Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

beginnen die auf dem Grund und Boden ruhenden Verpflichtungen zu schwinden,
die Leistungen werden auf Bürger und Bauern abgewälzt, und es wird Steuer¬
freiheit sür den Grund und Boden in Anspruch genommen. Der dem germanischen
Bewußtsein fremde Begriff des römischen Privateigentums wird geltendes Recht.
So ist dies Monopol entstanden.*) Die Zunahme der Bevölkerung, die Befestigung
des allgemeinen Rechtszustandes, die Fortschritte der Landwirtschaft, die Ent¬
wicklung der Verkehrswege, des Handels u. s. w. mußten den Wert des Monopols
unendlich steigern, bis sich in unsern Tagen eine Reaktion geltend macht, weil
der Druck des Monopols auf die Produktion unerträglich zu werden beginnt,
weil es sich als eine schädliche Fessel der Kulturentwicklung erweist, welche die
Gesellschaft um ihrer Existenz willen abstreifen will. In derselben Weise sind
andre Monopole, die nicht minder durch Verjährung und Gesetz geheiligt waren,
eingeschrumpft oder untergegangen, wie Bann-, Zunft- und Schifffahrtsrechte,
Stlnvenbesitz und andres mehr. Sie sind aus unserm Rechtsleben verschwunden
und haben den Beweis geliefert von der Veränderlichkeit und Hinfälligkeit der
Berechtigung von Monopolen, d. h. von Rechten, welche nicht auf Arbeit, sondern
auf Ausbeute beruhen.

Gegen solche historische Notwendigkeit helfen auch die Schutzzölle nichts,
welche die Agrarier durchgesetzt haben. Sie gestehen selbst ein, daß der Ge-
trcidezoll zwar die Kassen des Staates gefüllt, nicht aber eine Steigerung der
Kornpreise bewirkt habe. Nur wirkliche Prohibitivzölle könnten helfen, d. h. die
unverhüllte Anwendung des monopolistischen Zwanges gegen die der Ausbeute
geweihten Konsumenten. Und dies wagt doch niemand vorzuschlagen.

Die Solidarität der ganzen Welt in wirtschaftlichen Dingen ist eine That¬
sache, eine Errungenschaft unsrer Kultur, welche auch die Agrarier wenigstens
bis zu einem gewissen Punkte anerkennen müssen; sie sehen ein. daß eine Ab-
schließung gegen das Ausland heutzutage eine bare Unmöglichkeit ist.

Betrachten wir die Sache einmal wie ein andres Geschäft. Ein Industrieller,
der nicht Eigentümer seiner Fnbrilräume ist, zahle dafür eine Miete von vier¬
tausend Mark. Er verkaufe sewe Artikel, soviel er davon erzeugen kann, zu den
höchsten Preisen, die überhaupt dafür zu erhalten sind; aber seine Bilanz weist
keinen Nutzen auf, und er begreift, daß sein Geschäft einen Pacht von vier¬
tausend Mark nicht verträgt. Er wird nun suchen einen Nachlaß im Pacht
M erlangen, oder, wenn dies nicht erreichbar ist, wird er ein Geschäft auf¬
geben, bei dem er nicht gedeihen kann. Wenn dieser Industrielle aber Eigen¬
tümer der Fabrikräume ist, die er für hunderttausend Mark erworben hat, so
wird er sich gestehen, daß dieselben zu teuer erworben sind, daß sein Geschäft
sür diesen Zweck keine höhere Belastung als zweitausend Mark jährlich verträgt



Vergl. hierüber Lavelaye, Das Ureigcntum, deutsch von C. Bucher. Leipzig, F. A.
Brockhaus, 1379.
Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

beginnen die auf dem Grund und Boden ruhenden Verpflichtungen zu schwinden,
die Leistungen werden auf Bürger und Bauern abgewälzt, und es wird Steuer¬
freiheit sür den Grund und Boden in Anspruch genommen. Der dem germanischen
Bewußtsein fremde Begriff des römischen Privateigentums wird geltendes Recht.
So ist dies Monopol entstanden.*) Die Zunahme der Bevölkerung, die Befestigung
des allgemeinen Rechtszustandes, die Fortschritte der Landwirtschaft, die Ent¬
wicklung der Verkehrswege, des Handels u. s. w. mußten den Wert des Monopols
unendlich steigern, bis sich in unsern Tagen eine Reaktion geltend macht, weil
der Druck des Monopols auf die Produktion unerträglich zu werden beginnt,
weil es sich als eine schädliche Fessel der Kulturentwicklung erweist, welche die
Gesellschaft um ihrer Existenz willen abstreifen will. In derselben Weise sind
andre Monopole, die nicht minder durch Verjährung und Gesetz geheiligt waren,
eingeschrumpft oder untergegangen, wie Bann-, Zunft- und Schifffahrtsrechte,
Stlnvenbesitz und andres mehr. Sie sind aus unserm Rechtsleben verschwunden
und haben den Beweis geliefert von der Veränderlichkeit und Hinfälligkeit der
Berechtigung von Monopolen, d. h. von Rechten, welche nicht auf Arbeit, sondern
auf Ausbeute beruhen.

