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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Raiserwahl vom Jahre ^5^9 und Karls V. Anfänge.

noch Weiterungen hervorgerufen werden können, wenn auch am wesentlichen
wohl nichts geändert worden wäre.

Zweimal hatte Kurfürst Friedrich als "Rcichsvikar in den Ländern des
sächsischen Rechts" die Hildesheimer Fehde durch gütliche Mahnung zum Frieden
beizulegen gesucht; eine dritte Aufforderung erließen alle Kurfürsten eben von
Frankfurt aus; alle drei waren vergeblich. Bischof Johann und Herzog Heinrich
von Lüneburg wären wohl zur Sühne geneigt gewesen: nicht so die drei Gegner,
welche aus Pommern, Meißen und Hessen Zuzug erhalten und solche Beute
gemacht hatten, daß sie zweitausend Wagen bedurften, sie fortzuführen. "Aus
dem Feldlager schickte Erich seiner Frau einen Anteil vom Raube zum Beute¬
pfennig, daß sie ihn fröhlich verzehre und nicht unterlasse, seine göttliche Ma¬
jestät mit Bctmessen anzurufen."") Aber schon hatten sich auch die Gegner
erhoben; durch vierhundert treffliche Reiter verstärkt, welche der Herzog von
Geldern seinem Schwiegervater gesandt hatte, und über 1500 Reiter und 9<W
Knechte verfügend, brach Herzog Heinrich am Sonntag vor Se. Peter und Paul,
am 26. Juni,"") von Celle auf und rückte nach Norden gegen Ülzen, um den
Ncmbschaaren den Rückweg nach Braunschweig zu verlegen; des gleichen Sinnes
war auch Bischof Johann. Als die Braunschweiger Herzöge Heinrich der
Jüngere, Erich und Wilhelm und der Bischof Franz von dem Anmärsche der
Gegner vernahmen, da wollten sie, weil die massenhafte Beute ihre Kriegs
maunschaft beschwerte, westwärts ausweichen und das Gebiet des Bistums
Werden, also neutralen Boden, erreichen. In der Nacht vom 27. auf den
28. Juni brachen die Fürsten demgemäß aus dem Lager bei Ülzen auf und
wandten sich gegen Soltau; aber schon hatten die Lüneburger davon Nachricht
erhalten; sie zogen jetzt alsbald ebenfalls in westlicher Richtung und verlegte"
rechtzeitig den Gegnern den Weg nach Verden. Am Tage vor Se. Peter und
Paul, am 28. Juni 1519, trafen die Lüneburger und Hildesheimer den Feind
eine Meile von Soltau, zwischen den Dörfern Langeloh und Valeusen, mitten
auf der Haide. Die Stellung der Braunschweiger war stark: ein Morast schirmte
ihre Stirnseite, das Geschütz die eine, die Wagenburg die andre Seite; aber me
Zuversicht war auf Seiten der Angreifer; die Braunschweigischen waren voV
Marsche über die heiße Haide ermüdet und hatten noch nicht Zeit gehabt, zu
essen; wäre es möglich gewesen, sie hätten den Kampf gern vermieden. E^
zwölf Fähnlein Knechte, dreihundert lüneburgischc und die vierhundert geldrischeN
Reiter waren zur Stelle; aber ungesäumt begann der Angriff: "Drei Paternoster
und Ave Maria sprach der Bischof von Hildesheim seinen knieenden Mannen
vor, und warf sich dann ungesäumt mit dem Hauptbanner auf den Feind; in"
ihm Herzog Heinrich von Lüneburg und der gesamte Adel." Wohl leisteten




*) Rösler, S. 196.
Rösler, S. 196 hat fälschlich den 27. S. Hcinemcmn, Geschichte von Brnunschw^g
und Hannover (1886) II. S. 238.
Die Raiserwahl vom Jahre ^5^9 und Karls V. Anfänge.

noch Weiterungen hervorgerufen werden können, wenn auch am wesentlichen
wohl nichts geändert worden wäre.

