Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

Bald erschien auch Georg, der eben mit dem Inspektor gesprochen hatte,
und erzählte, daß es hinter Rummelshausen noch weit stärker geschneit haben
sollte als hier.

Ich werde meinen Besuch bei dem Oberförster Dusele in Nübesheim mit
dem Schlitten machen können.

Ich sehe nicht ein, warum du deine geliebten Duselcs gerade heute besuchen
mußt, meinte Cäcilie ärgerlich.

Hast du einen Grund dagegen?

Du bist ja dein eigner Herr.

Georg war ihrer Meinung und erhob sich bald darauf, um noch einige
Arbeiten zu erledigen.

Der Herr Baron geriet in ein trauriges Erstaunen, begann Trakelberg,
ja ich darf wohl sagen, in ein ernstes Bedauern, als er durch mich vernahm,
mit welch wunderbaren Aufregungen wir schon in aller Frühe heimgesucht
worden sind. Er --

Alterirte sich natürlich, unterbrach ihn Cäcilie. Derartiges ist bei uns
allerdings seit Jahren nicht vorgekommen.

Bohemund fuhr auf. Liebe Schwester, du thust ja wirklich, als ob Therese
das Kind aufs Eis geschickt hätte.

Cäcilie, die vor ihres ältesten Bruders bekannter Heftigkeit ans der Hut
war, begnügte sich damit, etwas unverständliches vor sich hinzumurmcln; aber
der armen Therese bischen Selbstbeherrschung war wieder einmal erschöpft. Sie
erhob sich, trotz der drohenden Wolken auf der Stirne ihres Gatten, und er¬
klärte, sie wolle jetzt nach der kleinen Mathilde sehen; führte, auch ohne eine
Entgegnung abzuwarten, diesen Vorsatz aus.

Nun sitzt sie den ganzen Tag bei dem Kinde, seufzte der Hofmarschall,
und ängstigt sich, wenn ein Schnupfenfieber eintritt.

Und ich muß sagen, meinte Cäcilie, die Minna versteht sich ausgezeichnet
auf das Krankenpfleger. Therme könnte sich ruhig auf sie verlassen.
--

Das Gefühl einer Mutter jedoch begann Trakelberg.

Ohne jedoch auf ihn zu hören, sagte der Hofmarschall: Therese sah doch
sehr angegriffen aus. Wir müssen etwas vornehmen, um sie zu erheitern, Cäcilie.

Wie wäre es mit einer Schlittenfahrt nach Nummclshausen? sagte die
Schwester.

Herr Trakelberg aber gelangte zu der Ansicht, er sei gekränkt worden, und
stand mit Würde auf. Die Geschwister freilich schrieben sein Fortgehen nur der
Ursache zu, daß der Unterricht jetzt beginnen solle.

Wenn nur Georg nicht gerade bei dem verrückten Oberförster zu thun
Hütte, fuhr Cäcilie fort. Da braucht er den Schlitten selbst.

Weißt du was? rief Bohemund, Georg kann sie mitnehmen. Die Fahrt
durch die frische Luft thut ihr besser als das Sitzen im Krankenzimmer.


Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

Bald erschien auch Georg, der eben mit dem Inspektor gesprochen hatte,
und erzählte, daß es hinter Rummelshausen noch weit stärker geschneit haben
sollte als hier.

Ich werde meinen Besuch bei dem Oberförster Dusele in Nübesheim mit
dem Schlitten machen können.

Ich sehe nicht ein, warum du deine geliebten Duselcs gerade heute besuchen
mußt, meinte Cäcilie ärgerlich.

Hast du einen Grund dagegen?

Du bist ja dein eigner Herr.

Georg war ihrer Meinung und erhob sich bald darauf, um noch einige
Arbeiten zu erledigen.

Der Herr Baron geriet in ein trauriges Erstaunen, begann Trakelberg,
ja ich darf wohl sagen, in ein ernstes Bedauern, als er durch mich vernahm,
mit welch wunderbaren Aufregungen wir schon in aller Frühe heimgesucht
worden sind. Er —

Alterirte sich natürlich, unterbrach ihn Cäcilie. Derartiges ist bei uns
allerdings seit Jahren nicht vorgekommen.

Bohemund fuhr auf. Liebe Schwester, du thust ja wirklich, als ob Therese
das Kind aufs Eis geschickt hätte.

