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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Ole deutsche Landliga und it^re Bestrebungen.

Unbestreitbar dagegen ist, daß bei der Landwirtschaft nicht, wie in der
Industrie, der Vorteil mit dem Großbetriebe wächst. Die Arbeitsteilung hat
bei der Landwirtschaft nur ein geringes Feld, die Maschinen haben nur
einen begrenzten Wirkungskreis; die oft sehr verschiedne Qualität der einzelne"
Gntsteile nach Bodenbeschaffenheit und Bepflanznng, die räumlichen Ent¬
fernungen und die umständliche Kontrole bieten Schwierigkeiten, welche die
kleinere Wirtschaft nicht kennt. Während sich in der Industrie überall das
Bestreben zeigt, zum Großbetriebe überzugehen, sehen wir umgekehrt bei den
Großgrundbesitzern häufig das Bestreben, sich die Vorteile des kleinern Be¬
triebes anzueignen, indem sie ihre Güter statt im ganzen lieber in Parzellen
verpachten.

Für die Gesamtheit des Volkes aber erwachsen aus dem Großbesitze sehr
erhebliche Nachteile. Nicht nur muß die Grundrente allein den Besitzer (ohne
Arbeit) ernähren, sondern es verteilt sich auch der Wirtschaftsertrag über sehr
wenige Personen, von denen die meisten als Tagelöhner nnr eine sehr kümmer¬
liche Nahrung finden. Die Ernährung des Volkes kommt zu kurz, und wenn
die Tagelöhner mich hie und da gute Löhne verdienen, so hat dies doch keinen
andern Erfolg als frühe Eheschließung, großen Kindersegen, Auswanderung in
fremde Länder oder in die Städte und Übergang zur Industrie; denn bei der
Geschlossenheit der großen Güter haben diese Leute keine Aussicht, jemals Be¬
sitzer zu werden, und eben diese Aussichtslosigkeit ist vielleicht das Beklagens¬
werteste, weil sie die Liebe zum Boden, die Anhänglichkeit an die Heimat aus¬
schließt und nichts andres als ein Proletariat erzeugen kann, welches die
Sozialdemokratie mit offenen Armen aufnimmt. In Mecklenburg hat das
Dvmauium längst erkannt, daß es sich die nötigen Arbeiter nnr durch deren
Ansiedelung sichern kann. Seit 1846 erhalten Arbeiter, welche es wünschen,
einen Bau- und Holzplatz; sie müssen darauf nach einem Normalplanc Haus
und Stall erbauen. Sie zahlen eine jährliche Notognitionsgebühr von 17 ^
Silbergroschen und erhalten eine gewisse Fläche Landes zum Anbau gegen
mäßigen Pacht. Die Folge dieser Mrßregel war das Entstehen solcher "Häus-
lcreien" in starkem Anwachsen. Es gab:

1847 .142 Hänslereieii,
1850 .1307
18SS .2110
1860 .2328 "
1364 .2721
1870 .3880
1872 .4279

Gleichzeitig (1882--1872) haben sich mich die sogenannten Vüdncrstcllen von
^342 uns 7453 gehoben. Die günstige Wirkung dieser verständigen Regierungs-
'wrßregeln zeigt sich mich in folgenden Zahlen. Im Domanium waren


"irmzlwim 111. 1886. M
Ole deutsche Landliga und it^re Bestrebungen.

Unbestreitbar dagegen ist, daß bei der Landwirtschaft nicht, wie in der
Industrie, der Vorteil mit dem Großbetriebe wächst. Die Arbeitsteilung hat
bei der Landwirtschaft nur ein geringes Feld, die Maschinen haben nur
einen begrenzten Wirkungskreis; die oft sehr verschiedne Qualität der einzelne»
Gntsteile nach Bodenbeschaffenheit und Bepflanznng, die räumlichen Ent¬
fernungen und die umständliche Kontrole bieten Schwierigkeiten, welche die
kleinere Wirtschaft nicht kennt. Während sich in der Industrie überall das
Bestreben zeigt, zum Großbetriebe überzugehen, sehen wir umgekehrt bei den
Großgrundbesitzern häufig das Bestreben, sich die Vorteile des kleinern Be¬
triebes anzueignen, indem sie ihre Güter statt im ganzen lieber in Parzellen
verpachten.

