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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Ein zukünftiger Kriegsschauplatz.

gesteckt werden können, und, da der Winter hart auftreten kann, mit BcisckMs
und Halbpelzen zu versehen sein. Polen und Lithauen sind zwar großenteils
reich an Getreide und Vieh. Doch kaun bei der beträchtlichen Entfernung vieler
Orte von einander und bei der ungleichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Be¬
zirke auf eine Ernährung der Soldaten durch unmittelbare Requisitionen nicht
überall gerechnet werden. Dieselben müssen also reichlich mit Lebensmitteln aus¬
gestattet werden, und diese Vorräte sind rechtzeitig zu ergänzen, was nur bei
sorgfältiger Sicherung der rückwärtigen Verbindungen, schneller Bildung großer
Magazine und umsichtiger Ausnutzung des Landes ans dem Verwaltungswege
zu ermöglichen sein wird. Die Beamten der Heeresverwaltung müssen das spe¬
zielle Kriegstheater nicht bloß nach seineu Erzeugnissen, sonder" auch nach deren
Sammelpunkten, Märkten, Mühlen und Fabriken gründlich studiren und sich
mit dem Charakter der Bevölkerung sowie mit den Geschäftsbranchen derselben
bekannt machen. Sie dürfen z. B. bei der Beschaffung von Bedürfnissen nicht
außer Acht lassen, daß der jüdische Faktor hier der schnellste und sicherste Ver¬
mittler ist. Es empfiehlt sich, die Truppen mit Zwieback zu versehen, da Brot
ihnen bei den schlechten Wegen vieler Gegenden erst spät und in verdorbenem
Zustande zugeführt werden könnte. Bei dem ungesunden Trinkwasser in den
zahlreichen Flußthälern und den weiten Sumpfniederungen müssen die Soldaten
Filter bekommen und angehalten werden, ihren Durst mit Kaffee oder Thee zu
stillen. Letzterer ist jenseits unsrer Ostgrenze Volksgetränk und bewährt sich zu
jeder Jahres- und Tageszeit. Er sollte aber in gepreßtem Zustande (Theesteiue)
mitgeführt werden. Am günstigsten wird sich die Verpflegung der Pferde stellen,
da Hafer und Heu auf dem Lande allenthalben reichlich zu haben sind, na¬
mentlich bald nach der Ernte. Sehr notwendig ist die Ausstattung der ope-
rirenden Feldarmee mit zahlreichen und leichten Fuhrwerken. Die Bataillone
und Schwadronen müssen imstande sein, Mundvorräte für drei bis acht Tage
bei sich zu führen und außerdem für deren Ergänzung aus den Magazinen
zu sorgen. Zwei Lebensmittelwagen beim Bataillon haben anderwärts genügt,
bei einem Feldzuge in Polen und Westrußland werden sie vermutlich nicht ganz
ausreichen. Wesentliches Erfordernis für alle Fahrzeuge, welche der Feldarmee
über die Ostgrenze folgen sollen, ist leichte Beweglichkeit. Die schwerfälligen
vierspännigen Kastenwagen alter Bauart, welche sich noch unter den Beständen
unsrer Trains finden, würden in Polen keinen Feldzug durchmachen, sondern
in den Kvtlachen des Landes stecken bleiben. Überall, wo die Truppen die
Chausseen und andre Kunststraßen verlassen und halb oder ganz natürliche Wege,
Post- und Landstraßen sowie Kommnnalverbindungswegc einschlagen müssen, haben
sie zu erwarten, daß sich ihnen Schwierigkeiten in den Weg stellen. Die Größe
derselben aber hängt von der Vodenbeschaffenheit, der Jahreszeit und dem Wetter
ab. sandiger Boden, sogenannter Mahlsand, ist nur unbequem, er hemmt das
rasche Fortkommen und ermüdet Menschen und Pferde, hält den Marsch aber


Ein zukünftiger Kriegsschauplatz.

