nach
mit einer geblichgrnnen Algcndecke. Als einst Daida in einem besonders trocknen
Sommer die Trübenseeer Nachbarn besuchte, meinte er: Das haben Sie recht
gemacht, Schefflingen, der Teich bietet in dieser Zeit den einzigen grünen Anblick.

Die Freifrau, aus einem unsrer stolzesten Grnfengcschlcchter stammend, war
eine Aristokratin vom Scheitel bis zur Sohle. Sie widmete sich indessen aus¬
schließlich der Erziehung ihres reizenden Töchterchens, das denn auch muster¬
haft geriet. Mit dem einzigen Sohne war die Dame minder glücklich. Einnahm,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/576>, abgerufen am 03.07.2024.