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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Runstansstellung.

Malerei ein neues Stoffgebiet, das Kostiimstück, Diese rein äußerliche Be¬
zeichnung für Genrebilder aus dem sechzehnten und siebzehnten Jcchrhnndert
war geraume Zeit sehr berechtigt. Es schien, als würde sich die Münchener
Malerei in nebensächliche Äußerlichkeiten, in geistlose Maskeraden verlieren. Was
jedoch in jener Richtung krankhaft, schwächlich oder übertrieben war, ist in¬
zwischen zum größten Teile ausgeschieden worden, und nur der Gewinn ist ge¬
blieben. Zwar fehlen auch auf unsrer Ausstellung noch nicht ganz die Erinne¬
rungen an jene Übergangszeit. Ein Hauptvertreter derselben, Robert Beyschlag,
ist mit zwei in Kolorit und Darstellung gleich süßlichen und empfindsamen Szenen
aus dem dreißigjährigen Kriege vertreten, der Heimkehr eines Familienvaters
und dem Abzug eiuer Besatzung, der ein holdes Burgfräulein und sein Vater
mit geteilten Gefühlen nachblicken. Ein andrer, Hcrterich, führt einen ganzen
Zug eleganter Koftümfiguren im Waldesgrün vor, und ein dritter, Heinrich
Lossow, wendet das alte Rezept auf eine Rokvkoszene, eine unter einem
Rosenbusche sitzende, vou ihrem Seladon überraschte Schäferin im Stile Wat¬
teaus, an.

Jener bleibende Gewinn, der durch die Nachahmung alter Meister gezogen
wurde, bestand in einem Aufschwünge technischen Könnens, welches sehr bald
zu höchster Vollendung und größter Vielseitigkeit gedieh. Wenn wir von einem
Anschlusse an die deutsche Renaissance gesprochen haben, so ist darunter nur
ein mehr oder weniger äußerliches Verhältnis zu verstehen. Man malte wohl
gelegentlich Bildnisse in der detciillirten Art Dürers oder in dem emailartigen
Farbenauftrage Holbeins, wofür außer einigen Arbeiten von F. A. Kaulbach
besonders die seltenen Schöpfungen von W. Leiht bezeichnend sind. Im
großen und ganzen begnügte man sich damit, nur die Bildmotive aus der Zeit
der deutscheu Renaissance zu nehmen. Für die malerische Darstellung wurden
vielmehr die niederländischen Kvlvristen, die Ton- und Stimnumgsmaler des
siebzehnten Jahrhunderts maßgebend, bisweilen anch, namentlich für Porträts, die
venezianischen Koloristen. Der Reichtum der Münchener Pinakothek an nieder¬
ländischen Bildern mag, wie in frühern Perioden der Münchener Malerei, auch
jetzt wieder das Studienmaterial geliefert haben. Doch machte sich auch bald
eine Wanderung Münchener Künstler nach der Quelle bemerklich, die schließlich
eine neue Phase der Münchener Malerei herbeiführen half.

Es ist natürlich, daß die ersten Versuche auf dem Gebiete koloristischer
Eroberungen eklektischer Natur waren. Man setzte die hübschesten Kunstgriffe
von Pieter de Hovch, Terborch, Netscher, Jan van der Meer von Delft, Brouwer,
Teniers, Ostade, Don und van Goyen zu einem blanken Mosaik zusammen,
welches schon dadurch, daß es ein ungewohntes Schauspiel bot, einen großen
Erfolg erzielte. Ein charakteristisches Beispiel für diese Art, die Ergebnisse von
Galcriestudieu zu neuen Kombinationen zu verwerten, besitzt die Dresdener Ge¬
mäldegalerie in F. A. Kaulbachs "Maitag," einer niederländischen Familie im


Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Runstansstellung.

Malerei ein neues Stoffgebiet, das Kostiimstück, Diese rein äußerliche Be¬
zeichnung für Genrebilder aus dem sechzehnten und siebzehnten Jcchrhnndert
war geraume Zeit sehr berechtigt. Es schien, als würde sich die Münchener
Malerei in nebensächliche Äußerlichkeiten, in geistlose Maskeraden verlieren. Was
jedoch in jener Richtung krankhaft, schwächlich oder übertrieben war, ist in¬
zwischen zum größten Teile ausgeschieden worden, und nur der Gewinn ist ge¬
blieben. Zwar fehlen auch auf unsrer Ausstellung noch nicht ganz die Erinne¬
rungen an jene Übergangszeit. Ein Hauptvertreter derselben, Robert Beyschlag,
ist mit zwei in Kolorit und Darstellung gleich süßlichen und empfindsamen Szenen
aus dem dreißigjährigen Kriege vertreten, der Heimkehr eines Familienvaters
und dem Abzug eiuer Besatzung, der ein holdes Burgfräulein und sein Vater
mit geteilten Gefühlen nachblicken. Ein andrer, Hcrterich, führt einen ganzen
Zug eleganter Koftümfiguren im Waldesgrün vor, und ein dritter, Heinrich
Lossow, wendet das alte Rezept auf eine Rokvkoszene, eine unter einem
Rosenbusche sitzende, vou ihrem Seladon überraschte Schäferin im Stile Wat¬
teaus, an.