Cäcilie, die vor ihres ältesten Bruders bekannter Heftigkeit ans der Hut
war, begnügte sich damit, etwas unverständliches vor sich hinzumurmcln; aber
der armen Therese bischen Selbstbeherrschung war wieder einmal erschöpft. Sie
erhob sich, trotz der drohenden Wolken auf der Stirne ihres Gatten, und er¬
klärte, sie wolle jetzt nach der kleinen Mathilde sehen; führte, auch ohne eine
Entgegnung abzuwarten, diesen Vorsatz aus.

Nun sitzt sie den ganzen Tag bei dem Kinde, seufzte der Hofmarschall,
und ängstigt sich, wenn ein Schnupfenfieber eintritt.

Und ich muß sagen, meinte Cäcilie, die Minna versteht sich ausgezeichnet
auf das Krankenpfleger. Therme könnte sich ruhig auf sie verlassen.

Das Gefühl einer Mutter jedoch begann Trakelberg.

Ohne jedoch auf ihn zu hören, sagte der Hofmarschall: Therese sah doch
sehr angegriffen aus. Wir müssen etwas vornehmen, um sie zu erheitern, Cäcilie.

Wie wäre es mit einer Schlittenfahrt nach Nummclshausen? sagte die
Schwester.

Herr Trakelberg aber gelangte zu der Ansicht, er sei gekränkt worden, und
stand mit Würde auf. Die Geschwister freilich schrieben sein Fortgehen nur der
Ursache zu, daß der Unterricht jetzt beginnen solle.

Wenn nur Georg nicht gerade bei dem verrückten Oberförster zu thun
Hütte, fuhr Cäcilie fort. Da braucht er den Schlitten selbst.

