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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Kaiserwahl vom Jahre ^5^9 und Aarls V, Anfänge.

gewesen war; die uepotistischen Antriebe, die bei Leo so stark wirkten, fielen
^mit hinweg. Am 23. Juni erhielten die päpstlichen Gesandten Cajetcmus und
^arcicciolo die Weisung, nichts mehr gegen den katholischen König zu thun;
am folgenden Tage richteten sie von Mainz aus an die in Frankfurt ver¬
sammelten Kurfürsten die Mitteilung, daß der Papst aus Liebe zum Frieden
Und in der Hoffnung, daß Karl der beste Sohn und Verteidiger des apostolischen
Stuhles sein werde, wegen Neapels keine Schwierigkeiten mehr erhebe.

In der zwölften Stunde, als die französischen Gesandten ihres Königs
Sache verloren sahen, strengten sie sich auf Befehl von Paris her an, wenigstens
'^arts Wahl abzuwenden und die Mehrheit der Kurfürsten auf Joachim oder
^uf Friedrich den Weisen zu vereinigen. Ersterer hatte keine Aussichten; für
Miedrich aber wären vier Stimmen gesichert gewesen, die eigne, die er sich dem
Herkommen nach hätte geben dürfen, die von Brandenburg, Trier und der Pfalz;
^ hätte damit die gesetzliche Mehrheit nach den Bestimmungen der " goldnen
^nlle" gehabt, und Erich von Braunschweig schrieb damals an ihn als den
"demnächstigen römischen König." Aber es war so, wie Friedrichs treuer Rat¬
geber, Graf Philipp von Solms, ihm auf Befragen sagte: zu einem Kaiser ge-
)°^en zwei Dinge, Weisheit und Kraft; die erstere besitze er. aber die zweite
gehe ihm ab; bei so viel Unruhe und Uneinigkeit im Reiche sei ein Ernst und
Konsequenz der Strafe nötig, welche der Kurfürst nicht besitze. Dieser war
al°^'^ Meinung; nachdem er, den selbst Leo X. auch jetzt noch mit Freuden
^ Kaiser angenommen hätte, sich versagt hatte, blieb nur Karl 1, übrig; am
"" - ^uni 1519, früh 7 Uhr, traten die anwesenden sechs Kurfürsten und der
^'hmischc Botschafter Lassa, Herr von Sternberg. in der Bartholomäuskirche
6" Frankfurt am Main zur Wahl zusammen; der Mainzer hielt die Umfrage;
^erst rief er Trier auf, und Richard von Greifsenklau antwortete: er gebe seine
dei/^"^ dem Könige Karl in Spanien, in der Hoffnung, er solle dazu nutz und
^Aguas sein; diesem Beispiele folgten alle andern nach. Alsbald wurde von
Notaren die Wcihlurkuude aufgesetzt; die Kurfürsten und der Böhme de-
^n sich auf den Lettner der Kirche/ und auf Befehl Albrechts von Mainz
av dessen Domdcchant die Formel der Verkündigung vor dem zahlreich ver-
^nackten Volke. Dieses wurde ermahnt, Gott für'die einhellige Wahl zu
autel, und dem neuen Herrn, der als deutscher König min Karl V. hieß, tren
^ gewärtig zu sein; zugleich wurden dessen Vorzüge ins Licht gestellt; all-
^wcmes Beifallsrufen war die Autwort aus der Versammlung; man empfand
^ Mit Genugthuung, daß die schwere Krisis so geendigt hatte, wie es der
unmung der ungeheuern Mehrheit der Nation entsprach; der Wälsche war
gewehrt; man hatte einen Herrn ans deutschem Blute; das weitere würde
jetzt alles finden.

