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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Nicht mehr, eilf an den Tagen zuvor, ja mich dünkt weniger! antwortete
Trueba. Einzelne indische Krieger und die Veltelmönche von San Antonio allein
prophezeien aller Orten den Triumph Portugals und des Königs. Die Menge
lauscht müßig und stumpf und gafft verwundert drein, als wäre das Ganze
ein Faschingszug! Die Bürger und Edelleute, so viel sich uuter das Volk
mischen, verhehlen ihre Befürchtungen schlecht, auf den Herzen der Meisten liegt
ein Druck. Wenn sie konnten, hielten sie den König noch heute, noch morgen zurück.

Sie vermögen es zum Glück nicht! sagte der Prior ruhig. Die Regent¬
schaft ist eingesetzt, die persönliche Ausrüstung des Königs vollendet, seine gläubige
Zuversicht spottet jedes Hindernisses! Wehe dem, der jetzt noch einen Einspruch
versuchen möchte.

Man erzählt sich unten, daß eine Abordnung der Fidnlgos und des
Stadtrates von Lissabon beim König gewesen sei, ihn um Aufschub der Abfahrt
und des Feldzuges zu bitten, und daß er ihnen zur Antwort erteilt habe, er
werde sie seiner Zeit nach Marokko bescheiden und ihnen dort im kaiserlichen
Palast erwiedern, was ihnen gebühre. Ein paar Dutzend Schreier jauchzten
dem tapfern Königsworte zu, die Meisten blieben auch da stumm und schauten
trübe und besorgt darein. Die alten Weiber, auch solche in Hosen, erzählen sich
von düstern, unheilvollen Anzeichen, andre beten für den König und das Reich
so inbrünstig, als stünden die Mohren vor den Thoren von Lissabon, anstatt
daß unsre Flotte und unser Heer demnächst an ihre Pforten pochen werden.

Verzeiht, Senhor Trneba! unterbrach Fray Vartvlvmeo, einer der Geist¬
lichen, die seither stillschweigend neben dem Prior gestanden hatten, den Rede¬
strom des Kämmerlings, es sind nicht nur furchtsame und zaghafte Gemüter,
welche sich schlimmer Ahnungen nicht erwehren können. Seit Wochen ist des
Königs heidnischer Bundesgenosse, der so lange sein Gast war, Prinz Mulei
Muhamed, nach Afrika übergesetzt; man hat nicht gehört, das; sich seiue
Völker sür ihn erhoben hätten, er streift mit wenigen hundert Reitern zwischen
Küste und Wüste umher. Die tausendmal verheißene spanische Hilfe ist im letzten
Augenblicke ausgeblieben, von den Edelleuten leistet el" Teil nur widerwillig
Heeresfolge und ein andrer entzieht sich ihr ganz, selbst der König, so fest er
auf die Gnade der Himmlischen baut, wird zu Zeiten von Besorgnissen ergriffen.

Gewiß uur, wenn er Leute wie Euch gesprochen hat, Bartolomeo! sagte
der Prior mißmutig. Ziemt es uus, kleingläubiger zu sein als er, der sich
seinen Schutzheiligen ganz vertraut und der es weiß, daß der Unternehmung zu
Gottes Ehre auch Gottes Beistand nicht fehlen wird? Schämt Euch, schämt
Euch, Bruder, daß Ihr am Vorabend des Triumphes noch gezittert habt.

Fray Bartolomeo nahm die Scheltworte Dom Jocios demütig hin, aber
seine bekümmerte Miene verriet, daß er die prahlerisch zur Schau getragene
Zuversicht desselben nicht teile. Er verlor sich still aus dem Zimmer, während
der Prior mit Trueba und Fray Rafael an das geöffnete Fenster zurückkehrte.


Nicht mehr, eilf an den Tagen zuvor, ja mich dünkt weniger! antwortete
Trueba. Einzelne indische Krieger und die Veltelmönche von San Antonio allein
prophezeien aller Orten den Triumph Portugals und des Königs. Die Menge
lauscht müßig und stumpf und gafft verwundert drein, als wäre das Ganze
ein Faschingszug! Die Bürger und Edelleute, so viel sich uuter das Volk
mischen, verhehlen ihre Befürchtungen schlecht, auf den Herzen der Meisten liegt
ein Druck. Wenn sie konnten, hielten sie den König noch heute, noch morgen zurück.

Sie vermögen es zum Glück nicht! sagte der Prior ruhig. Die Regent¬
schaft ist eingesetzt, die persönliche Ausrüstung des Königs vollendet, seine gläubige
Zuversicht spottet jedes Hindernisses! Wehe dem, der jetzt noch einen Einspruch
versuchen möchte.

Man erzählt sich unten, daß eine Abordnung der Fidnlgos und des
Stadtrates von Lissabon beim König gewesen sei, ihn um Aufschub der Abfahrt
und des Feldzuges zu bitten, und daß er ihnen zur Antwort erteilt habe, er
werde sie seiner Zeit nach Marokko bescheiden und ihnen dort im kaiserlichen
Palast erwiedern, was ihnen gebühre. Ein paar Dutzend Schreier jauchzten
dem tapfern Königsworte zu, die Meisten blieben auch da stumm und schauten
trübe und besorgt darein. Die alten Weiber, auch solche in Hosen, erzählen sich
von düstern, unheilvollen Anzeichen, andre beten für den König und das Reich
so inbrünstig, als stünden die Mohren vor den Thoren von Lissabon, anstatt
daß unsre Flotte und unser Heer demnächst an ihre Pforten pochen werden.

Verzeiht, Senhor Trneba! unterbrach Fray Vartvlvmeo, einer der Geist¬
lichen, die seither stillschweigend neben dem Prior gestanden hatten, den Rede¬
strom des Kämmerlings, es sind nicht nur furchtsame und zaghafte Gemüter,
welche sich schlimmer Ahnungen nicht erwehren können. Seit Wochen ist des
Königs heidnischer Bundesgenosse, der so lange sein Gast war, Prinz Mulei
Muhamed, nach Afrika übergesetzt; man hat nicht gehört, das; sich seiue
Völker sür ihn erhoben hätten, er streift mit wenigen hundert Reitern zwischen
Küste und Wüste umher. Die tausendmal verheißene spanische Hilfe ist im letzten
Augenblicke ausgeblieben, von den Edelleuten leistet el» Teil nur widerwillig
Heeresfolge und ein andrer entzieht sich ihr ganz, selbst der König, so fest er
auf die Gnade der Himmlischen baut, wird zu Zeiten von Besorgnissen ergriffen.

Gewiß uur, wenn er Leute wie Euch gesprochen hat, Bartolomeo! sagte
der Prior mißmutig. Ziemt es uus, kleingläubiger zu sein als er, der sich
seinen Schutzheiligen ganz vertraut und der es weiß, daß der Unternehmung zu
Gottes Ehre auch Gottes Beistand nicht fehlen wird? Schämt Euch, schämt
Euch, Bruder, daß Ihr am Vorabend des Triumphes noch gezittert habt.

Fray Bartolomeo nahm die Scheltworte Dom Jocios demütig hin, aber
seine bekümmerte Miene verriet, daß er die prahlerisch zur Schau getragene
Zuversicht desselben nicht teile. Er verlor sich still aus dem Zimmer, während
der Prior mit Trueba und Fray Rafael an das geöffnete Fenster zurückkehrte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/46>, abgerufen am 22.07.2024.