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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Raiserwahl vom Jahre ^31^9 und Aarls V. Anfänge

genannt wurden""); mancher dieser Kriegsleute wurde von der Besatzung bei
Ausfällen erlegt, einer, Georgios Samcir, ein Capitaneo, auch verwundet und
gefangen und in der Se. Georgenkirche beigesetzt, wo man feinen Leichenstein
zeigt. Da alle benachbarten Flecken schwer durch den Krieg litten, namentlich
weil von den Bündischen alle fruchtbaren Bäume umgehauen wurden, fo lagen
die Umwohner der Stadt Tübingen an, sie möge sich ergeben und so die
"jämmerliche Verwüstung des Landes" beendigen. So öffnete die Stadt am
21. April ihre Thore, und am 25. schloß auch Ludwig von Stadion für Schloß
Hohentübingen die Kapitulation ab, nnter der Bedingung, daß Schloß, Stadt
und Amt Tübingen den Kindern Ulrichs, Christoph und Anna, fo lange verbleibe,
"bis ihnen das mit anderen Gute genngsamlich erstattet und verglichen würde."
Die beiden Kinder kamen dadurch in die Gewalt des Bundes, da Ulrich sie
"zur Aufmunterung der Treue der Besatzung" in Hohentübiugeu zurückgelassen
hatte. Ludwig von Stadion hatte sein dem scheidenden Fürsten verpfändetes Wort
schnöde gebrochen, und ihm und seineu Genossen ist dies Benehmen im Lande des
Wahlspruchs: "Furchtlos und treu" nicht vergessen worden; aber rühmend gedenken
unsre Jahrbücher des Freiherrn Georg von Hewen, welcher sich der Übergabe
bis zuletzt widersetzt hatte. Von allen festen Plätzen des Herzogtums war uur
noch Asperg übrig, wo Leonhard von Reyschach den Befehl führte; er hielt
eine zehntägige Belagerung ans und ergab sich erst am 24. Mai, nachdem von
den Scharen Georgs von Frundsberg mit Herzog Ulrichs eignem großen Ge¬
schütz, das von Stuttgart herbeigeschafft wurde, eine solche Bresche geschossen
war, daß 25 Mann nebeneinander hätten eindringen können; hinter der Bresche
sah man die Doppelhaken aufgepflanzt, mit welchen die Belagerten den Feind
vorläufig noch vom Eindringen abhielten; die Sieger selbst gaben dem harten,
aber pflichttreuen Befehlshaber das Zeugnis eines "rechtschaffenen Mannes,"
der sich vom "Geheul der Weiber" uicht habe sofort erweichen lassen.

So hatte Herzog Ulrich zwei Monate nach Eröffnung der Feindseligkeiten
nichts mehr als Mömpelgard und den hohen Twiel. Ihm, und damit auch
dem König Franz, war der Degen aus der Hand geschlagen; es war wahr ge¬
worden, was Österreichs Parteigänger unter den Eidgenossen, der Kardinal
Matthäus Schiner, Bischof von Sitten, gleich zu Anfang vorhergesagt hatte:
Ulrich habe mit seiner Schilderhebung dem Hause Österreich einen großen Dienst
erwiesen; es war jetzt des ganzen Süddeutschlands sicher. So bedeutsam erschien
der Sieg über Würtemberg, daß Kurfürst Joachim von Brandenburg, welcher
noch an der Kandidatur Franz' I. festhielt, sich alle Mühe gab, daß die Kaiserwahl
in Köln und uicht in Frankfurt am Main vollzogen werde; das Heer des schwä¬
bischen Bundes stand ihm zu nahe bei Frankfurt; er fürchtete, daß es die Frei¬
heit der Wahl beeinträchtigen möchte.



*) Sattler, II. S. 16.
Grenzboten III. 1836.46
Die Raiserwahl vom Jahre ^31^9 und Aarls V. Anfänge

genannt wurden""); mancher dieser Kriegsleute wurde von der Besatzung bei
Ausfällen erlegt, einer, Georgios Samcir, ein Capitaneo, auch verwundet und
gefangen und in der Se. Georgenkirche beigesetzt, wo man feinen Leichenstein
zeigt. Da alle benachbarten Flecken schwer durch den Krieg litten, namentlich
weil von den Bündischen alle fruchtbaren Bäume umgehauen wurden, fo lagen
die Umwohner der Stadt Tübingen an, sie möge sich ergeben und so die
„jämmerliche Verwüstung des Landes" beendigen. So öffnete die Stadt am
21. April ihre Thore, und am 25. schloß auch Ludwig von Stadion für Schloß
Hohentübingen die Kapitulation ab, nnter der Bedingung, daß Schloß, Stadt
und Amt Tübingen den Kindern Ulrichs, Christoph und Anna, fo lange verbleibe,
„bis ihnen das mit anderen Gute genngsamlich erstattet und verglichen würde."
Die beiden Kinder kamen dadurch in die Gewalt des Bundes, da Ulrich sie
„zur Aufmunterung der Treue der Besatzung" in Hohentübiugeu zurückgelassen
hatte. Ludwig von Stadion hatte sein dem scheidenden Fürsten verpfändetes Wort
schnöde gebrochen, und ihm und seineu Genossen ist dies Benehmen im Lande des
Wahlspruchs: „Furchtlos und treu" nicht vergessen worden; aber rühmend gedenken
unsre Jahrbücher des Freiherrn Georg von Hewen, welcher sich der Übergabe
bis zuletzt widersetzt hatte. Von allen festen Plätzen des Herzogtums war uur
noch Asperg übrig, wo Leonhard von Reyschach den Befehl führte; er hielt
eine zehntägige Belagerung ans und ergab sich erst am 24. Mai, nachdem von
den Scharen Georgs von Frundsberg mit Herzog Ulrichs eignem großen Ge¬
schütz, das von Stuttgart herbeigeschafft wurde, eine solche Bresche geschossen
war, daß 25 Mann nebeneinander hätten eindringen können; hinter der Bresche
sah man die Doppelhaken aufgepflanzt, mit welchen die Belagerten den Feind
vorläufig noch vom Eindringen abhielten; die Sieger selbst gaben dem harten,
aber pflichttreuen Befehlshaber das Zeugnis eines „rechtschaffenen Mannes,"
der sich vom „Geheul der Weiber" uicht habe sofort erweichen lassen.