Jener bleibende Gewinn, der durch die Nachahmung alter Meister gezogen
wurde, bestand in einem Aufschwünge technischen Könnens, welches sehr bald
zu höchster Vollendung und größter Vielseitigkeit gedieh. Wenn wir von einem
Anschlusse an die deutsche Renaissance gesprochen haben, so ist darunter nur
ein mehr oder weniger äußerliches Verhältnis zu verstehen. Man malte wohl
gelegentlich Bildnisse in der detciillirten Art Dürers oder in dem emailartigen
Farbenauftrage Holbeins, wofür außer einigen Arbeiten von F. A. Kaulbach
besonders die seltenen Schöpfungen von W. Leiht bezeichnend sind. Im
großen und ganzen begnügte man sich damit, nur die Bildmotive aus der Zeit
der deutscheu Renaissance zu nehmen. Für die malerische Darstellung wurden
vielmehr die niederländischen Kvlvristen, die Ton- und Stimnumgsmaler des
siebzehnten Jahrhunderts maßgebend, bisweilen anch, namentlich für Porträts, die
venezianischen Koloristen. Der Reichtum der Münchener Pinakothek an nieder¬
ländischen Bildern mag, wie in frühern Perioden der Münchener Malerei, auch
jetzt wieder das Studienmaterial geliefert haben. Doch machte sich auch bald
eine Wanderung Münchener Künstler nach der Quelle bemerklich, die schließlich
eine neue Phase der Münchener Malerei herbeiführen half.

Es ist natürlich, daß die ersten Versuche auf dem Gebiete koloristischer
Eroberungen eklektischer Natur waren. Man setzte die hübschesten Kunstgriffe
von Pieter de Hovch, Terborch, Netscher, Jan van der Meer von Delft, Brouwer,
Teniers, Ostade, Don und van Goyen zu einem blanken Mosaik zusammen,
welches schon dadurch, daß es ein ungewohntes Schauspiel bot, einen großen
Erfolg erzielte. Ein charakteristisches Beispiel für diese Art, die Ergebnisse von
Galcriestudieu zu neuen Kombinationen zu verwerten, besitzt die Dresdener Ge¬
mäldegalerie in F. A. Kaulbachs „Maitag," einer niederländischen Familie im


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[0566] Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Runstansstellung. Malerei ein neues Stoffgebiet, das Kostiimstück, Diese rein äußerliche Be¬ zeichnung für Genrebilder aus dem sechzehnten und siebzehnten Jcchrhnndert war geraume Zeit sehr berechtigt. Es schien, als würde sich die Münchener Malerei in nebensächliche Äußerlichkeiten, in geistlose Maskeraden verlieren. Was jedoch in jener Richtung krankhaft, schwächlich oder übertrieben war, ist in¬ zwischen zum größten Teile ausgeschieden worden, und nur der Gewinn ist ge¬ blieben. Zwar fehlen auch auf unsrer Ausstellung noch nicht ganz die Erinne¬ rungen an jene Übergangszeit. Ein Hauptvertreter derselben, Robert Beyschlag, ist mit zwei in Kolorit und Darstellung gleich süßlichen und empfindsamen Szenen aus dem dreißigjährigen Kriege vertreten, der Heimkehr eines Familienvaters und dem Abzug eiuer Besatzung, der ein holdes Burgfräulein und sein Vater mit geteilten Gefühlen nachblicken. Ein andrer, Hcrterich, führt einen ganzen Zug eleganter Koftümfiguren im Waldesgrün vor, und ein dritter, Heinrich Lossow, wendet das alte Rezept auf eine Rokvkoszene, eine unter einem Rosenbusche sitzende, vou ihrem Seladon überraschte Schäferin im Stile Wat¬ teaus, an. Jener bleibende Gewinn, der durch die Nachahmung alter Meister gezogen wurde, bestand in einem Aufschwünge technischen Könnens, welches sehr bald zu höchster Vollendung und größter Vielseitigkeit gedieh. Wenn wir von einem Anschlusse an die deutsche Renaissance gesprochen haben, so ist darunter nur ein mehr oder weniger äußerliches Verhältnis zu verstehen. Man malte wohl gelegentlich Bildnisse in der detciillirten Art Dürers oder in dem emailartigen Farbenauftrage Holbeins, wofür außer einigen Arbeiten von F. A. Kaulbach besonders die seltenen Schöpfungen von W. Leiht bezeichnend sind. Im großen und ganzen begnügte man sich damit, nur die Bildmotive aus der Zeit der deutscheu Renaissance zu nehmen. Für die malerische Darstellung wurden vielmehr die niederländischen Kvlvristen, die Ton- und Stimnumgsmaler des siebzehnten Jahrhunderts maßgebend, bisweilen anch, namentlich für Porträts, die venezianischen Koloristen. Der Reichtum der Münchener Pinakothek an nieder¬ ländischen Bildern mag, wie in frühern Perioden der Münchener Malerei, auch jetzt wieder das Studienmaterial geliefert haben. Doch machte sich auch bald eine Wanderung Münchener Künstler nach der Quelle bemerklich, die schließlich eine neue Phase der Münchener Malerei herbeiführen half. Es ist natürlich, daß die ersten Versuche auf dem Gebiete koloristischer Eroberungen eklektischer Natur waren. Man setzte die hübschesten Kunstgriffe von Pieter de Hovch, Terborch, Netscher, Jan van der Meer von Delft, Brouwer, Teniers, Ostade, Don und van Goyen zu einem blanken Mosaik zusammen, welches schon dadurch, daß es ein ungewohntes Schauspiel bot, einen großen Erfolg erzielte. Ein charakteristisches Beispiel für diese Art, die Ergebnisse von Galcriestudieu zu neuen Kombinationen zu verwerten, besitzt die Dresdener Ge¬ mäldegalerie in F. A. Kaulbachs „Maitag," einer niederländischen Familie im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/566>, abgerufen am 22.07.2024.