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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

allen Zweigen der innern Verwaltung Verbesserungen einzuführen und den
regelmäßigen Gang der Staatsmaschine zu sichern; 2. die außerordentliche
Session des Sobranje ist für dieses Jahr vertagt, und das für letzteres votirte
Budget hat Gesetzeskraft auch für das nächste; 3. der Fürst hat das Recht,
vor Ablauf der sieben Jahre das Golemo Sobranje aä Iroo einzuberufen, damit
es die Verfassung auf Grund der abgeschlossenen Einrichtungen und der Er¬
fahrung revidire."

Ehrnroth hatte die Ministerpräsidentschaft auf Befehl seiner Negierung in
Petersburg übernommen, die auch ihren diplomatischen Vertreter in Sofia,
Kumcmy, der sich mit den Liberalen auf guten Fuß gestellt hatte, abrief und durch
Hitrowo ersetzte, welcher den Auftrag erhielt, den Fürsten zu unterstützen -- eine
Instruktion, der er mit Eifer nachkam. Die Wahlen für das Golemo Sobranje
wurden von der Negierung aufs stärkste beeinflußt, die Liberalen mit allen
Mitteln eingeschüchtert, verdächtige Beamte abgesetzt oder wenigstens streng
überwacht, oppositionell gesinnte Städte in Belagerungszustand erklärt, der
Fürst unternahm eine Rundreise durch das Land, bei welcher der ihn begleitende
Hitrowo den Bauern sagte, der Zar wünsche, daß man nicht mehr dem ver¬
derblichen Einflüsse "dieser liberalen Schulmeister folge, die man erschießen
sollte." Die Folge aller dieser Maßregeln war, daß ans den Wahlen 304 Kon¬
servative und nur 25 Liberale hervorgingen, und daß das Golemo Sobranje,
das man nicht in dem liberalen Tirnowo, sondern in Swischtow tagen ließ,
die drei Bedingungen des Fürsten ohne Debatte annahm und dann aus¬
einander ging. Alexander I. war damit bis auf weiteres aus einem parla¬
mentarisch aufs äußerste eingeschränkten Regenten zum Diktator geworden.




Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.
(Fortsetzung.)
3.

me landwirtschaftliche Hypothek kann dreierlei Entstehungsgründe
haben. Entweder der Eigentümer war, wie bereits erwähnt, bei
Erwerbung des Gutes nicht in der Lage, den ganzen Kaufpreis
zu bezahlen und blieb daher einen Restbetrag in Form einer
Hypothek oder eines Nestkaufschillings schuldig. In diesem Falle
ist es augenscheinlich, daß die Zinsen der Hypothek garnicht in die Wirtschafts¬
rechnung gehören, sondern lediglich der Bodenrenke zur Last fallen. Der Eigen-


Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

allen Zweigen der innern Verwaltung Verbesserungen einzuführen und den
regelmäßigen Gang der Staatsmaschine zu sichern; 2. die außerordentliche
Session des Sobranje ist für dieses Jahr vertagt, und das für letzteres votirte
Budget hat Gesetzeskraft auch für das nächste; 3. der Fürst hat das Recht,
vor Ablauf der sieben Jahre das Golemo Sobranje aä Iroo einzuberufen, damit
es die Verfassung auf Grund der abgeschlossenen Einrichtungen und der Er¬
fahrung revidire."

Ehrnroth hatte die Ministerpräsidentschaft auf Befehl seiner Negierung in
Petersburg übernommen, die auch ihren diplomatischen Vertreter in Sofia,
Kumcmy, der sich mit den Liberalen auf guten Fuß gestellt hatte, abrief und durch
Hitrowo ersetzte, welcher den Auftrag erhielt, den Fürsten zu unterstützen — eine
Instruktion, der er mit Eifer nachkam. Die Wahlen für das Golemo Sobranje
wurden von der Negierung aufs stärkste beeinflußt, die Liberalen mit allen
Mitteln eingeschüchtert, verdächtige Beamte abgesetzt oder wenigstens streng
überwacht, oppositionell gesinnte Städte in Belagerungszustand erklärt, der
Fürst unternahm eine Rundreise durch das Land, bei welcher der ihn begleitende
Hitrowo den Bauern sagte, der Zar wünsche, daß man nicht mehr dem ver¬
derblichen Einflüsse „dieser liberalen Schulmeister folge, die man erschießen
sollte." Die Folge aller dieser Maßregeln war, daß ans den Wahlen 304 Kon¬
servative und nur 25 Liberale hervorgingen, und daß das Golemo Sobranje,
das man nicht in dem liberalen Tirnowo, sondern in Swischtow tagen ließ,
die drei Bedingungen des Fürsten ohne Debatte annahm und dann aus¬
einander ging. Alexander I. war damit bis auf weiteres aus einem parla¬
mentarisch aufs äußerste eingeschränkten Regenten zum Diktator geworden.




Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.
(Fortsetzung.)
3.

me landwirtschaftliche Hypothek kann dreierlei Entstehungsgründe
haben. Entweder der Eigentümer war, wie bereits erwähnt, bei
Erwerbung des Gutes nicht in der Lage, den ganzen Kaufpreis
zu bezahlen und blieb daher einen Restbetrag in Form einer
Hypothek oder eines Nestkaufschillings schuldig. In diesem Falle
ist es augenscheinlich, daß die Zinsen der Hypothek garnicht in die Wirtschafts¬
rechnung gehören, sondern lediglich der Bodenrenke zur Last fallen. Der Eigen-


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[0496] Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen. allen Zweigen der innern Verwaltung Verbesserungen einzuführen und den regelmäßigen Gang der Staatsmaschine zu sichern; 2. die außerordentliche Session des Sobranje ist für dieses Jahr vertagt, und das für letzteres votirte Budget hat Gesetzeskraft auch für das nächste; 3. der Fürst hat das Recht, vor Ablauf der sieben Jahre das Golemo Sobranje aä Iroo einzuberufen, damit es die Verfassung auf Grund der abgeschlossenen Einrichtungen und der Er¬ fahrung revidire." Ehrnroth hatte die Ministerpräsidentschaft auf Befehl seiner Negierung in Petersburg übernommen, die auch ihren diplomatischen Vertreter in Sofia, Kumcmy, der sich mit den Liberalen auf guten Fuß gestellt hatte, abrief und durch Hitrowo ersetzte, welcher den Auftrag erhielt, den Fürsten zu unterstützen — eine Instruktion, der er mit Eifer nachkam. Die Wahlen für das Golemo Sobranje wurden von der Negierung aufs stärkste beeinflußt, die Liberalen mit allen Mitteln eingeschüchtert, verdächtige Beamte abgesetzt oder wenigstens streng überwacht, oppositionell gesinnte Städte in Belagerungszustand erklärt, der Fürst unternahm eine Rundreise durch das Land, bei welcher der ihn begleitende Hitrowo den Bauern sagte, der Zar wünsche, daß man nicht mehr dem ver¬ derblichen Einflüsse „dieser liberalen Schulmeister folge, die man erschießen sollte." Die Folge aller dieser Maßregeln war, daß ans den Wahlen 304 Kon¬ servative und nur 25 Liberale hervorgingen, und daß das Golemo Sobranje, das man nicht in dem liberalen Tirnowo, sondern in Swischtow tagen ließ, die drei Bedingungen des Fürsten ohne Debatte annahm und dann aus¬ einander ging. Alexander I. war damit bis auf weiteres aus einem parla¬ mentarisch aufs äußerste eingeschränkten Regenten zum Diktator geworden. Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen. (Fortsetzung.) 3. me landwirtschaftliche Hypothek kann dreierlei Entstehungsgründe haben. Entweder der Eigentümer war, wie bereits erwähnt, bei Erwerbung des Gutes nicht in der Lage, den ganzen Kaufpreis zu bezahlen und blieb daher einen Restbetrag in Form einer Hypothek oder eines Nestkaufschillings schuldig. In diesem Falle ist es augenscheinlich, daß die Zinsen der Hypothek garnicht in die Wirtschafts¬ rechnung gehören, sondern lediglich der Bodenrenke zur Last fallen. Der Eigen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/496>, abgerufen am 22.07.2024.