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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Raiserwahl vom Jahre ^5^9 und Karls V. Anfänge.

denn die Tagsatzung der Eidgenossen, welche trotz ihres Bundes mit Franz I.
doch diesen, so lange er Herr von Mailand war, unmöglich als Kaiser wünschen
konnte -- wie wäre dadurch die Schweiz eingezwängt worden! -- hatte den
österreichischen Sendboten soweit nachgegeben, daß sie den Reisläufern befahl,
sofort heimzukehren, und als dies nicht alsbald geschah, hatte sie den Befehl unter
Androhung des Verlustes der Gitter und der Strafe an Leib und LÄen erneuert.
So forderten die Söldner ihre Löhnung und zogen am 17. März aus dem
Lager bei Blaubeuren nach Hause. Mit Thränen, so heißt es, ließ Ulrich sie
ziehen; dann versammelte er sein würtembergisches Aufgebot um sich und sagte,
ohne die Schweizer könne er dem Bunde keine Schlacht liefern, zumal da es
ihm an Kriegserfahrung gebreche; er beurlaube sie also, nach Hause zu gehen, in
der Hoffnung, daß sie nach der ihnen angebornen Tapferkeit ihr Baterland so
viel als nur immer möglich beschützen würden; er selbst müsse sein Land ver¬
lassen und in dem bittern Elend sein, jedoch in der getrosten Zuversicht, daß
er durch Gottes Hilfe solches wieder erobern und alsdann nicht ermangeln
werde, jeden nach seinem Verdienst zu belohnen. Diese Rede machte aus die
treuen Männer solchen Eindruck, daß sie mit den Zähnen knirschten und be¬
dauerten, den Feinden keine Schlacht liefern zu dürfen. Alsbald wurde Würtem-
berg vom Bunde überzogen und Stadt um Stadt genommen. Zuerst fiel Heiden¬
heim, dann Göppingen und am 5. April die Hauptstadt Stuttgart. Vergeblich
suchte die Landschaft sich ins Mittel zu legen; ihre Abgesandten stellten dem
Herzoge von Baiern vor, daß er nicht bloß Ulrich bekriege, sondern auch dessen
unmündigen Sohn Christoph, seinen eignen Neffen; mithin hoffe sie, daß das
weitere Eindringen verhütet werde. Ihre Bitten waren vergeblich; die Bundes¬
genossen erklärten der Landschaft, daß das Land Würtemberg dem Herzoge bei
seinem Friedensbruch behilflich gewesen sei; es hätte denselben davon abhalten
sollen; jetzt sei ein Heer vou sast 30 000 Mann mit großen Unkosten aufgebracht
worden, welche durch die Eroberung des Herzogtums ersetzt werden müßten-
Die herzogliche Dienerschaft wurde in Gelübde genommen, daß sie nichts gegen
den Bund unternehmen werde, und dann entlassen; als Statthalter wurde
Christoph, Freiherr von Schwarzenburg, bestellt: des Prinzen Christoph wurde
garnicht geachtet. In Urach erstachen die Bürger den herzoglichen Untervvgt
Stephan Weyler, als er gegen ihren Willen mit 400 Knechten in die Stadt
eindrang, um sie und das Schloß zu halten; ähnlich verhielt sich die Einwohner¬
schaft von Schvrndorf, als Georg von Frundsberg das grobe Geschütz spielen
ließ. Noch hielten sich Stadt und Schloß Tübingen, und die Besatzung hatte
dem Herzoge gelobt, sich bis auf den letzten Mann zu verteidigen; ihn selbst
hatte sie gebeten, er möge sich "außer Gefahr setzen," und so war er nach
Mömpelgard entwichen. Vom 9. April an wurde Tübingen berannt; damals
trafen beim Bundesheer auch noch "Kriegsvölker aus Epiro ein, eine Art der
leichten Reiterei, welche nur mit Anprallen das ihrige verrichteten und Stmtioten


Die Raiserwahl vom Jahre ^5^9 und Karls V. Anfänge.