Gegen solche historische Notwendigkeit helfen auch die Schutzzölle nichts,
welche die Agrarier durchgesetzt haben. Sie gestehen selbst ein, daß der Ge-
trcidezoll zwar die Kassen des Staates gefüllt, nicht aber eine Steigerung der
Kornpreise bewirkt habe. Nur wirkliche Prohibitivzölle könnten helfen, d. h. die
unverhüllte Anwendung des monopolistischen Zwanges gegen die der Ausbeute
geweihten Konsumenten. Und dies wagt doch niemand vorzuschlagen.

Die Solidarität der ganzen Welt in wirtschaftlichen Dingen ist eine That¬
sache, eine Errungenschaft unsrer Kultur, welche auch die Agrarier wenigstens
bis zu einem gewissen Punkte anerkennen müssen; sie sehen ein. daß eine Ab-
schließung gegen das Ausland heutzutage eine bare Unmöglichkeit ist.

Betrachten wir die Sache einmal wie ein andres Geschäft. Ein Industrieller,
der nicht Eigentümer seiner Fnbrilräume ist, zahle dafür eine Miete von vier¬
tausend Mark. Er verkaufe sewe Artikel, soviel er davon erzeugen kann, zu den
höchsten Preisen, die überhaupt dafür zu erhalten sind; aber seine Bilanz weist
keinen Nutzen auf, und er begreift, daß sein Geschäft einen Pacht von vier¬
tausend Mark nicht verträgt. Er wird nun suchen einen Nachlaß im Pacht
M erlangen, oder, wenn dies nicht erreichbar ist, wird er ein Geschäft auf¬
geben, bei dem er nicht gedeihen kann. Wenn dieser Industrielle aber Eigen¬
tümer der Fabrikräume ist, die er für hunderttausend Mark erworben hat, so
wird er sich gestehen, daß dieselben zu teuer erworben sind, daß sein Geschäft
sür diesen Zweck keine höhere Belastung als zweitausend Mark jährlich verträgt



