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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Camoens.

envers' Kleid verschossen und ärmlich erschien. Die schmerzliche Unruhe im Ge¬
sicht des Dichters sah oder beachtete er nicht, er reichte ihm gnädig seine Hand
zum Kuß, Indem Camoens sich auf dieselbe herabbeugte, war ihm, als sollte
er vor die Füße Dom Sebastians hinschlagen. Einer aus der große" Gruppe
derer, welche die königlichen Worte mit angehört hatten, faßte ihn am Arm, als
der König weiter ging, lehnte ihn einen Augenblick an die Säule und führte
ihn dann ans dem Gedränge hinweg zu einem der Nusgünge des Saales.

Ich danke Euch, Fray Tellez, sagte Camoens, als sie draußen standen,
wo ihnen aus den großen Nundbogengängen des Palastes und von der Niesen-
treppe her eine frischere Luft entgegenströmte. Es fehlte wenig, so hätte ich
dem König ins Antlitz geschlendert, daß meine Widmung der Lusiaden Lüge
und nichts als Lüge ist!

Warum sprecht Ihr von Lüge? fragte der Pater ruhig zurück Ihr wünscht
dem König und unserm Heere den Sieg, denn Ihr könnt ihn dem Sultan von
Marokko nicht wünschen! Ihr hofft, daß die Cherubim um unsre Fahnen
rauschen und legt den Ausgang in Gottes Hand! Was klagt Ihr Euch selbst
an? Und warum wollt Ihr verzweifeln, da sich jetzt alles fügt, wie Ihr es
gewollt und ersehnt? Morgen geht der König in See, ich begleite ihn nicht
mehr als sein Kaplan, sondern als sein Beichtvater. Eure Angebetete blieb im
Schloß zu Cintra zurück, und wenn sie selbst morgen kommt, die Abfahrt der
Flotte zu schauen, so seid Ihr es, der neben Donna Catarina stehen wird. Der
König ist jetzt zu sich selbst und auf den rechten Pfad zurückgekehrt, überlaßt
es mir, ihn darauf zu erhalten!

Ihr wißt nicht, wie schwül und gepreßt mir zu Mute ist, entgegnete Ca¬
moens. Meinte ich doch vorhin an der Thür zu des Königs Gemächern den
alten Miraflores, den Stallmeister der Gräfin Palmeirim, zu sehen, von dem.
ich weiß, daß er des Königs Leidenschaft genährt und deu Vertrauten gespielt
hat. Es mag sein, daß ich mich irrte, aber ich habe in dem halben Jahre, seit
meiner Flucht aus Almvcegema, zu Bitteres erduldet. Ich spreche uicht von
der Kargheit des Königs und meiner Not, obschon wenig fehlte, daß ich von
der Gnade, am Hofe erscheinen zu dürfen, keinen Gebrauch mehr machen konnte!
Das Unwürdige soll man hinabwürgen, doch nicht wiederkäuen! Aber ich darf
von den innern Leiden sprechen, die ich erduldet habe, seit ich nach Euerm Rate
mit meinem fertigen Werke und seiner Widmung wieder vor den König trat.
Schien es doch an jenem Tage, als ob seine ganze Seele in Flammen himmelan
schlüge und keine Woche vergehen würde, daß er sein Banner am Mast seines
Königsschiffes entfalten würde. Da durfte ich hoffen, daß das Opfer, welches
ich gebracht, und das Ihr weder zu wägen noch zu messen versteht, Fray Tellez,
nicht vergebens gebracht sei. Dann aber reihten sich Wochen zu Wochen und
Monden zu Monden, da ward geraten und widerraten, gerüstet und abgerüstet,
dreimal mußte ich an jedem Tage fürchten und dreimal hoffen! Der König


Grenzboten III. 1886. 6
Camoens.

envers' Kleid verschossen und ärmlich erschien. Die schmerzliche Unruhe im Ge¬
sicht des Dichters sah oder beachtete er nicht, er reichte ihm gnädig seine Hand
zum Kuß, Indem Camoens sich auf dieselbe herabbeugte, war ihm, als sollte
er vor die Füße Dom Sebastians hinschlagen. Einer aus der große» Gruppe
derer, welche die königlichen Worte mit angehört hatten, faßte ihn am Arm, als
der König weiter ging, lehnte ihn einen Augenblick an die Säule und führte
ihn dann ans dem Gedränge hinweg zu einem der Nusgünge des Saales.

Ich danke Euch, Fray Tellez, sagte Camoens, als sie draußen standen,
wo ihnen aus den großen Nundbogengängen des Palastes und von der Niesen-
treppe her eine frischere Luft entgegenströmte. Es fehlte wenig, so hätte ich
dem König ins Antlitz geschlendert, daß meine Widmung der Lusiaden Lüge
und nichts als Lüge ist!

Warum sprecht Ihr von Lüge? fragte der Pater ruhig zurück Ihr wünscht
dem König und unserm Heere den Sieg, denn Ihr könnt ihn dem Sultan von
Marokko nicht wünschen! Ihr hofft, daß die Cherubim um unsre Fahnen
rauschen und legt den Ausgang in Gottes Hand! Was klagt Ihr Euch selbst
an? Und warum wollt Ihr verzweifeln, da sich jetzt alles fügt, wie Ihr es
gewollt und ersehnt? Morgen geht der König in See, ich begleite ihn nicht
mehr als sein Kaplan, sondern als sein Beichtvater. Eure Angebetete blieb im
Schloß zu Cintra zurück, und wenn sie selbst morgen kommt, die Abfahrt der
Flotte zu schauen, so seid Ihr es, der neben Donna Catarina stehen wird. Der
König ist jetzt zu sich selbst und auf den rechten Pfad zurückgekehrt, überlaßt
es mir, ihn darauf zu erhalten!