. Für Karl I. war es ein Glück, daß sich die Wahl am 28. Juni vollzogen
^"e; denn durch ein Ereignis, das sich am 29. abspielte, hätten wohl sonst


Die Kaiserwahl vom Jahre ^5^9 und Aarls V, Anfänge.

gewesen war; die uepotistischen Antriebe, die bei Leo so stark wirkten, fielen
^mit hinweg. Am 23. Juni erhielten die päpstlichen Gesandten Cajetcmus und
^arcicciolo die Weisung, nichts mehr gegen den katholischen König zu thun;
am folgenden Tage richteten sie von Mainz aus an die in Frankfurt ver¬
sammelten Kurfürsten die Mitteilung, daß der Papst aus Liebe zum Frieden
Und in der Hoffnung, daß Karl der beste Sohn und Verteidiger des apostolischen
Stuhles sein werde, wegen Neapels keine Schwierigkeiten mehr erhebe.

In der zwölften Stunde, als die französischen Gesandten ihres Königs
Sache verloren sahen, strengten sie sich auf Befehl von Paris her an, wenigstens
'^arts Wahl abzuwenden und die Mehrheit der Kurfürsten auf Joachim oder
^uf Friedrich den Weisen zu vereinigen. Ersterer hatte keine Aussichten; für
Miedrich aber wären vier Stimmen gesichert gewesen, die eigne, die er sich dem
Herkommen nach hätte geben dürfen, die von Brandenburg, Trier und der Pfalz;
^ hätte damit die gesetzliche Mehrheit nach den Bestimmungen der „ goldnen
^nlle" gehabt, und Erich von Braunschweig schrieb damals an ihn als den
"demnächstigen römischen König." Aber es war so, wie Friedrichs treuer Rat¬
geber, Graf Philipp von Solms, ihm auf Befragen sagte: zu einem Kaiser ge-
)°^en zwei Dinge, Weisheit und Kraft; die erstere besitze er. aber die zweite
gehe ihm ab; bei so viel Unruhe und Uneinigkeit im Reiche sei ein Ernst und
Konsequenz der Strafe nötig, welche der Kurfürst nicht besitze. Dieser war
al°^'^ Meinung; nachdem er, den selbst Leo X. auch jetzt noch mit Freuden
^ Kaiser angenommen hätte, sich versagt hatte, blieb nur Karl 1, übrig; am
"„ - ^uni 1519, früh 7 Uhr, traten die anwesenden sechs Kurfürsten und der
^'hmischc Botschafter Lassa, Herr von Sternberg. in der Bartholomäuskirche
6" Frankfurt am Main zur Wahl zusammen; der Mainzer hielt die Umfrage;
^erst rief er Trier auf, und Richard von Greifsenklau antwortete: er gebe seine
dei/^"^ dem Könige Karl in Spanien, in der Hoffnung, er solle dazu nutz und
^Aguas sein; diesem Beispiele folgten alle andern nach. Alsbald wurde von
Notaren die Wcihlurkuude aufgesetzt; die Kurfürsten und der Böhme de-
^n sich auf den Lettner der Kirche/ und auf Befehl Albrechts von Mainz
av dessen Domdcchant die Formel der Verkündigung vor dem zahlreich ver-
^nackten Volke. Dieses wurde ermahnt, Gott für'die einhellige Wahl zu
autel, und dem neuen Herrn, der als deutscher König min Karl V. hieß, tren
^ gewärtig zu sein; zugleich wurden dessen Vorzüge ins Licht gestellt; all-
^wcmes Beifallsrufen war die Autwort aus der Versammlung; man empfand
^ Mit Genugthuung, daß die schwere Krisis so geendigt hatte, wie es der
unmung der ungeheuern Mehrheit der Nation entsprach; der Wälsche war
gewehrt; man hatte einen Herrn ans deutschem Blute; das weitere würde
jetzt alles finden.