denn die Tagsatzung der Eidgenossen, welche trotz ihres Bundes mit Franz I.
doch diesen, so lange er Herr von Mailand war, unmöglich als Kaiser wünschen
konnte — wie wäre dadurch die Schweiz eingezwängt worden! — hatte den
österreichischen Sendboten soweit nachgegeben, daß sie den Reisläufern befahl,
sofort heimzukehren, und als dies nicht alsbald geschah, hatte sie den Befehl unter
Androhung des Verlustes der Gitter und der Strafe an Leib und LÄen erneuert.
So forderten die Söldner ihre Löhnung und zogen am 17. März aus dem
Lager bei Blaubeuren nach Hause. Mit Thränen, so heißt es, ließ Ulrich sie
ziehen; dann versammelte er sein würtembergisches Aufgebot um sich und sagte,
ohne die Schweizer könne er dem Bunde keine Schlacht liefern, zumal da es
ihm an Kriegserfahrung gebreche; er beurlaube sie also, nach Hause zu gehen, in
der Hoffnung, daß sie nach der ihnen angebornen Tapferkeit ihr Baterland so
viel als nur immer möglich beschützen würden; er selbst müsse sein Land ver¬
lassen und in dem bittern Elend sein, jedoch in der getrosten Zuversicht, daß
er durch Gottes Hilfe solches wieder erobern und alsdann nicht ermangeln
werde, jeden nach seinem Verdienst zu belohnen. Diese Rede machte aus die
treuen Männer solchen Eindruck, daß sie mit den Zähnen knirschten und be¬
dauerten, den Feinden keine Schlacht liefern zu dürfen. Alsbald wurde Würtem-
berg vom Bunde überzogen und Stadt um Stadt genommen. Zuerst fiel Heiden¬
heim, dann Göppingen und am 5. April die Hauptstadt Stuttgart. Vergeblich
suchte die Landschaft sich ins Mittel zu legen; ihre Abgesandten stellten dem
Herzoge von Baiern vor, daß er nicht bloß Ulrich bekriege, sondern auch dessen
unmündigen Sohn Christoph, seinen eignen Neffen; mithin hoffe sie, daß das
weitere Eindringen verhütet werde. Ihre Bitten waren vergeblich; die Bundes¬
genossen erklärten der Landschaft, daß das Land Würtemberg dem Herzoge bei
seinem Friedensbruch behilflich gewesen sei; es hätte denselben davon abhalten
sollen; jetzt sei ein Heer vou sast 30 000 Mann mit großen Unkosten aufgebracht
worden, welche durch die Eroberung des Herzogtums ersetzt werden müßten-
Die herzogliche Dienerschaft wurde in Gelübde genommen, daß sie nichts gegen
den Bund unternehmen werde, und dann entlassen; als Statthalter wurde
Christoph, Freiherr von Schwarzenburg, bestellt: des Prinzen Christoph wurde
garnicht geachtet. In Urach erstachen die Bürger den herzoglichen Untervvgt
Stephan Weyler, als er gegen ihren Willen mit 400 Knechten in die Stadt
eindrang, um sie und das Schloß zu halten; ähnlich verhielt sich die Einwohner¬
schaft von Schvrndorf, als Georg von Frundsberg das grobe Geschütz spielen
ließ. Noch hielten sich Stadt und Schloß Tübingen, und die Besatzung hatte
dem Herzoge gelobt, sich bis auf den letzten Mann zu verteidigen; ihn selbst
hatte sie gebeten, er möge sich „außer Gefahr setzen," und so war er nach
Mömpelgard entwichen. Vom 9. April an wurde Tübingen berannt; damals
trafen beim Bundesheer auch noch „Kriegsvölker aus Epiro ein, eine Art der
leichten Reiterei, welche nur mit Anprallen das ihrige verrichteten und Stmtioten