Ihr wißt nicht, wie schwül und gepreßt mir zu Mute ist, entgegnete Ca¬
moens. Meinte ich doch vorhin an der Thür zu des Königs Gemächern den
alten Miraflores, den Stallmeister der Gräfin Palmeirim, zu sehen, von dem.
ich weiß, daß er des Königs Leidenschaft genährt und deu Vertrauten gespielt
hat. Es mag sein, daß ich mich irrte, aber ich habe in dem halben Jahre, seit
meiner Flucht aus Almvcegema, zu Bitteres erduldet. Ich spreche uicht von
der Kargheit des Königs und meiner Not, obschon wenig fehlte, daß ich von
der Gnade, am Hofe erscheinen zu dürfen, keinen Gebrauch mehr machen konnte!
Das Unwürdige soll man hinabwürgen, doch nicht wiederkäuen! Aber ich darf
von den innern Leiden sprechen, die ich erduldet habe, seit ich nach Euerm Rate
mit meinem fertigen Werke und seiner Widmung wieder vor den König trat.
Schien es doch an jenem Tage, als ob seine ganze Seele in Flammen himmelan
schlüge und keine Woche vergehen würde, daß er sein Banner am Mast seines
Königsschiffes entfalten würde. Da durfte ich hoffen, daß das Opfer, welches
ich gebracht, und das Ihr weder zu wägen noch zu messen versteht, Fray Tellez,
nicht vergebens gebracht sei. Dann aber reihten sich Wochen zu Wochen und
Monden zu Monden, da ward geraten und widerraten, gerüstet und abgerüstet,
dreimal mußte ich an jedem Tage fürchten und dreimal hoffen! Der König


Grenzboten III. 1886. 6
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[0049] Camoens. envers' Kleid verschossen und ärmlich erschien. Die schmerzliche Unruhe im Ge¬ sicht des Dichters sah oder beachtete er nicht, er reichte ihm gnädig seine Hand zum Kuß, Indem Camoens sich auf dieselbe herabbeugte, war ihm, als sollte er vor die Füße Dom Sebastians hinschlagen. Einer aus der große» Gruppe derer, welche die königlichen Worte mit angehört hatten, faßte ihn am Arm, als der König weiter ging, lehnte ihn einen Augenblick an die Säule und führte ihn dann ans dem Gedränge hinweg zu einem der Nusgünge des Saales. Ich danke Euch, Fray Tellez, sagte Camoens, als sie draußen standen, wo ihnen aus den großen Nundbogengängen des Palastes und von der Niesen- treppe her eine frischere Luft entgegenströmte. Es fehlte wenig, so hätte ich dem König ins Antlitz geschlendert, daß meine Widmung der Lusiaden Lüge und nichts als Lüge ist! Warum sprecht Ihr von Lüge? fragte der Pater ruhig zurück Ihr wünscht dem König und unserm Heere den Sieg, denn Ihr könnt ihn dem Sultan von Marokko nicht wünschen! Ihr hofft, daß die Cherubim um unsre Fahnen rauschen und legt den Ausgang in Gottes Hand! Was klagt Ihr Euch selbst an? Und warum wollt Ihr verzweifeln, da sich jetzt alles fügt, wie Ihr es gewollt und ersehnt? Morgen geht der König in See, ich begleite ihn nicht mehr als sein Kaplan, sondern als sein Beichtvater. Eure Angebetete blieb im Schloß zu Cintra zurück, und wenn sie selbst morgen kommt, die Abfahrt der Flotte zu schauen, so seid Ihr es, der neben Donna Catarina stehen wird. Der König ist jetzt zu sich selbst und auf den rechten Pfad zurückgekehrt, überlaßt es mir, ihn darauf zu erhalten! Ihr wißt nicht, wie schwül und gepreßt mir zu Mute ist, entgegnete Ca¬ moens. Meinte ich doch vorhin an der Thür zu des Königs Gemächern den alten Miraflores, den Stallmeister der Gräfin Palmeirim, zu sehen, von dem. ich weiß, daß er des Königs Leidenschaft genährt und deu Vertrauten gespielt hat. Es mag sein, daß ich mich irrte, aber ich habe in dem halben Jahre, seit meiner Flucht aus Almvcegema, zu Bitteres erduldet. Ich spreche uicht von der Kargheit des Königs und meiner Not, obschon wenig fehlte, daß ich von der Gnade, am Hofe erscheinen zu dürfen, keinen Gebrauch mehr machen konnte! Das Unwürdige soll man hinabwürgen, doch nicht wiederkäuen! Aber ich darf von den innern Leiden sprechen, die ich erduldet habe, seit ich nach Euerm Rate mit meinem fertigen Werke und seiner Widmung wieder vor den König trat. Schien es doch an jenem Tage, als ob seine ganze Seele in Flammen himmelan schlüge und keine Woche vergehen würde, daß er sein Banner am Mast seines Königsschiffes entfalten würde. Da durfte ich hoffen, daß das Opfer, welches ich gebracht, und das Ihr weder zu wägen noch zu messen versteht, Fray Tellez, nicht vergebens gebracht sei. Dann aber reihten sich Wochen zu Wochen und Monden zu Monden, da ward geraten und widerraten, gerüstet und abgerüstet, dreimal mußte ich an jedem Tage fürchten und dreimal hoffen! Der König Grenzboten III. 1886. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/49>, abgerufen am 22.07.2024.