gesteckt werden können, und, da der Winter hart auftreten kann, mit BcisckMs
und Halbpelzen zu versehen sein. Polen und Lithauen sind zwar großenteils
reich an Getreide und Vieh. Doch kaun bei der beträchtlichen Entfernung vieler
Orte von einander und bei der ungleichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Be¬
zirke auf eine Ernährung der Soldaten durch unmittelbare Requisitionen nicht
überall gerechnet werden. Dieselben müssen also reichlich mit Lebensmitteln aus¬
gestattet werden, und diese Vorräte sind rechtzeitig zu ergänzen, was nur bei
sorgfältiger Sicherung der rückwärtigen Verbindungen, schneller Bildung großer
Magazine und umsichtiger Ausnutzung des Landes ans dem Verwaltungswege
zu ermöglichen sein wird. Die Beamten der Heeresverwaltung müssen das spe¬
zielle Kriegstheater nicht bloß nach seineu Erzeugnissen, sonder» auch nach deren
Sammelpunkten, Märkten, Mühlen und Fabriken gründlich studiren und sich
mit dem Charakter der Bevölkerung sowie mit den Geschäftsbranchen derselben
bekannt machen. Sie dürfen z. B. bei der Beschaffung von Bedürfnissen nicht
außer Acht lassen, daß der jüdische Faktor hier der schnellste und sicherste Ver¬
mittler ist. Es empfiehlt sich, die Truppen mit Zwieback zu versehen, da Brot
ihnen bei den schlechten Wegen vieler Gegenden erst spät und in verdorbenem
Zustande zugeführt werden könnte. Bei dem ungesunden Trinkwasser in den
zahlreichen Flußthälern und den weiten Sumpfniederungen müssen die Soldaten
Filter bekommen und angehalten werden, ihren Durst mit Kaffee oder Thee zu
stillen. Letzterer ist jenseits unsrer Ostgrenze Volksgetränk und bewährt sich zu
jeder Jahres- und Tageszeit. Er sollte aber in gepreßtem Zustande (Theesteiue)
mitgeführt werden. Am günstigsten wird sich die Verpflegung der Pferde stellen,
da Hafer und Heu auf dem Lande allenthalben reichlich zu haben sind, na¬
mentlich bald nach der Ernte. Sehr notwendig ist die Ausstattung der ope-
rirenden Feldarmee mit zahlreichen und leichten Fuhrwerken. Die Bataillone
und Schwadronen müssen imstande sein, Mundvorräte für drei bis acht Tage
bei sich zu führen und außerdem für deren Ergänzung aus den Magazinen
zu sorgen. Zwei Lebensmittelwagen beim Bataillon haben anderwärts genügt,
bei einem Feldzuge in Polen und Westrußland werden sie vermutlich nicht ganz
ausreichen. Wesentliches Erfordernis für alle Fahrzeuge, welche der Feldarmee
über die Ostgrenze folgen sollen, ist leichte Beweglichkeit. Die schwerfälligen
vierspännigen Kastenwagen alter Bauart, welche sich noch unter den Beständen
unsrer Trains finden, würden in Polen keinen Feldzug durchmachen, sondern
in den Kvtlachen des Landes stecken bleiben. Überall, wo die Truppen die
Chausseen und andre Kunststraßen verlassen und halb oder ganz natürliche Wege,
Post- und Landstraßen sowie Kommnnalverbindungswegc einschlagen müssen, haben
sie zu erwarten, daß sich ihnen Schwierigkeiten in den Weg stellen. Die Größe
derselben aber hängt von der Vodenbeschaffenheit, der Jahreszeit und dem Wetter
ab. sandiger Boden, sogenannter Mahlsand, ist nur unbequem, er hemmt das
rasche Fortkommen und ermüdet Menschen und Pferde, hält den Marsch aber


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[0444] Ein zukünftiger Kriegsschauplatz. gesteckt werden können, und, da der Winter hart auftreten kann, mit BcisckMs und Halbpelzen zu versehen sein. Polen und Lithauen sind zwar großenteils reich an Getreide und Vieh. Doch kaun bei der beträchtlichen Entfernung vieler Orte von einander und bei der ungleichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Be¬ zirke auf eine Ernährung der Soldaten durch unmittelbare Requisitionen nicht überall gerechnet werden. Dieselben müssen also reichlich mit Lebensmitteln aus¬ gestattet werden, und diese Vorräte sind rechtzeitig zu ergänzen, was nur bei sorgfältiger Sicherung der rückwärtigen Verbindungen, schneller Bildung großer Magazine und umsichtiger Ausnutzung des Landes ans dem Verwaltungswege zu ermöglichen sein wird. Die Beamten der Heeresverwaltung müssen das spe¬ zielle Kriegstheater nicht bloß nach seineu Erzeugnissen, sonder» auch nach deren Sammelpunkten, Märkten, Mühlen und Fabriken gründlich studiren und sich mit dem Charakter der Bevölkerung sowie mit den Geschäftsbranchen derselben bekannt machen. Sie dürfen z. B. bei der Beschaffung von Bedürfnissen nicht außer Acht lassen, daß der jüdische Faktor hier der schnellste und sicherste Ver¬ mittler ist. Es empfiehlt sich, die Truppen mit Zwieback zu versehen, da Brot ihnen bei den schlechten Wegen vieler Gegenden erst spät und in verdorbenem Zustande zugeführt werden könnte. Bei dem ungesunden Trinkwasser in den zahlreichen Flußthälern und den weiten Sumpfniederungen müssen die Soldaten Filter bekommen und angehalten werden, ihren Durst mit Kaffee oder Thee zu stillen. Letzterer ist jenseits unsrer Ostgrenze Volksgetränk und bewährt sich zu jeder Jahres- und Tageszeit. Er sollte aber in gepreßtem Zustande (Theesteiue) mitgeführt werden. Am günstigsten wird sich die Verpflegung der Pferde stellen, da Hafer und Heu auf dem Lande allenthalben reichlich zu haben sind, na¬ mentlich bald nach der Ernte. Sehr notwendig ist die Ausstattung der ope- rirenden Feldarmee mit zahlreichen und leichten Fuhrwerken. Die Bataillone und Schwadronen müssen imstande sein, Mundvorräte für drei bis acht Tage bei sich zu führen und außerdem für deren Ergänzung aus den Magazinen zu sorgen. Zwei Lebensmittelwagen beim Bataillon haben anderwärts genügt, bei einem Feldzuge in Polen und Westrußland werden sie vermutlich nicht ganz ausreichen. Wesentliches Erfordernis für alle Fahrzeuge, welche der Feldarmee über die Ostgrenze folgen sollen, ist leichte Beweglichkeit. Die schwerfälligen vierspännigen Kastenwagen alter Bauart, welche sich noch unter den Beständen unsrer Trains finden, würden in Polen keinen Feldzug durchmachen, sondern in den Kvtlachen des Landes stecken bleiben. Überall, wo die Truppen die Chausseen und andre Kunststraßen verlassen und halb oder ganz natürliche Wege, Post- und Landstraßen sowie Kommnnalverbindungswegc einschlagen müssen, haben sie zu erwarten, daß sich ihnen Schwierigkeiten in den Weg stellen. Die Größe derselben aber hängt von der Vodenbeschaffenheit, der Jahreszeit und dem Wetter ab. sandiger Boden, sogenannter Mahlsand, ist nur unbequem, er hemmt das rasche Fortkommen und ermüdet Menschen und Pferde, hält den Marsch aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/444>, abgerufen am 22.07.2024.