Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Bulgarien und sein Fürst.
Blicke auf ihre letzten acht Jahre.
2.

eneral Ehrnrvth nahm unmittelbar nach der Abstimmung, dnrch
welche das Golemv Svbranje den Fürsten Alexander auf sieben
Jahre die Diktatur übertragen hatte, seine Entlassung als Minister¬
präsident und lehrte nach Rußland zurück. Man ersetzte ihn dnrch
den Oberst Neulingen, einen andern Russen, unter dem ein dritter,
General Krylow, das Portefeuille des Krieges, der Levantiner Tcschnrow die
Justiz, der Bulgare Scheleskowitsch die Finanzen, der Tscheche Jireschek das
Unternchtswesen, Stoilow, bisher nur privater Ratgeber des Fürsten, wenn
auch einflußreicher als alle andern, das Äußere übernahm, sodaß die Regierung
einen internationalen Anstrich bekam,^ was noch mehr hervortrat, als Stoilow
seinen Posten nach wenigen Wochen an den Ostrumelier Wulkowitsch abzutreten
für gut faud. Bald regten sich die Liberalen wieder. In Tirnowo und
Plewna feierten sie Zankvw mit lärmenden Ovationen, und mehrere Städte
hatten die Dreistigkeit, vom Fürsten telegraphisch Wiederherstellung der Ver¬
fassung zu verlangen. Zankow kehrte, nachdem man ihn einen Monat in Nustschnk
in Haft gehalten hatte, nach Sofia zurück. Karawclow dagegen, der nach Phi¬
lippopel geflohen war, blieb vorläufig dort und wurde Bürgermeister dieser Stadt.

Schon jetzt trübte sich das Verhältnis des Hofes zu den Russen, die als
Beförderer des Staatsstreiches inzwischen auch die Liberalen sich entfremdet
hatten. Die Russen wollten ihren Landsmann, dem Jngenieurgeneral Struve,
eine einträgliche Eisenbahnlonzcssion zuwenden, der Fürst und seine Umgebung
aber hatten dieselbe dem bulgarischen Unternehmer Hadschicnow zugedacht.


GrenzboK'n NI. 1886. IZ7


Bulgarien und sein Fürst.
Blicke auf ihre letzten acht Jahre.
2.

eneral Ehrnrvth nahm unmittelbar nach der Abstimmung, dnrch
welche das Golemv Svbranje den Fürsten Alexander auf sieben
Jahre die Diktatur übertragen hatte, seine Entlassung als Minister¬
präsident und lehrte nach Rußland zurück. Man ersetzte ihn dnrch
den Oberst Neulingen, einen andern Russen, unter dem ein dritter,
General Krylow, das Portefeuille des Krieges, der Levantiner Tcschnrow die
Justiz, der Bulgare Scheleskowitsch die Finanzen, der Tscheche Jireschek das
Unternchtswesen, Stoilow, bisher nur privater Ratgeber des Fürsten, wenn
auch einflußreicher als alle andern, das Äußere übernahm, sodaß die Regierung
einen internationalen Anstrich bekam,^ was noch mehr hervortrat, als Stoilow
seinen Posten nach wenigen Wochen an den Ostrumelier Wulkowitsch abzutreten
für gut faud. Bald regten sich die Liberalen wieder. In Tirnowo und
Plewna feierten sie Zankvw mit lärmenden Ovationen, und mehrere Städte
hatten die Dreistigkeit, vom Fürsten telegraphisch Wiederherstellung der Ver¬
fassung zu verlangen. Zankow kehrte, nachdem man ihn einen Monat in Nustschnk
in Haft gehalten hatte, nach Sofia zurück. Karawclow dagegen, der nach Phi¬
lippopel geflohen war, blieb vorläufig dort und wurde Bürgermeister dieser Stadt.

Schon jetzt trübte sich das Verhältnis des Hofes zu den Russen, die als
Beförderer des Staatsstreiches inzwischen auch die Liberalen sich entfremdet
hatten. Die Russen wollten ihren Landsmann, dem Jngenieurgeneral Struve,
eine einträgliche Eisenbahnlonzcssion zuwenden, der Fürst und seine Umgebung
aber hatten dieselbe dem bulgarischen Unternehmer Hadschicnow zugedacht.