Vergl. hierüber Lavelaye, Das Ureigcntum, deutsch von C. Bucher. Leipzig, F. A.
Brockhaus, 1379.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0463" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199183"/>
            <fw type="header" place="top"> Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1482" prev="#ID_1481"> beginnen die auf dem Grund und Boden ruhenden Verpflichtungen zu schwinden,<lb/>
die Leistungen werden auf Bürger und Bauern abgewälzt, und es wird Steuer¬<lb/>
freiheit sür den Grund und Boden in Anspruch genommen. Der dem germanischen<lb/>
Bewußtsein fremde Begriff des römischen Privateigentums wird geltendes Recht.<lb/>
So ist dies Monopol entstanden.*) Die Zunahme der Bevölkerung, die Befestigung<lb/>
des allgemeinen Rechtszustandes, die Fortschritte der Landwirtschaft, die Ent¬<lb/>
wicklung der Verkehrswege, des Handels u. s. w. mußten den Wert des Monopols<lb/>
unendlich steigern, bis sich in unsern Tagen eine Reaktion geltend macht, weil<lb/>
der Druck des Monopols auf die Produktion unerträglich zu werden beginnt,<lb/>
weil es sich als eine schädliche Fessel der Kulturentwicklung erweist, welche die<lb/>
Gesellschaft um ihrer Existenz willen abstreifen will. In derselben Weise sind<lb/>
andre Monopole, die nicht minder durch Verjährung und Gesetz geheiligt waren,<lb/>
eingeschrumpft oder untergegangen, wie Bann-, Zunft- und Schifffahrtsrechte,<lb/>
Stlnvenbesitz und andres mehr. Sie sind aus unserm Rechtsleben verschwunden<lb/>
und haben den Beweis geliefert von der Veränderlichkeit und Hinfälligkeit der<lb/>
Berechtigung von Monopolen, d. h. von Rechten, welche nicht auf Arbeit, sondern<lb/>
auf Ausbeute beruhen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1483"> Gegen solche historische Notwendigkeit helfen auch die Schutzzölle nichts,<lb/>
welche die Agrarier durchgesetzt haben. Sie gestehen selbst ein, daß der Ge-<lb/>
trcidezoll zwar die Kassen des Staates gefüllt, nicht aber eine Steigerung der<lb/>
Kornpreise bewirkt habe. Nur wirkliche Prohibitivzölle könnten helfen, d. h. die<lb/>
unverhüllte Anwendung des monopolistischen Zwanges gegen die der Ausbeute<lb/>
geweihten Konsumenten.  Und dies wagt doch niemand vorzuschlagen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1484"> Die Solidarität der ganzen Welt in wirtschaftlichen Dingen ist eine That¬<lb/>
sache, eine Errungenschaft unsrer Kultur, welche auch die Agrarier wenigstens<lb/>
bis zu einem gewissen Punkte anerkennen müssen; sie sehen ein. daß eine Ab-<lb/>
schließung gegen das Ausland heutzutage eine bare Unmöglichkeit ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1485" next="#ID_1486"> Betrachten wir die Sache einmal wie ein andres Geschäft. Ein Industrieller,<lb/>
der nicht Eigentümer seiner Fnbrilräume ist, zahle dafür eine Miete von vier¬<lb/>
tausend Mark. Er verkaufe sewe Artikel, soviel er davon erzeugen kann, zu den<lb/>
höchsten Preisen, die überhaupt dafür zu erhalten sind; aber seine Bilanz weist<lb/>
keinen Nutzen auf, und er begreift, daß sein Geschäft einen Pacht von vier¬<lb/>
tausend Mark nicht verträgt. Er wird nun suchen einen Nachlaß im Pacht<lb/>
M erlangen, oder, wenn dies nicht erreichbar ist, wird er ein Geschäft auf¬<lb/>
geben, bei dem er nicht gedeihen kann. Wenn dieser Industrielle aber Eigen¬<lb/>
tümer der Fabrikräume ist, die er für hunderttausend Mark erworben hat, so<lb/>
wird er sich gestehen, daß dieselben zu teuer erworben sind, daß sein Geschäft<lb/>
sür diesen Zweck keine höhere Belastung als zweitausend Mark jährlich verträgt</p><lb/>
            <note xml:id="FID_60" place="foot"> Vergl. hierüber Lavelaye, Das Ureigcntum, deutsch von C. Bucher. Leipzig, F. A.<lb/>
Brockhaus, 1379.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0463] Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen. beginnen die auf dem Grund und Boden ruhenden Verpflichtungen zu schwinden, die Leistungen werden auf Bürger und Bauern abgewälzt, und es wird Steuer¬ freiheit sür den Grund und Boden in Anspruch genommen. Der dem germanischen Bewußtsein fremde Begriff des römischen Privateigentums wird geltendes Recht. So ist dies Monopol entstanden.*) Die Zunahme der Bevölkerung, die Befestigung des allgemeinen Rechtszustandes, die Fortschritte der Landwirtschaft, die Ent¬ wicklung der Verkehrswege, des Handels u. s. w. mußten den Wert des Monopols unendlich steigern, bis sich in unsern Tagen eine Reaktion geltend macht, weil der Druck des Monopols auf die Produktion unerträglich zu werden beginnt, weil es sich als eine schädliche Fessel der Kulturentwicklung erweist, welche die Gesellschaft um ihrer Existenz willen abstreifen will. In derselben Weise sind andre Monopole, die nicht minder durch Verjährung und Gesetz geheiligt waren, eingeschrumpft oder untergegangen, wie Bann-, Zunft- und Schifffahrtsrechte, Stlnvenbesitz und andres mehr. Sie sind aus unserm Rechtsleben verschwunden und haben den Beweis geliefert von der Veränderlichkeit und Hinfälligkeit der Berechtigung von Monopolen, d. h. von Rechten, welche nicht auf Arbeit, sondern auf Ausbeute beruhen. Gegen solche historische Notwendigkeit helfen auch die Schutzzölle nichts, welche die Agrarier durchgesetzt haben. Sie gestehen selbst ein, daß der Ge- trcidezoll zwar die Kassen des Staates gefüllt, nicht aber eine Steigerung der Kornpreise bewirkt habe. Nur wirkliche Prohibitivzölle könnten helfen, d. h. die unverhüllte Anwendung des monopolistischen Zwanges gegen die der Ausbeute geweihten Konsumenten. Und dies wagt doch niemand vorzuschlagen. Die Solidarität der ganzen Welt in wirtschaftlichen Dingen ist eine That¬ sache, eine Errungenschaft unsrer Kultur, welche auch die Agrarier wenigstens bis zu einem gewissen Punkte anerkennen müssen; sie sehen ein. daß eine Ab- schließung gegen das Ausland heutzutage eine bare Unmöglichkeit ist. Betrachten wir die Sache einmal wie ein andres Geschäft. Ein Industrieller, der nicht Eigentümer seiner Fnbrilräume ist, zahle dafür eine Miete von vier¬ tausend Mark. Er verkaufe sewe Artikel, soviel er davon erzeugen kann, zu den höchsten Preisen, die überhaupt dafür zu erhalten sind; aber seine Bilanz weist keinen Nutzen auf, und er begreift, daß sein Geschäft einen Pacht von vier¬ tausend Mark nicht verträgt. Er wird nun suchen einen Nachlaß im Pacht M erlangen, oder, wenn dies nicht erreichbar ist, wird er ein Geschäft auf¬ geben, bei dem er nicht gedeihen kann. Wenn dieser Industrielle aber Eigen¬ tümer der Fabrikräume ist, die er für hunderttausend Mark erworben hat, so wird er sich gestehen, daß dieselben zu teuer erworben sind, daß sein Geschäft sür diesen Zweck keine höhere Belastung als zweitausend Mark jährlich verträgt Vergl. hierüber Lavelaye, Das Ureigcntum, deutsch von C. Bucher. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1379.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/463
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/463>, abgerufen am 22.07.2024.