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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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in der Folge. Ich will diese Frage an einer spätern Stelle berühren, wo sie
sich besser einfügt. Für jetzt genügt es, festgestellt zu haben, daß, wenn das
Wirtschaftsergebnis zur Deckung der Betriebskosten des Lebensunterhaltes und
der Bodenrenke ausreicht, die Wirtschaft blühend ist, daß von einem Notstände
erst alsdann die Rede sein kann, wenn das Erträgnis für diese Zwecke nicht
mehr ausreicht, und daß in diesem Falle zu untersuchen ist, welchem Elemente
der Wirtschaft, dem Betriebe, der Lebensweise des Wirtes oder der Bodenrenke,
der Ausfall zur Last fällt.

Was die Betriebskosten im engern Sinne anlangt, so haben wir bereits
gesehen, daß dieselben, abgesehen von dem Wechsel des Erntesegens und be¬
sondrer Ungeschicklichkeit oder Nachlässigkeit des Wirtes, ein feststehendes Rech¬
nungselement bilden, weil alle Einnahme- und Ausgabeposten auf Marktpreisen
beruhen und von dem Willen oder dem Können des Wirtes garnicht oder nur
wenig abhängig sind.

Mit dem zweiten Elemente, dem Lebensunterhalte, verhält es sich ähnlich.
Es giebt, wie bekannt, bei den Lohnarbeitern eine unterste Grenze, unter welche
der Lohn nicht herabsinken soll und auf die Dauer auch nicht sinken kann; diese
Grenze (Lona"ra ot' Mo) wird bezeichnet durch den Bedarf für die einfachste
Existenz der Familie des Arbeiters. Dieser so begrenzte Lohn gehört unzweifel¬
haft bei jedem Geschäfte zu den Produktionskosten, und es fragt sich nur, in
welcher Höhe dieser niedrigste Lohn im einzelnen Falle zu bestimmen sei. Bei
dem Lohnarbeiter wird die richtige Höhe sehr häufig nicht erreicht, weil der
Arbeitgeber übersieht oder nicht beachten will, daß er außer für die tägliche
Arbeitsleistung auch für die Aufbrauchung der Kraft seines Arbeiters mit dem¬
selben Grunde auszukommen hat, wie für den Verbrauch seiner Werkzeuge und
Maschinen, d. h. daß er dem Lohne etwas zuzufügen hat, was die Existenz des
Arbeiters sichert, wenn dessen Arbeitskraft verbraucht ist. Es ist einleuchtend,
daß dies alles auch sür die landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter gilt; allein von
diesen spreche ich an dieser Stelle nicht, sondern von den Landwirten selbst, von
den Unternehmern. ^

Auch bei ihnen verhält es sich ähnlich. Es muß als Grundsatz gelten,
daß der Betrieb den niedrigsten, oder sagen wir einen angemessenen Lebens¬
unterhalt des Wirtes und seiner Familie als einen Teil der Produktionskosten
liefern muß. Auch hier ist die Frage: Was heißt angemessen? Es ist ein¬
leuchtend, daß der Besitzer eines nach Tausenden von Morgen zählenden Gutes
die Betriebsrechnuug für seinen Lebensunterhalt mit einer höhern Summe be¬
lasten darf als ein kleiner, wenn auch ebenso hochgestellter Besitzer. Die unterste
Grenze wird ein Gut von so vielen oder so wenigen Hektaren bilden, als er¬
forderlich sind, eine Familie, die selbst wirtschaftet und selbst Hand anlegt und
in bäuerlichen Stande lebt, zu erhalten. Für die höhern Stufen ist die Ent¬
scheidung im einzelnen Falle schwieriger und im allgemeinen vielleicht unmöglich.


in der Folge. Ich will diese Frage an einer spätern Stelle berühren, wo sie
sich besser einfügt. Für jetzt genügt es, festgestellt zu haben, daß, wenn das
Wirtschaftsergebnis zur Deckung der Betriebskosten des Lebensunterhaltes und
der Bodenrenke ausreicht, die Wirtschaft blühend ist, daß von einem Notstände
erst alsdann die Rede sein kann, wenn das Erträgnis für diese Zwecke nicht
mehr ausreicht, und daß in diesem Falle zu untersuchen ist, welchem Elemente
der Wirtschaft, dem Betriebe, der Lebensweise des Wirtes oder der Bodenrenke,
der Ausfall zur Last fällt.

Was die Betriebskosten im engern Sinne anlangt, so haben wir bereits
gesehen, daß dieselben, abgesehen von dem Wechsel des Erntesegens und be¬
sondrer Ungeschicklichkeit oder Nachlässigkeit des Wirtes, ein feststehendes Rech¬
nungselement bilden, weil alle Einnahme- und Ausgabeposten auf Marktpreisen
beruhen und von dem Willen oder dem Können des Wirtes garnicht oder nur
wenig abhängig sind.