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[0368] Die Raiserwahl vom Jahre ^5^9 und Karls V. Anfänge. denn die Tagsatzung der Eidgenossen, welche trotz ihres Bundes mit Franz I. doch diesen, so lange er Herr von Mailand war, unmöglich als Kaiser wünschen konnte — wie wäre dadurch die Schweiz eingezwängt worden! — hatte den österreichischen Sendboten soweit nachgegeben, daß sie den Reisläufern befahl, sofort heimzukehren, und als dies nicht alsbald geschah, hatte sie den Befehl unter Androhung des Verlustes der Gitter und der Strafe an Leib und LÄen erneuert. So forderten die Söldner ihre Löhnung und zogen am 17. März aus dem Lager bei Blaubeuren nach Hause. Mit Thränen, so heißt es, ließ Ulrich sie ziehen; dann versammelte er sein würtembergisches Aufgebot um sich und sagte, ohne die Schweizer könne er dem Bunde keine Schlacht liefern, zumal da es ihm an Kriegserfahrung gebreche; er beurlaube sie also, nach Hause zu gehen, in der Hoffnung, daß sie nach der ihnen angebornen Tapferkeit ihr Baterland so viel als nur immer möglich beschützen würden; er selbst müsse sein Land ver¬ lassen und in dem bittern Elend sein, jedoch in der getrosten Zuversicht, daß er durch Gottes Hilfe solches wieder erobern und alsdann nicht ermangeln werde, jeden nach seinem Verdienst zu belohnen. Diese Rede machte aus die treuen Männer solchen Eindruck, daß sie mit den Zähnen knirschten und be¬ dauerten, den Feinden keine Schlacht liefern zu dürfen. Alsbald wurde Würtem- berg vom Bunde überzogen und Stadt um Stadt genommen. Zuerst fiel Heiden¬ heim, dann Göppingen und am 5. April die Hauptstadt Stuttgart. Vergeblich suchte die Landschaft sich ins Mittel zu legen; ihre Abgesandten stellten dem Herzoge von Baiern vor, daß er nicht bloß Ulrich bekriege, sondern auch dessen unmündigen Sohn Christoph, seinen eignen Neffen; mithin hoffe sie, daß das weitere Eindringen verhütet werde. Ihre Bitten waren vergeblich; die Bundes¬ genossen erklärten der Landschaft, daß das Land Würtemberg dem Herzoge bei seinem Friedensbruch behilflich gewesen sei; es hätte denselben davon abhalten sollen; jetzt sei ein Heer vou sast 30 000 Mann mit großen Unkosten aufgebracht worden, welche durch die Eroberung des Herzogtums ersetzt werden müßten- Die herzogliche Dienerschaft wurde in Gelübde genommen, daß sie nichts gegen den Bund unternehmen werde, und dann entlassen; als Statthalter wurde Christoph, Freiherr von Schwarzenburg, bestellt: des Prinzen Christoph wurde garnicht geachtet. In Urach erstachen die Bürger den herzoglichen Untervvgt Stephan Weyler, als er gegen ihren Willen mit 400 Knechten in die Stadt eindrang, um sie und das Schloß zu halten; ähnlich verhielt sich die Einwohner¬ schaft von Schvrndorf, als Georg von Frundsberg das grobe Geschütz spielen ließ. Noch hielten sich Stadt und Schloß Tübingen, und die Besatzung hatte dem Herzoge gelobt, sich bis auf den letzten Mann zu verteidigen; ihn selbst hatte sie gebeten, er möge sich „außer Gefahr setzen," und so war er nach Mömpelgard entwichen. Vom 9. April an wurde Tübingen berannt; damals trafen beim Bundesheer auch noch „Kriegsvölker aus Epiro ein, eine Art der leichten Reiterei, welche nur mit Anprallen das ihrige verrichteten und Stmtioten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/368>, abgerufen am 03.07.2024.