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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Neuhebrideu-Frage.

den Neuhebridcn eine Anzahl Arbeiter, lind von diesen seien einige von den
dortigen Wilden ermordet worden. Die übrigen hätten die Gesellschaft auf¬
gefordert, entweder für ihre Sicherheit zu sorgen oder sie fortzuschaffen. Auf
Ansuchen des Gouverneurs von Neukaledonien hätte man zwei Kriegsschiffe mit
Truppen an den Punkt gesandt, wo sich die Arbeiter befänden, und es wäre
möglich, daß dort ein temporärer Posten errichtet mürbe, der bis zur Wieder¬
herstellung der Ruhe verbliebe, doch würde diese Maßregel keine politische Be¬
deutung haben. Es handle sich dabei überhaupt nicht um die Besetzung der
Neuhebridcn oder um irgend etwas, wodurch die von Frankreich gegen Gro߬
britannien eingegangnen Verpflichtungen verletzt werden konnten. Am 14. Juni,
so berichtete der Uuterstaatssckretär dem Unterhause weiter, hätte Lord Lyons
Herrn von Freycinet abermals besucht und ihm Vorstellungen über die Auf¬
regung gemacht, welche die bloße Anwesenheit französischer Truppen auf den
Nenhebridcn in England sowie in Anstralien zu verursachen geeignet sei, und
Herr von Freycinet hätte darauf in bestimmtester Weise seine Versicherung
wiederholt, daß Frankreich keine Pläne habe, welche die politische Verfassung jener
Inselgruppe berühren würden, daß es dieselbe nicht zu besetzen gedenke, vielmehr
sich an das England gegebene Versprechen gebunden halte, deren Unabhängigkeit
zu achten. Er wisse nicht, ob Truppen dort gelandet seien; sollte dies der Fall
sein, so würden sie sofort zurückgezogen werden, wenn der Notfall vorüber sei.

Genauer und teilweise anders lautete die Darstellung der Sache, welche
bald darauf die offiziöse ^gMvo Lltvas brachte. Man las da: "Ein diplo¬
matisches Übereinkommen zwischen Frankreich und England sichert jenen Inseln
die Unabhängigkeit. Laut demselben sind die französischen und englischen Staats¬
angehörigen berechtigt, sich auf deu Neuhebridcn zur Betreibung von Geschäften
niederzulassen. Vom Gouverneur Neukaledvniens find mit den Häuptlingen der
Kanälen Verträge abgeschlossen, von letztern aber nicht gehalten worden. Die
Wilden haben Gewaltthaten verübt, und mehrere Franzosen, Angehörige einer
Gesellschaft, ermordet. Jede Sicherheit war dahin, wenn Frankreich die Mörder
nicht rasch züchtigte. Zu diesem Zwecke sind die Dampfer Magellan und Dioch
nach deu Neuhebriden gefahren und haben bei Matako Kompagnien von Marine¬
infanterie gelandet. Die Geniesvldaten haben auf dem Hügel, welcher die Ebne
mit den industriellen Niederlassungen bis zum Waldsäume beherrscht, eine Art
Blockhaus errichtet. Dieses kleine, übrigens nnr provisorische Fort wird ge¬
nügen, unsre Landsleute und ebenso die dortigen Engländer, wenn sie bedroht
werden, zu schlitzen. Natürlich weht über dem Fort unsre Flagge, wie überall,
wo wir Truppen haben. Wie lange wird diese Besetzung dauern? Alles wird
von deu Ereignissen und von den Berichten abhängen, die man dem Gouverneur
von Neukaledonien erstatten wird, welchen: besondre Weisungen zugegangen sind.
Die französische Negierung hat aber keineswegs die Absicht, die mit England
abgeschlossene diplomatische Übereinkunft zu verletzen."


Die Neuhebrideu-Frage.

den Neuhebridcn eine Anzahl Arbeiter, lind von diesen seien einige von den
dortigen Wilden ermordet worden. Die übrigen hätten die Gesellschaft auf¬
gefordert, entweder für ihre Sicherheit zu sorgen oder sie fortzuschaffen. Auf
Ansuchen des Gouverneurs von Neukaledonien hätte man zwei Kriegsschiffe mit
Truppen an den Punkt gesandt, wo sich die Arbeiter befänden, und es wäre
möglich, daß dort ein temporärer Posten errichtet mürbe, der bis zur Wieder¬
herstellung der Ruhe verbliebe, doch würde diese Maßregel keine politische Be¬
deutung haben. Es handle sich dabei überhaupt nicht um die Besetzung der
Neuhebridcn oder um irgend etwas, wodurch die von Frankreich gegen Gro߬
britannien eingegangnen Verpflichtungen verletzt werden konnten. Am 14. Juni,
so berichtete der Uuterstaatssckretär dem Unterhause weiter, hätte Lord Lyons
Herrn von Freycinet abermals besucht und ihm Vorstellungen über die Auf¬
regung gemacht, welche die bloße Anwesenheit französischer Truppen auf den
Nenhebridcn in England sowie in Anstralien zu verursachen geeignet sei, und
Herr von Freycinet hätte darauf in bestimmtester Weise seine Versicherung
wiederholt, daß Frankreich keine Pläne habe, welche die politische Verfassung jener
Inselgruppe berühren würden, daß es dieselbe nicht zu besetzen gedenke, vielmehr
sich an das England gegebene Versprechen gebunden halte, deren Unabhängigkeit
zu achten. Er wisse nicht, ob Truppen dort gelandet seien; sollte dies der Fall
sein, so würden sie sofort zurückgezogen werden, wenn der Notfall vorüber sei.

Genauer und teilweise anders lautete die Darstellung der Sache, welche
bald darauf die offiziöse ^gMvo Lltvas brachte. Man las da: „Ein diplo¬
matisches Übereinkommen zwischen Frankreich und England sichert jenen Inseln
die Unabhängigkeit. Laut demselben sind die französischen und englischen Staats¬
angehörigen berechtigt, sich auf deu Neuhebridcn zur Betreibung von Geschäften
niederzulassen. Vom Gouverneur Neukaledvniens find mit den Häuptlingen der
Kanälen Verträge abgeschlossen, von letztern aber nicht gehalten worden. Die
Wilden haben Gewaltthaten verübt, und mehrere Franzosen, Angehörige einer
Gesellschaft, ermordet. Jede Sicherheit war dahin, wenn Frankreich die Mörder
nicht rasch züchtigte. Zu diesem Zwecke sind die Dampfer Magellan und Dioch
nach deu Neuhebriden gefahren und haben bei Matako Kompagnien von Marine¬
infanterie gelandet. Die Geniesvldaten haben auf dem Hügel, welcher die Ebne
mit den industriellen Niederlassungen bis zum Waldsäume beherrscht, eine Art
Blockhaus errichtet. Dieses kleine, übrigens nnr provisorische Fort wird ge¬
nügen, unsre Landsleute und ebenso die dortigen Engländer, wenn sie bedroht
werden, zu schlitzen. Natürlich weht über dem Fort unsre Flagge, wie überall,
wo wir Truppen haben. Wie lange wird diese Besetzung dauern? Alles wird
von deu Ereignissen und von den Berichten abhängen, die man dem Gouverneur
von Neukaledonien erstatten wird, welchen: besondre Weisungen zugegangen sind.
Die französische Negierung hat aber keineswegs die Absicht, die mit England
abgeschlossene diplomatische Übereinkunft zu verletzen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/39>, abgerufen am 03.07.2024.