So hatte Herzog Ulrich zwei Monate nach Eröffnung der Feindseligkeiten
nichts mehr als Mömpelgard und den hohen Twiel. Ihm, und damit auch
dem König Franz, war der Degen aus der Hand geschlagen; es war wahr ge¬
worden, was Österreichs Parteigänger unter den Eidgenossen, der Kardinal
Matthäus Schiner, Bischof von Sitten, gleich zu Anfang vorhergesagt hatte:
Ulrich habe mit seiner Schilderhebung dem Hause Österreich einen großen Dienst
erwiesen; es war jetzt des ganzen Süddeutschlands sicher. So bedeutsam erschien
der Sieg über Würtemberg, daß Kurfürst Joachim von Brandenburg, welcher
noch an der Kandidatur Franz' I. festhielt, sich alle Mühe gab, daß die Kaiserwahl
in Köln und uicht in Frankfurt am Main vollzogen werde; das Heer des schwä¬
bischen Bundes stand ihm zu nahe bei Frankfurt; er fürchtete, daß es die Frei¬
heit der Wahl beeinträchtigen möchte.



*) Sattler, II. S. 16.
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[0369] Die Raiserwahl vom Jahre ^31^9 und Aarls V. Anfänge genannt wurden""); mancher dieser Kriegsleute wurde von der Besatzung bei Ausfällen erlegt, einer, Georgios Samcir, ein Capitaneo, auch verwundet und gefangen und in der Se. Georgenkirche beigesetzt, wo man feinen Leichenstein zeigt. Da alle benachbarten Flecken schwer durch den Krieg litten, namentlich weil von den Bündischen alle fruchtbaren Bäume umgehauen wurden, fo lagen die Umwohner der Stadt Tübingen an, sie möge sich ergeben und so die „jämmerliche Verwüstung des Landes" beendigen. So öffnete die Stadt am 21. April ihre Thore, und am 25. schloß auch Ludwig von Stadion für Schloß Hohentübingen die Kapitulation ab, nnter der Bedingung, daß Schloß, Stadt und Amt Tübingen den Kindern Ulrichs, Christoph und Anna, fo lange verbleibe, „bis ihnen das mit anderen Gute genngsamlich erstattet und verglichen würde." Die beiden Kinder kamen dadurch in die Gewalt des Bundes, da Ulrich sie „zur Aufmunterung der Treue der Besatzung" in Hohentübiugeu zurückgelassen hatte. Ludwig von Stadion hatte sein dem scheidenden Fürsten verpfändetes Wort schnöde gebrochen, und ihm und seineu Genossen ist dies Benehmen im Lande des Wahlspruchs: „Furchtlos und treu" nicht vergessen worden; aber rühmend gedenken unsre Jahrbücher des Freiherrn Georg von Hewen, welcher sich der Übergabe bis zuletzt widersetzt hatte. Von allen festen Plätzen des Herzogtums war uur noch Asperg übrig, wo Leonhard von Reyschach den Befehl führte; er hielt eine zehntägige Belagerung ans und ergab sich erst am 24. Mai, nachdem von den Scharen Georgs von Frundsberg mit Herzog Ulrichs eignem großen Ge¬ schütz, das von Stuttgart herbeigeschafft wurde, eine solche Bresche geschossen war, daß 25 Mann nebeneinander hätten eindringen können; hinter der Bresche sah man die Doppelhaken aufgepflanzt, mit welchen die Belagerten den Feind vorläufig noch vom Eindringen abhielten; die Sieger selbst gaben dem harten, aber pflichttreuen Befehlshaber das Zeugnis eines „rechtschaffenen Mannes," der sich vom „Geheul der Weiber" uicht habe sofort erweichen lassen. So hatte Herzog Ulrich zwei Monate nach Eröffnung der Feindseligkeiten nichts mehr als Mömpelgard und den hohen Twiel. Ihm, und damit auch dem König Franz, war der Degen aus der Hand geschlagen; es war wahr ge¬ worden, was Österreichs Parteigänger unter den Eidgenossen, der Kardinal Matthäus Schiner, Bischof von Sitten, gleich zu Anfang vorhergesagt hatte: Ulrich habe mit seiner Schilderhebung dem Hause Österreich einen großen Dienst erwiesen; es war jetzt des ganzen Süddeutschlands sicher. So bedeutsam erschien der Sieg über Würtemberg, daß Kurfürst Joachim von Brandenburg, welcher noch an der Kandidatur Franz' I. festhielt, sich alle Mühe gab, daß die Kaiserwahl in Köln und uicht in Frankfurt am Main vollzogen werde; das Heer des schwä¬ bischen Bundes stand ihm zu nahe bei Frankfurt; er fürchtete, daß es die Frei¬ heit der Wahl beeinträchtigen möchte. *) Sattler, II. S. 16. Grenzboten III. 1836.46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/369>, abgerufen am 22.07.2024.