Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Chauvinisten und Regierung in Rußland. geeignet waren, Verdacht zu erwecken und das Vertrauen zu schwachen, seine Die zuletzt erwähnte,, Thatsachen sind und bleiben dunkle Pnnkte am öst¬ Chauvinisten und Regierung in Rußland. geeignet waren, Verdacht zu erwecken und das Vertrauen zu schwachen, seine Die zuletzt erwähnte,, Thatsachen sind und bleiben dunkle Pnnkte am öst¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199071"/> <fw type="header" place="top"> Chauvinisten und Regierung in Rußland.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1020" prev="#ID_1019"> geeignet waren, Verdacht zu erwecken und das Vertrauen zu schwachen, seine<lb/> besonnene Politik werde in Petersburg die Oberhand behalten. Im großen<lb/> und ganzen ist es ihm zuletzt zwar gelungen, das Verhalten Rußlands in<lb/> Wege zu lenken, bei welchen verständige Rücksicht geübt wird, aber Ausnahmen<lb/> von der Regel blieben doch nicht aus. Wir erinnern an das Erscheinen des<lb/> revanchedürsteuden und -predigenden Phrasendrehers Deroulede in Südrußland<lb/> und an die Aufnahme, die er dort fand, sowie an den warmen Willkommen,<lb/> den ihn: Katkoff in seinein Organ entbieten ließ. Wir denken ferner an die<lb/> mindestens seltsame Beteiligung des Generals Fredericks an den Feierlichkeiten<lb/> bei der Enthüllung des Denkmals Chauzys in Nouart. Chanzy war der fran¬<lb/> zösische Feldherr, auf dessen Fähigkeiten man für einen Krieg der Revanche<lb/> gegen Deutschland vor allem seine Hoffnung setzte. Die offiziöse Presse des<lb/> Herrn von Gicrs freilich will ihn nur als den Gesandten Frankreichs aufgefaßt<lb/> wissen, der sich in Petersburg höchsten Kreise» besonders angenehm zu machen<lb/> wußte. Die Franzosen aber haben die Anwesenheit eines russischen Generals in<lb/> Nouart anders gedeutet, und daß sie dies thun würden, mußte man in Peters¬<lb/> burg so gut voraussehen als anderwärts. Man hätte also von einer Ab¬<lb/> ordnung des Generals zur Teilnahme an jener Enthüllungsfeierlichkeit, einer<lb/> Abordnung obendrein, die ihn nötigte, seine Urlaubszcit zu unterbrechen, Ab¬<lb/> stand nehmen sollen. Sagt man uns, sie sollte die Gefühle persönlicher Freund¬<lb/> schaft, welche der Zar für den verstorbenen Diplomaten gehegt, in besondrer<lb/> Weise ausdrücken, so darf man erwiedern, daß diese Gefühle wohl schon dadurch<lb/> genügend bekundet waren, daß Alexander IU. eine namhafte Summe zur Er¬<lb/> richtung des Chauzy-Denkmals beigesteuert hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1021"> Die zuletzt erwähnte,, Thatsachen sind und bleiben dunkle Pnnkte am öst¬<lb/> lichen Gesichtskreise. Auf sie folgte die Reise eines österreichischen Erzherzogs<lb/> zum Besuche des russischen Hofes als eine Art Aufhellung des Himmels. Wir<lb/> fürchten, andre dunkle Punkte werden sie ablösen. Es herrscht dort beständig<lb/> politisches Aprilwetter mit Neigung zur Gemitterbildung. Es ist nicht aus¬<lb/> geschlossen, daß der russische Chauvinismus einmal zu schrankenloser Herrschaft<lb/> gelangt, und wer vermag zu sagen, welche von den Elementen, die er einschließt,<lb/> zuletzt die Oberhand behalten werden?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
Chauvinisten und Regierung in Rußland.
geeignet waren, Verdacht zu erwecken und das Vertrauen zu schwachen, seine
besonnene Politik werde in Petersburg die Oberhand behalten. Im großen
und ganzen ist es ihm zuletzt zwar gelungen, das Verhalten Rußlands in
Wege zu lenken, bei welchen verständige Rücksicht geübt wird, aber Ausnahmen
von der Regel blieben doch nicht aus. Wir erinnern an das Erscheinen des
revanchedürsteuden und -predigenden Phrasendrehers Deroulede in Südrußland
und an die Aufnahme, die er dort fand, sowie an den warmen Willkommen,
den ihn: Katkoff in seinein Organ entbieten ließ. Wir denken ferner an die
mindestens seltsame Beteiligung des Generals Fredericks an den Feierlichkeiten
bei der Enthüllung des Denkmals Chauzys in Nouart. Chanzy war der fran¬
zösische Feldherr, auf dessen Fähigkeiten man für einen Krieg der Revanche
gegen Deutschland vor allem seine Hoffnung setzte. Die offiziöse Presse des
Herrn von Gicrs freilich will ihn nur als den Gesandten Frankreichs aufgefaßt
wissen, der sich in Petersburg höchsten Kreise» besonders angenehm zu machen
wußte. Die Franzosen aber haben die Anwesenheit eines russischen Generals in
Nouart anders gedeutet, und daß sie dies thun würden, mußte man in Peters¬
burg so gut voraussehen als anderwärts. Man hätte also von einer Ab¬
ordnung des Generals zur Teilnahme an jener Enthüllungsfeierlichkeit, einer
Abordnung obendrein, die ihn nötigte, seine Urlaubszcit zu unterbrechen, Ab¬
stand nehmen sollen. Sagt man uns, sie sollte die Gefühle persönlicher Freund¬
schaft, welche der Zar für den verstorbenen Diplomaten gehegt, in besondrer
Weise ausdrücken, so darf man erwiedern, daß diese Gefühle wohl schon dadurch
genügend bekundet waren, daß Alexander IU. eine namhafte Summe zur Er¬
richtung des Chauzy-Denkmals beigesteuert hatte.
Die zuletzt erwähnte,, Thatsachen sind und bleiben dunkle Pnnkte am öst¬
lichen Gesichtskreise. Auf sie folgte die Reise eines österreichischen Erzherzogs
zum Besuche des russischen Hofes als eine Art Aufhellung des Himmels. Wir
fürchten, andre dunkle Punkte werden sie ablösen. Es herrscht dort beständig
politisches Aprilwetter mit Neigung zur Gemitterbildung. Es ist nicht aus¬
geschlossen, daß der russische Chauvinismus einmal zu schrankenloser Herrschaft
gelangt, und wer vermag zu sagen, welche von den Elementen, die er einschließt,
zuletzt die Oberhand behalten werden?
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