GrenzboK'n NI. 1886. IZ7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0537" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199257"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341843_198719/figures/grenzboten_341843_198719_199257_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Bulgarien und sein Fürst.<lb/>
Blicke auf ihre letzten acht Jahre.<lb/>
2.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1846"> eneral Ehrnrvth nahm unmittelbar nach der Abstimmung, dnrch<lb/>
welche das Golemv Svbranje den Fürsten Alexander auf sieben<lb/>
Jahre die Diktatur übertragen hatte, seine Entlassung als Minister¬<lb/>
präsident und lehrte nach Rußland zurück. Man ersetzte ihn dnrch<lb/>
den Oberst Neulingen, einen andern Russen, unter dem ein dritter,<lb/>
General Krylow, das Portefeuille des Krieges, der Levantiner Tcschnrow die<lb/>
Justiz, der Bulgare Scheleskowitsch die Finanzen, der Tscheche Jireschek das<lb/>
Unternchtswesen, Stoilow, bisher nur privater Ratgeber des Fürsten, wenn<lb/>
auch einflußreicher als alle andern, das Äußere übernahm, sodaß die Regierung<lb/>
einen internationalen Anstrich bekam,^ was noch mehr hervortrat, als Stoilow<lb/>
seinen Posten nach wenigen Wochen an den Ostrumelier Wulkowitsch abzutreten<lb/>
für gut faud. Bald regten sich die Liberalen wieder. In Tirnowo und<lb/>
Plewna feierten sie Zankvw mit lärmenden Ovationen, und mehrere Städte<lb/>
hatten die Dreistigkeit, vom Fürsten telegraphisch Wiederherstellung der Ver¬<lb/>
fassung zu verlangen. Zankow kehrte, nachdem man ihn einen Monat in Nustschnk<lb/>
in Haft gehalten hatte, nach Sofia zurück. Karawclow dagegen, der nach Phi¬<lb/>
lippopel geflohen war, blieb vorläufig dort und wurde Bürgermeister dieser Stadt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1847" next="#ID_1848"> Schon jetzt trübte sich das Verhältnis des Hofes zu den Russen, die als<lb/>
Beförderer des Staatsstreiches inzwischen auch die Liberalen sich entfremdet<lb/>
hatten. Die Russen wollten ihren Landsmann, dem Jngenieurgeneral Struve,<lb/>
eine einträgliche Eisenbahnlonzcssion zuwenden, der Fürst und seine Umgebung<lb/>
aber hatten dieselbe dem bulgarischen Unternehmer Hadschicnow zugedacht.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> GrenzboK'n NI. 1886. IZ7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0537] [Abbildung] Bulgarien und sein Fürst. Blicke auf ihre letzten acht Jahre. 2. eneral Ehrnrvth nahm unmittelbar nach der Abstimmung, dnrch welche das Golemv Svbranje den Fürsten Alexander auf sieben Jahre die Diktatur übertragen hatte, seine Entlassung als Minister¬ präsident und lehrte nach Rußland zurück. Man ersetzte ihn dnrch den Oberst Neulingen, einen andern Russen, unter dem ein dritter, General Krylow, das Portefeuille des Krieges, der Levantiner Tcschnrow die Justiz, der Bulgare Scheleskowitsch die Finanzen, der Tscheche Jireschek das Unternchtswesen, Stoilow, bisher nur privater Ratgeber des Fürsten, wenn auch einflußreicher als alle andern, das Äußere übernahm, sodaß die Regierung einen internationalen Anstrich bekam,^ was noch mehr hervortrat, als Stoilow seinen Posten nach wenigen Wochen an den Ostrumelier Wulkowitsch abzutreten für gut faud. Bald regten sich die Liberalen wieder. In Tirnowo und Plewna feierten sie Zankvw mit lärmenden Ovationen, und mehrere Städte hatten die Dreistigkeit, vom Fürsten telegraphisch Wiederherstellung der Ver¬ fassung zu verlangen. Zankow kehrte, nachdem man ihn einen Monat in Nustschnk in Haft gehalten hatte, nach Sofia zurück. Karawclow dagegen, der nach Phi¬ lippopel geflohen war, blieb vorläufig dort und wurde Bürgermeister dieser Stadt. Schon jetzt trübte sich das Verhältnis des Hofes zu den Russen, die als Beförderer des Staatsstreiches inzwischen auch die Liberalen sich entfremdet hatten. Die Russen wollten ihren Landsmann, dem Jngenieurgeneral Struve, eine einträgliche Eisenbahnlonzcssion zuwenden, der Fürst und seine Umgebung aber hatten dieselbe dem bulgarischen Unternehmer Hadschicnow zugedacht. GrenzboK'n NI. 1886. IZ7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/537
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/537>, abgerufen am 22.07.2024.