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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Unnstansstelliing.

der österreichischen Abteilung, Hugo Charlemonts Eigenart erschöpft sich aber
nicht in der Feimncilcrei. Er ist ein koloristisches Genie, welches auch großen,
dekorativen Arbeiten gewachsen ist, wie z. B, ein umfangreiches Waffenstilllcben
lehrt, und zugleich ein geschickter Figurcnmaler. Ein junges Mädchen in alt¬
französischer Tracht inmitten eines mit hundert Raritäten gefüllten, reich möblirten
Gemachs, sowie das Innere einer Schmiede, ein Helldunkelstück mit Nembrandtschem
Effekt, geben dem Künstler einen Platz nnter den besten deutschen Genremalern.

Ans dem Gebiete der Architekturmalerci steht zur Zeit Adolf Böhm aus
Weimar obenan. Man darf seine bevorzugte Stellung sogar dahin präzisiren,
daß man ihn für den besten Maler von architektonisch bedeutsamen Jnnenrciumen
erklärt, welcher gegenwärtig in Europa zu finden ist. Weder Frankreich, noch
England, noch Italien haben ein ihm ebenbürtiges Talent. Man möchte glauben,
daß es der romanischen Rasse an Geduld fehle, die zahllosen Mosaikstifte, aus
denen solch ein Architekturstück allmählich zusammenwächst, in der mühevollen
Ölmalerei nachzubilden. In der flotteren, sich mit Andeutungen begnügenden
Aquarelltechnik eher. Wir besitzen sogar sehr geistreiche französische und ita¬
lienische Architekturstücke in Aquarell und in Radirung, welche durch augen¬
blickliche Wirkung den mühsamsten deutschen Arbeiten überlegen sind. Aber eine
strenge Einzelprüfung halten diese Virtuosenkunststücke nicht aus. Die englischen
Architekturstücke bestehen diese Prüfung schon besser. Aber auch die Engländer
bevorzugen das Aquarell, das eigentlich ihre nationale Technik ist. England
besitzt sehr wenige gute Ölmaler, und diese stellen ihre Fertigkeit in den Dienst
höherer Aufgaben, als sie ihnen nach ihrer Ansicht das Architekturstück bietet.
Ein solches steht dem Engländer nicht viel höher als jede gewöhnliche visv,
die er sich auch als Photographie beschaffen kann. Uns Deutschen liegt aber
die romantische Ader dem Herzen zunächst, und selbst das realistische neunzehnte
Jahrhundert vermag diesen Zug der deutschen Natur nicht auszulöschen. Wir
begnügen uns nicht mit dem architektonischen Gerippe, das uns freilich anch die
Photographie liefern kann, sondern wir verlangen Stimmung, Empfindung, die
Poesie des Lichts, das Spiel des Helldunkels, wenn die romantische Ader vi-
briren soll. Ein Stimmungsmaler, der diese Bedingungen erfüllt, ist Adolf
Böhm. Sein Talent hat sich gerade zur rechten Zeit entwickelt. Als uns
Christian Wilbcrg durch einen frühzeitigen Tod entrissen wurde, glaubten wir,
daß das Genre, welches er vertrat, für geraume Zeit mit ihm begraben sei.
Aber die gütige Natur sorgt auch auf dem Gebiete der Kunst in ihrer unver-
sieglichen Schöpferkraft für Ersatz. Adolf Böhm, der sich in der goldhaltigen
Fundgrube glänzender architektonischer Interieurs, in Venedig, niedergelassen
hat, verbindet mit einer vollendeten Öltechnik eine ausgiebige Kenntnis aller für
für seinen Kunstzweig erforderlichen Hilfswissenschaften und eine feine Empfindung
pvesievolle Beleuchtung. Auch als Karl Graeb starb, schien es, als ginge diejenige
Richtung der Architekturmalerci, welche sich mit Vorliebe an die vaterländischen


Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Unnstansstelliing.