. Für Karl I. war es ein Glück, daß sich die Wahl am 28. Juni vollzogen
^«e; denn durch ein Ereignis, das sich am 29. abspielte, hätten wohl sonst


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[0373] Die Kaiserwahl vom Jahre ^5^9 und Aarls V, Anfänge. gewesen war; die uepotistischen Antriebe, die bei Leo so stark wirkten, fielen ^mit hinweg. Am 23. Juni erhielten die päpstlichen Gesandten Cajetcmus und ^arcicciolo die Weisung, nichts mehr gegen den katholischen König zu thun; am folgenden Tage richteten sie von Mainz aus an die in Frankfurt ver¬ sammelten Kurfürsten die Mitteilung, daß der Papst aus Liebe zum Frieden Und in der Hoffnung, daß Karl der beste Sohn und Verteidiger des apostolischen Stuhles sein werde, wegen Neapels keine Schwierigkeiten mehr erhebe. In der zwölften Stunde, als die französischen Gesandten ihres Königs Sache verloren sahen, strengten sie sich auf Befehl von Paris her an, wenigstens '^arts Wahl abzuwenden und die Mehrheit der Kurfürsten auf Joachim oder ^uf Friedrich den Weisen zu vereinigen. Ersterer hatte keine Aussichten; für Miedrich aber wären vier Stimmen gesichert gewesen, die eigne, die er sich dem Herkommen nach hätte geben dürfen, die von Brandenburg, Trier und der Pfalz; ^ hätte damit die gesetzliche Mehrheit nach den Bestimmungen der „ goldnen ^nlle" gehabt, und Erich von Braunschweig schrieb damals an ihn als den "demnächstigen römischen König." Aber es war so, wie Friedrichs treuer Rat¬ geber, Graf Philipp von Solms, ihm auf Befragen sagte: zu einem Kaiser ge- )°^en zwei Dinge, Weisheit und Kraft; die erstere besitze er. aber die zweite gehe ihm ab; bei so viel Unruhe und Uneinigkeit im Reiche sei ein Ernst und Konsequenz der Strafe nötig, welche der Kurfürst nicht besitze. Dieser war al°^'^ Meinung; nachdem er, den selbst Leo X. auch jetzt noch mit Freuden ^ Kaiser angenommen hätte, sich versagt hatte, blieb nur Karl 1, übrig; am "„ - ^uni 1519, früh 7 Uhr, traten die anwesenden sechs Kurfürsten und der ^'hmischc Botschafter Lassa, Herr von Sternberg. in der Bartholomäuskirche 6" Frankfurt am Main zur Wahl zusammen; der Mainzer hielt die Umfrage; ^erst rief er Trier auf, und Richard von Greifsenklau antwortete: er gebe seine dei/^"^ dem Könige Karl in Spanien, in der Hoffnung, er solle dazu nutz und ^Aguas sein; diesem Beispiele folgten alle andern nach. Alsbald wurde von Notaren die Wcihlurkuude aufgesetzt; die Kurfürsten und der Böhme de- ^n sich auf den Lettner der Kirche/ und auf Befehl Albrechts von Mainz av dessen Domdcchant die Formel der Verkündigung vor dem zahlreich ver- ^nackten Volke. Dieses wurde ermahnt, Gott für'die einhellige Wahl zu autel, und dem neuen Herrn, der als deutscher König min Karl V. hieß, tren ^ gewärtig zu sein; zugleich wurden dessen Vorzüge ins Licht gestellt; all- ^wcmes Beifallsrufen war die Autwort aus der Versammlung; man empfand ^ Mit Genugthuung, daß die schwere Krisis so geendigt hatte, wie es der unmung der ungeheuern Mehrheit der Nation entsprach; der Wälsche war gewehrt; man hatte einen Herrn ans deutschem Blute; das weitere würde jetzt alles finden. . Für Karl I. war es ein Glück, daß sich die Wahl am 28. Juni vollzogen ^«e; denn durch ein Ereignis, das sich am 29. abspielte, hätten wohl sonst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/373>, abgerufen am 22.07.2024.