Für die Gesamtheit des Volkes aber erwachsen aus dem Großbesitze sehr
erhebliche Nachteile. Nicht nur muß die Grundrente allein den Besitzer (ohne
Arbeit) ernähren, sondern es verteilt sich auch der Wirtschaftsertrag über sehr
wenige Personen, von denen die meisten als Tagelöhner nnr eine sehr kümmer¬
liche Nahrung finden. Die Ernährung des Volkes kommt zu kurz, und wenn
die Tagelöhner mich hie und da gute Löhne verdienen, so hat dies doch keinen
andern Erfolg als frühe Eheschließung, großen Kindersegen, Auswanderung in
fremde Länder oder in die Städte und Übergang zur Industrie; denn bei der
Geschlossenheit der großen Güter haben diese Leute keine Aussicht, jemals Be¬
sitzer zu werden, und eben diese Aussichtslosigkeit ist vielleicht das Beklagens¬
werteste, weil sie die Liebe zum Boden, die Anhänglichkeit an die Heimat aus¬
schließt und nichts andres als ein Proletariat erzeugen kann, welches die
Sozialdemokratie mit offenen Armen aufnimmt. In Mecklenburg hat das
Dvmauium längst erkannt, daß es sich die nötigen Arbeiter nnr durch deren
Ansiedelung sichern kann. Seit 1846 erhalten Arbeiter, welche es wünschen,
einen Bau- und Holzplatz; sie müssen darauf nach einem Normalplanc Haus
und Stall erbauen. Sie zahlen eine jährliche Notognitionsgebühr von 17 ^
Silbergroschen und erhalten eine gewisse Fläche Landes zum Anbau gegen
mäßigen Pacht. Die Folge dieser Mrßregel war das Entstehen solcher „Häus-
lcreien" in starkem Anwachsen. Es gab:

1847 .142 Hänslereieii,
1850 .1307
18SS .2110
1860 .2328 »
1364 .2721
1870 .3880
1872 .4279

Gleichzeitig (1882—1872) haben sich mich die sogenannten Vüdncrstcllen von
^342 uns 7453 gehoben. Die günstige Wirkung dieser verständigen Regierungs-
'wrßregeln zeigt sich mich in folgenden Zahlen. Im Domanium waren


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[0553] Ole deutsche Landliga und it^re Bestrebungen. Unbestreitbar dagegen ist, daß bei der Landwirtschaft nicht, wie in der Industrie, der Vorteil mit dem Großbetriebe wächst. Die Arbeitsteilung hat bei der Landwirtschaft nur ein geringes Feld, die Maschinen haben nur einen begrenzten Wirkungskreis; die oft sehr verschiedne Qualität der einzelne» Gntsteile nach Bodenbeschaffenheit und Bepflanznng, die räumlichen Ent¬ fernungen und die umständliche Kontrole bieten Schwierigkeiten, welche die kleinere Wirtschaft nicht kennt. Während sich in der Industrie überall das Bestreben zeigt, zum Großbetriebe überzugehen, sehen wir umgekehrt bei den Großgrundbesitzern häufig das Bestreben, sich die Vorteile des kleinern Be¬ triebes anzueignen, indem sie ihre Güter statt im ganzen lieber in Parzellen verpachten. Für die Gesamtheit des Volkes aber erwachsen aus dem Großbesitze sehr erhebliche Nachteile. Nicht nur muß die Grundrente allein den Besitzer (ohne Arbeit) ernähren, sondern es verteilt sich auch der Wirtschaftsertrag über sehr wenige Personen, von denen die meisten als Tagelöhner nnr eine sehr kümmer¬ liche Nahrung finden. Die Ernährung des Volkes kommt zu kurz, und wenn die Tagelöhner mich hie und da gute Löhne verdienen, so hat dies doch keinen andern Erfolg als frühe Eheschließung, großen Kindersegen, Auswanderung in fremde Länder oder in die Städte und Übergang zur Industrie; denn bei der Geschlossenheit der großen Güter haben diese Leute keine Aussicht, jemals Be¬ sitzer zu werden, und eben diese Aussichtslosigkeit ist vielleicht das Beklagens¬ werteste, weil sie die Liebe zum Boden, die Anhänglichkeit an die Heimat aus¬ schließt und nichts andres als ein Proletariat erzeugen kann, welches die Sozialdemokratie mit offenen Armen aufnimmt. In Mecklenburg hat das Dvmauium längst erkannt, daß es sich die nötigen Arbeiter nnr durch deren Ansiedelung sichern kann. Seit 1846 erhalten Arbeiter, welche es wünschen, einen Bau- und Holzplatz; sie müssen darauf nach einem Normalplanc Haus und Stall erbauen. Sie zahlen eine jährliche Notognitionsgebühr von 17 ^ Silbergroschen und erhalten eine gewisse Fläche Landes zum Anbau gegen mäßigen Pacht. Die Folge dieser Mrßregel war das Entstehen solcher „Häus- lcreien" in starkem Anwachsen. Es gab: 1847 .142 Hänslereieii, 1850 .1307 18SS .2110 1860 .2328 » 1364 .2721 1870 .3880 1872 .4279 Gleichzeitig (1882—1872) haben sich mich die sogenannten Vüdncrstcllen von ^342 uns 7453 gehoben. Die günstige Wirkung dieser verständigen Regierungs- 'wrßregeln zeigt sich mich in folgenden Zahlen. Im Domanium waren »irmzlwim 111. 1886. M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/553>, abgerufen am 22.07.2024.