Weißt du was? rief Bohemund, Georg kann sie mitnehmen. Die Fahrt
durch die frische Luft thut ihr besser als das Sitzen im Krankenzimmer.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199149"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1289"> Bald erschien auch Georg, der eben mit dem Inspektor gesprochen hatte,<lb/>
und erzählte, daß es hinter Rummelshausen noch weit stärker geschneit haben<lb/>
sollte als hier.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1290"> Ich werde meinen Besuch bei dem Oberförster Dusele in Nübesheim mit<lb/>
dem Schlitten machen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1291"> Ich sehe nicht ein, warum du deine geliebten Duselcs gerade heute besuchen<lb/>
mußt, meinte Cäcilie ärgerlich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1292"> Hast du einen Grund dagegen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1293"> Du bist ja dein eigner Herr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1294"> Georg war ihrer Meinung und erhob sich bald darauf, um noch einige<lb/>
Arbeiten zu erledigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1295"> Der Herr Baron geriet in ein trauriges Erstaunen, begann Trakelberg,<lb/>
ja ich darf wohl sagen, in ein ernstes Bedauern, als er durch mich vernahm,<lb/>
mit welch wunderbaren Aufregungen wir schon in aller Frühe heimgesucht<lb/>
worden sind.  Er &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1296"> Alterirte sich natürlich, unterbrach ihn Cäcilie. Derartiges ist bei uns<lb/>
allerdings seit Jahren nicht vorgekommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1297"> Bohemund fuhr auf. Liebe Schwester, du thust ja wirklich, als ob Therese<lb/>
das Kind aufs Eis geschickt hätte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1298"> Cäcilie, die vor ihres ältesten Bruders bekannter Heftigkeit ans der Hut<lb/>
war, begnügte sich damit, etwas unverständliches vor sich hinzumurmcln; aber<lb/>
der armen Therese bischen Selbstbeherrschung war wieder einmal erschöpft. Sie<lb/>
erhob sich, trotz der drohenden Wolken auf der Stirne ihres Gatten, und er¬<lb/>
klärte, sie wolle jetzt nach der kleinen Mathilde sehen; führte, auch ohne eine<lb/>
Entgegnung abzuwarten, diesen Vorsatz aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1299"> Nun sitzt sie den ganzen Tag bei dem Kinde, seufzte der Hofmarschall,<lb/>
und ängstigt sich, wenn ein Schnupfenfieber eintritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1300"> Und ich muß sagen, meinte Cäcilie, die Minna versteht sich ausgezeichnet<lb/>
auf das Krankenpfleger.  Therme könnte sich ruhig auf sie verlassen.<lb/>
&#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1301"> Das Gefühl einer Mutter jedoch begann Trakelberg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1302"> Ohne jedoch auf ihn zu hören, sagte der Hofmarschall: Therese sah doch<lb/>
sehr angegriffen aus. Wir müssen etwas vornehmen, um sie zu erheitern, Cäcilie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1303"> Wie wäre es mit einer Schlittenfahrt nach Nummclshausen? sagte die<lb/>
Schwester.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1304"> Herr Trakelberg aber gelangte zu der Ansicht, er sei gekränkt worden, und<lb/>
stand mit Würde auf. Die Geschwister freilich schrieben sein Fortgehen nur der<lb/>
Ursache zu, daß der Unterricht jetzt beginnen solle.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1305"> Wenn nur Georg nicht gerade bei dem verrückten Oberförster zu thun<lb/>
Hütte, fuhr Cäcilie fort.  Da braucht er den Schlitten selbst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1306"> Weißt du was? rief Bohemund, Georg kann sie mitnehmen. Die Fahrt<lb/>
durch die frische Luft thut ihr besser als das Sitzen im Krankenzimmer.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0429] Aus der Lhronik derer von Riffelshausen. Bald erschien auch Georg, der eben mit dem Inspektor gesprochen hatte, und erzählte, daß es hinter Rummelshausen noch weit stärker geschneit haben sollte als hier. Ich werde meinen Besuch bei dem Oberförster Dusele in Nübesheim mit dem Schlitten machen können. Ich sehe nicht ein, warum du deine geliebten Duselcs gerade heute besuchen mußt, meinte Cäcilie ärgerlich. Hast du einen Grund dagegen? Du bist ja dein eigner Herr. Georg war ihrer Meinung und erhob sich bald darauf, um noch einige Arbeiten zu erledigen. Der Herr Baron geriet in ein trauriges Erstaunen, begann Trakelberg, ja ich darf wohl sagen, in ein ernstes Bedauern, als er durch mich vernahm, mit welch wunderbaren Aufregungen wir schon in aller Frühe heimgesucht worden sind. Er — Alterirte sich natürlich, unterbrach ihn Cäcilie. Derartiges ist bei uns allerdings seit Jahren nicht vorgekommen. Bohemund fuhr auf. Liebe Schwester, du thust ja wirklich, als ob Therese das Kind aufs Eis geschickt hätte. Cäcilie, die vor ihres ältesten Bruders bekannter Heftigkeit ans der Hut war, begnügte sich damit, etwas unverständliches vor sich hinzumurmcln; aber der armen Therese bischen Selbstbeherrschung war wieder einmal erschöpft. Sie erhob sich, trotz der drohenden Wolken auf der Stirne ihres Gatten, und er¬ klärte, sie wolle jetzt nach der kleinen Mathilde sehen; führte, auch ohne eine Entgegnung abzuwarten, diesen Vorsatz aus. Nun sitzt sie den ganzen Tag bei dem Kinde, seufzte der Hofmarschall, und ängstigt sich, wenn ein Schnupfenfieber eintritt. Und ich muß sagen, meinte Cäcilie, die Minna versteht sich ausgezeichnet auf das Krankenpfleger. Therme könnte sich ruhig auf sie verlassen. — Das Gefühl einer Mutter jedoch begann Trakelberg. Ohne jedoch auf ihn zu hören, sagte der Hofmarschall: Therese sah doch sehr angegriffen aus. Wir müssen etwas vornehmen, um sie zu erheitern, Cäcilie. Wie wäre es mit einer Schlittenfahrt nach Nummclshausen? sagte die Schwester. Herr Trakelberg aber gelangte zu der Ansicht, er sei gekränkt worden, und stand mit Würde auf. Die Geschwister freilich schrieben sein Fortgehen nur der Ursache zu, daß der Unterricht jetzt beginnen solle. Wenn nur Georg nicht gerade bei dem verrückten Oberförster zu thun Hütte, fuhr Cäcilie fort. Da braucht er den Schlitten selbst. Weißt du was? rief Bohemund, Georg kann sie mitnehmen. Die Fahrt durch die frische Luft thut ihr besser als das Sitzen im Krankenzimmer.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/429
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/429>, abgerufen am 22.07.2024.