Mit dem zweiten Elemente, dem Lebensunterhalte, verhält es sich ähnlich.
Es giebt, wie bekannt, bei den Lohnarbeitern eine unterste Grenze, unter welche
der Lohn nicht herabsinken soll und auf die Dauer auch nicht sinken kann; diese
Grenze (Lona»ra ot' Mo) wird bezeichnet durch den Bedarf für die einfachste
Existenz der Familie des Arbeiters. Dieser so begrenzte Lohn gehört unzweifel¬
haft bei jedem Geschäfte zu den Produktionskosten, und es fragt sich nur, in
welcher Höhe dieser niedrigste Lohn im einzelnen Falle zu bestimmen sei. Bei
dem Lohnarbeiter wird die richtige Höhe sehr häufig nicht erreicht, weil der
Arbeitgeber übersieht oder nicht beachten will, daß er außer für die tägliche
Arbeitsleistung auch für die Aufbrauchung der Kraft seines Arbeiters mit dem¬
selben Grunde auszukommen hat, wie für den Verbrauch seiner Werkzeuge und
Maschinen, d. h. daß er dem Lohne etwas zuzufügen hat, was die Existenz des
Arbeiters sichert, wenn dessen Arbeitskraft verbraucht ist. Es ist einleuchtend,
daß dies alles auch sür die landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter gilt; allein von
diesen spreche ich an dieser Stelle nicht, sondern von den Landwirten selbst, von
den Unternehmern. ^

Auch bei ihnen verhält es sich ähnlich. Es muß als Grundsatz gelten,
daß der Betrieb den niedrigsten, oder sagen wir einen angemessenen Lebens¬
unterhalt des Wirtes und seiner Familie als einen Teil der Produktionskosten
liefern muß. Auch hier ist die Frage: Was heißt angemessen? Es ist ein¬
leuchtend, daß der Besitzer eines nach Tausenden von Morgen zählenden Gutes
die Betriebsrechnuug für seinen Lebensunterhalt mit einer höhern Summe be¬
lasten darf als ein kleiner, wenn auch ebenso hochgestellter Besitzer. Die unterste
Grenze wird ein Gut von so vielen oder so wenigen Hektaren bilden, als er¬
forderlich sind, eine Familie, die selbst wirtschaftet und selbst Hand anlegt und
in bäuerlichen Stande lebt, zu erhalten. Für die höhern Stufen ist die Ent¬
scheidung im einzelnen Falle schwieriger und im allgemeinen vielleicht unmöglich.


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[0453] in der Folge. Ich will diese Frage an einer spätern Stelle berühren, wo sie sich besser einfügt. Für jetzt genügt es, festgestellt zu haben, daß, wenn das Wirtschaftsergebnis zur Deckung der Betriebskosten des Lebensunterhaltes und der Bodenrenke ausreicht, die Wirtschaft blühend ist, daß von einem Notstände erst alsdann die Rede sein kann, wenn das Erträgnis für diese Zwecke nicht mehr ausreicht, und daß in diesem Falle zu untersuchen ist, welchem Elemente der Wirtschaft, dem Betriebe, der Lebensweise des Wirtes oder der Bodenrenke, der Ausfall zur Last fällt. Was die Betriebskosten im engern Sinne anlangt, so haben wir bereits gesehen, daß dieselben, abgesehen von dem Wechsel des Erntesegens und be¬ sondrer Ungeschicklichkeit oder Nachlässigkeit des Wirtes, ein feststehendes Rech¬ nungselement bilden, weil alle Einnahme- und Ausgabeposten auf Marktpreisen beruhen und von dem Willen oder dem Können des Wirtes garnicht oder nur wenig abhängig sind. Mit dem zweiten Elemente, dem Lebensunterhalte, verhält es sich ähnlich. Es giebt, wie bekannt, bei den Lohnarbeitern eine unterste Grenze, unter welche der Lohn nicht herabsinken soll und auf die Dauer auch nicht sinken kann; diese Grenze (Lona»ra ot' Mo) wird bezeichnet durch den Bedarf für die einfachste Existenz der Familie des Arbeiters. Dieser so begrenzte Lohn gehört unzweifel¬ haft bei jedem Geschäfte zu den Produktionskosten, und es fragt sich nur, in welcher Höhe dieser niedrigste Lohn im einzelnen Falle zu bestimmen sei. Bei dem Lohnarbeiter wird die richtige Höhe sehr häufig nicht erreicht, weil der Arbeitgeber übersieht oder nicht beachten will, daß er außer für die tägliche Arbeitsleistung auch für die Aufbrauchung der Kraft seines Arbeiters mit dem¬ selben Grunde auszukommen hat, wie für den Verbrauch seiner Werkzeuge und Maschinen, d. h. daß er dem Lohne etwas zuzufügen hat, was die Existenz des Arbeiters sichert, wenn dessen Arbeitskraft verbraucht ist. Es ist einleuchtend, daß dies alles auch sür die landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter gilt; allein von diesen spreche ich an dieser Stelle nicht, sondern von den Landwirten selbst, von den Unternehmern. ^ Auch bei ihnen verhält es sich ähnlich. Es muß als Grundsatz gelten, daß der Betrieb den niedrigsten, oder sagen wir einen angemessenen Lebens¬ unterhalt des Wirtes und seiner Familie als einen Teil der Produktionskosten liefern muß. Auch hier ist die Frage: Was heißt angemessen? Es ist ein¬ leuchtend, daß der Besitzer eines nach Tausenden von Morgen zählenden Gutes die Betriebsrechnuug für seinen Lebensunterhalt mit einer höhern Summe be¬ lasten darf als ein kleiner, wenn auch ebenso hochgestellter Besitzer. Die unterste Grenze wird ein Gut von so vielen oder so wenigen Hektaren bilden, als er¬ forderlich sind, eine Familie, die selbst wirtschaftet und selbst Hand anlegt und in bäuerlichen Stande lebt, zu erhalten. Für die höhern Stufen ist die Ent¬ scheidung im einzelnen Falle schwieriger und im allgemeinen vielleicht unmöglich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/453>, abgerufen am 23.07.2024.