der österreichischen Abteilung, Hugo Charlemonts Eigenart erschöpft sich aber
nicht in der Feimncilcrei. Er ist ein koloristisches Genie, welches auch großen,
dekorativen Arbeiten gewachsen ist, wie z. B, ein umfangreiches Waffenstilllcben
lehrt, und zugleich ein geschickter Figurcnmaler. Ein junges Mädchen in alt¬
französischer Tracht inmitten eines mit hundert Raritäten gefüllten, reich möblirten
Gemachs, sowie das Innere einer Schmiede, ein Helldunkelstück mit Nembrandtschem
Effekt, geben dem Künstler einen Platz nnter den besten deutschen Genremalern.

Ans dem Gebiete der Architekturmalerci steht zur Zeit Adolf Böhm aus
Weimar obenan. Man darf seine bevorzugte Stellung sogar dahin präzisiren,
daß man ihn für den besten Maler von architektonisch bedeutsamen Jnnenrciumen
erklärt, welcher gegenwärtig in Europa zu finden ist. Weder Frankreich, noch
England, noch Italien haben ein ihm ebenbürtiges Talent. Man möchte glauben,
daß es der romanischen Rasse an Geduld fehle, die zahllosen Mosaikstifte, aus
denen solch ein Architekturstück allmählich zusammenwächst, in der mühevollen
Ölmalerei nachzubilden. In der flotteren, sich mit Andeutungen begnügenden
Aquarelltechnik eher. Wir besitzen sogar sehr geistreiche französische und ita¬
lienische Architekturstücke in Aquarell und in Radirung, welche durch augen¬
blickliche Wirkung den mühsamsten deutschen Arbeiten überlegen sind. Aber eine
strenge Einzelprüfung halten diese Virtuosenkunststücke nicht aus. Die englischen
Architekturstücke bestehen diese Prüfung schon besser. Aber auch die Engländer
bevorzugen das Aquarell, das eigentlich ihre nationale Technik ist. England
besitzt sehr wenige gute Ölmaler, und diese stellen ihre Fertigkeit in den Dienst
höherer Aufgaben, als sie ihnen nach ihrer Ansicht das Architekturstück bietet.
Ein solches steht dem Engländer nicht viel höher als jede gewöhnliche visv,
die er sich auch als Photographie beschaffen kann. Uns Deutschen liegt aber
die romantische Ader dem Herzen zunächst, und selbst das realistische neunzehnte
Jahrhundert vermag diesen Zug der deutschen Natur nicht auszulöschen. Wir
begnügen uns nicht mit dem architektonischen Gerippe, das uns freilich anch die
Photographie liefern kann, sondern wir verlangen Stimmung, Empfindung, die
Poesie des Lichts, das Spiel des Helldunkels, wenn die romantische Ader vi-
briren soll. Ein Stimmungsmaler, der diese Bedingungen erfüllt, ist Adolf
Böhm. Sein Talent hat sich gerade zur rechten Zeit entwickelt. Als uns
Christian Wilbcrg durch einen frühzeitigen Tod entrissen wurde, glaubten wir,
daß das Genre, welches er vertrat, für geraume Zeit mit ihm begraben sei.
Aber die gütige Natur sorgt auch auf dem Gebiete der Kunst in ihrer unver-
sieglichen Schöpferkraft für Ersatz. Adolf Böhm, der sich in der goldhaltigen
Fundgrube glänzender architektonischer Interieurs, in Venedig, niedergelassen
hat, verbindet mit einer vollendeten Öltechnik eine ausgiebige Kenntnis aller für
für seinen Kunstzweig erforderlichen Hilfswissenschaften und eine feine Empfindung
pvesievolle Beleuchtung. Auch als Karl Graeb starb, schien es, als ginge diejenige
Richtung der Architekturmalerci, welche sich mit Vorliebe an die vaterländischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/518>, abgerufen am 23.07.2024.