Zweimal hatte Kurfürst Friedrich als „Rcichsvikar in den Ländern des
sächsischen Rechts" die Hildesheimer Fehde durch gütliche Mahnung zum Frieden
beizulegen gesucht; eine dritte Aufforderung erließen alle Kurfürsten eben von
Frankfurt aus; alle drei waren vergeblich. Bischof Johann und Herzog Heinrich
von Lüneburg wären wohl zur Sühne geneigt gewesen: nicht so die drei Gegner,
welche aus Pommern, Meißen und Hessen Zuzug erhalten und solche Beute
gemacht hatten, daß sie zweitausend Wagen bedurften, sie fortzuführen. „Aus
dem Feldlager schickte Erich seiner Frau einen Anteil vom Raube zum Beute¬
pfennig, daß sie ihn fröhlich verzehre und nicht unterlasse, seine göttliche Ma¬
jestät mit Bctmessen anzurufen."") Aber schon hatten sich auch die Gegner
erhoben; durch vierhundert treffliche Reiter verstärkt, welche der Herzog von
Geldern seinem Schwiegervater gesandt hatte, und über 1500 Reiter und 9<W
Knechte verfügend, brach Herzog Heinrich am Sonntag vor Se. Peter und Paul,
am 26. Juni,"") von Celle auf und rückte nach Norden gegen Ülzen, um den
Ncmbschaaren den Rückweg nach Braunschweig zu verlegen; des gleichen Sinnes
war auch Bischof Johann. Als die Braunschweiger Herzöge Heinrich der
Jüngere, Erich und Wilhelm und der Bischof Franz von dem Anmärsche der
Gegner vernahmen, da wollten sie, weil die massenhafte Beute ihre Kriegs
maunschaft beschwerte, westwärts ausweichen und das Gebiet des Bistums
Werden, also neutralen Boden, erreichen. In der Nacht vom 27. auf den
28. Juni brachen die Fürsten demgemäß aus dem Lager bei Ülzen auf und
wandten sich gegen Soltau; aber schon hatten die Lüneburger davon Nachricht
erhalten; sie zogen jetzt alsbald ebenfalls in westlicher Richtung und verlegte»
rechtzeitig den Gegnern den Weg nach Verden. Am Tage vor Se. Peter und
Paul, am 28. Juni 1519, trafen die Lüneburger und Hildesheimer den Feind
eine Meile von Soltau, zwischen den Dörfern Langeloh und Valeusen, mitten
auf der Haide. Die Stellung der Braunschweiger war stark: ein Morast schirmte
ihre Stirnseite, das Geschütz die eine, die Wagenburg die andre Seite; aber me
Zuversicht war auf Seiten der Angreifer; die Braunschweigischen waren voV
Marsche über die heiße Haide ermüdet und hatten noch nicht Zeit gehabt, zu
essen; wäre es möglich gewesen, sie hätten den Kampf gern vermieden. E^
zwölf Fähnlein Knechte, dreihundert lüneburgischc und die vierhundert geldrischeN
Reiter waren zur Stelle; aber ungesäumt begann der Angriff: „Drei Paternoster
und Ave Maria sprach der Bischof von Hildesheim seinen knieenden Mannen
vor, und warf sich dann ungesäumt mit dem Hauptbanner auf den Feind; in»
ihm Herzog Heinrich von Lüneburg und der gesamte Adel." Wohl leisteten




*) Rösler, S. 196.
Rösler, S. 196 hat fälschlich den 27. S. Hcinemcmn, Geschichte von Brnunschw^g
und Hannover (1886) II. S. 238.
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[0374] Die Raiserwahl vom Jahre ^5^9 und Karls V. Anfänge. noch Weiterungen hervorgerufen werden können, wenn auch am wesentlichen wohl nichts geändert worden wäre. Zweimal hatte Kurfürst Friedrich als „Rcichsvikar in den Ländern des sächsischen Rechts" die Hildesheimer Fehde durch gütliche Mahnung zum Frieden beizulegen gesucht; eine dritte Aufforderung erließen alle Kurfürsten eben von Frankfurt aus; alle drei waren vergeblich. Bischof Johann und Herzog Heinrich von Lüneburg wären wohl zur Sühne geneigt gewesen: nicht so die drei Gegner, welche aus Pommern, Meißen und Hessen Zuzug erhalten und solche Beute gemacht hatten, daß sie zweitausend Wagen bedurften, sie fortzuführen. „Aus dem Feldlager schickte Erich seiner Frau einen Anteil vom Raube zum Beute¬ pfennig, daß sie ihn fröhlich verzehre und nicht unterlasse, seine göttliche Ma¬ jestät mit Bctmessen anzurufen."") Aber schon hatten sich auch die Gegner erhoben; durch vierhundert treffliche Reiter verstärkt, welche der Herzog von Geldern seinem Schwiegervater gesandt hatte, und über 1500 Reiter und 9<W Knechte verfügend, brach Herzog Heinrich am Sonntag vor Se. Peter und Paul, am 26. Juni,"") von Celle auf und rückte nach Norden gegen Ülzen, um den Ncmbschaaren den Rückweg nach Braunschweig zu verlegen; des gleichen Sinnes war auch Bischof Johann. Als die Braunschweiger Herzöge Heinrich der Jüngere, Erich und Wilhelm und der Bischof Franz von dem Anmärsche der Gegner vernahmen, da wollten sie, weil die massenhafte Beute ihre Kriegs maunschaft beschwerte, westwärts ausweichen und das Gebiet des Bistums Werden, also neutralen Boden, erreichen. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni brachen die Fürsten demgemäß aus dem Lager bei Ülzen auf und wandten sich gegen Soltau; aber schon hatten die Lüneburger davon Nachricht erhalten; sie zogen jetzt alsbald ebenfalls in westlicher Richtung und verlegte» rechtzeitig den Gegnern den Weg nach Verden. Am Tage vor Se. Peter und Paul, am 28. Juni 1519, trafen die Lüneburger und Hildesheimer den Feind eine Meile von Soltau, zwischen den Dörfern Langeloh und Valeusen, mitten auf der Haide. Die Stellung der Braunschweiger war stark: ein Morast schirmte ihre Stirnseite, das Geschütz die eine, die Wagenburg die andre Seite; aber me Zuversicht war auf Seiten der Angreifer; die Braunschweigischen waren voV Marsche über die heiße Haide ermüdet und hatten noch nicht Zeit gehabt, zu essen; wäre es möglich gewesen, sie hätten den Kampf gern vermieden. E^ zwölf Fähnlein Knechte, dreihundert lüneburgischc und die vierhundert geldrischeN Reiter waren zur Stelle; aber ungesäumt begann der Angriff: „Drei Paternoster und Ave Maria sprach der Bischof von Hildesheim seinen knieenden Mannen vor, und warf sich dann ungesäumt mit dem Hauptbanner auf den Feind; in» ihm Herzog Heinrich von Lüneburg und der gesamte Adel." Wohl leisteten *) Rösler, S. 196. Rösler, S. 196 hat fälschlich den 27. S. Hcinemcmn, Geschichte von Brnunschw^g und Hannover (1886) II. S. 238.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/374>, abgerufen am 22.07.2024.