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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der "Lhronik derer von Riffelshausen.

Du Wirst freilich viel zu schaffen haben, arme Schwester, sagte er; doch
denke daran, wie langweilig dir diese einsamen Winterabende gewesen sind. Da
wird die Schwägerin eine angenehme Gesellschaft sein.

Die? rief Cäcilie, und ihre blauen Augen wurden scharf wie Stahl. Da
ist mir jede Kaufmannsfrau in Nummelshausen lieber.

Ich möchte doch wissen, was du eigentlich gegen die arme Therese ein¬
zuwenden hast! entgegnete Georg ärgerlich. Aber die Schwester packte mit
energischen Bewegungen das Strickzeug zusammen, legte es auf ihren Arbeits¬
tisch, nahm das Kaffeebrett und ging zur Thüre hinaus.




Zweites Aapitel.

Die Familie derer von Riffelshausen befand sich zwar in wenig glänzenden
Vermögensverhältnissen, gehörte aber doch nicht zu jener Klasse unsers armen
Adels, die von den alten, aus "besserer Zeit" stammenden Ansprüchen nicht
lassen kann, obgleich die Mittel zu deren Befriedigung längst nicht mehr vor¬
handen sind. Der Vater der im vorigen Kapitel eingeführten Geschwister hatte
den zweifelhaften Vorzug gehabt, mit einem der thüringischen Herzöge intim
befreundet zu sein- Jener Herzog war bekannt wegen seiner ausgesprochenen
Vorliebe für das Amüsante, was an und für sich gewiß recht lobenswert war.
Daß der Freiherr von Riffelshausen unter der amüsanten Umgebung des Herzogs
immer der amüsanteste blieb, hatte dem Hause Siebenhofen manchen herzoglichen
Besuch und auch eine wunderschöne Frau eingetragen, dem Baron aber den
besten Teil seines Vermögens gekostet. Die schöne Frau beschenkte ihren Manu
mit drei Kindern, von denen zwei, Bvhemund und Cäcilie, die aristokratischen
Züge der Riffelshausen trugen, die Adlernase, den stolzen Mund mit den fein
geschwungenen, schmalen Lippen, blane Augen, die im Zorne wie blanke Messer
blitzen konnten, und welliges, blondes Haar. Georg, der Jüngste, war der sanften,
dunkeläugiger Mutter nachgeartet. Er hatte das Unglück gehabt, durch einen
Sturz den Gebrauch seines rechten Fußes zu verlieren und ging seit Jahren
schon an einer Krücke. Selten verließ ihn der Ausdruck tiefen Ernstes und
ruhiger Sammlung, der den noch jungen Mann wohl um zehn Jahre älter
erscheinen ließ, als er war.

Nach dem Tode ihrer Eltern sahen sich die Geschwister genötigt, einen
großen Teil der kostbaren Luxusgegenstände, die sich in Siebenhofen angesammelt
hatten, zu verkaufen, sowie überhaupt das gesamte Hauswesen wesentlich einzu¬
schränken. Während der jüngere Bruder sich der Bewirtschaftung des vernach¬
lässigten Gutes annahm, zog Bohemund es vor, "auswärts" sein Glück zu
versuchen. Er wurde früh Offizier, verließ jedoch trotz raschen Avancements
die militärische Laufbahn, um die ihm von dem Nachfolger des amüsanten


Aus der «Lhronik derer von Riffelshausen.

Du Wirst freilich viel zu schaffen haben, arme Schwester, sagte er; doch
denke daran, wie langweilig dir diese einsamen Winterabende gewesen sind. Da
wird die Schwägerin eine angenehme Gesellschaft sein.

Die? rief Cäcilie, und ihre blauen Augen wurden scharf wie Stahl. Da
ist mir jede Kaufmannsfrau in Nummelshausen lieber.

Ich möchte doch wissen, was du eigentlich gegen die arme Therese ein¬
zuwenden hast! entgegnete Georg ärgerlich. Aber die Schwester packte mit
energischen Bewegungen das Strickzeug zusammen, legte es auf ihren Arbeits¬
tisch, nahm das Kaffeebrett und ging zur Thüre hinaus.




Zweites Aapitel.

Die Familie derer von Riffelshausen befand sich zwar in wenig glänzenden
Vermögensverhältnissen, gehörte aber doch nicht zu jener Klasse unsers armen
Adels, die von den alten, aus „besserer Zeit" stammenden Ansprüchen nicht
lassen kann, obgleich die Mittel zu deren Befriedigung längst nicht mehr vor¬
handen sind. Der Vater der im vorigen Kapitel eingeführten Geschwister hatte
den zweifelhaften Vorzug gehabt, mit einem der thüringischen Herzöge intim
befreundet zu sein- Jener Herzog war bekannt wegen seiner ausgesprochenen
Vorliebe für das Amüsante, was an und für sich gewiß recht lobenswert war.
Daß der Freiherr von Riffelshausen unter der amüsanten Umgebung des Herzogs
immer der amüsanteste blieb, hatte dem Hause Siebenhofen manchen herzoglichen
Besuch und auch eine wunderschöne Frau eingetragen, dem Baron aber den
besten Teil seines Vermögens gekostet. Die schöne Frau beschenkte ihren Manu
mit drei Kindern, von denen zwei, Bvhemund und Cäcilie, die aristokratischen
Züge der Riffelshausen trugen, die Adlernase, den stolzen Mund mit den fein
geschwungenen, schmalen Lippen, blane Augen, die im Zorne wie blanke Messer
blitzen konnten, und welliges, blondes Haar. Georg, der Jüngste, war der sanften,
dunkeläugiger Mutter nachgeartet. Er hatte das Unglück gehabt, durch einen
Sturz den Gebrauch seines rechten Fußes zu verlieren und ging seit Jahren
schon an einer Krücke. Selten verließ ihn der Ausdruck tiefen Ernstes und
ruhiger Sammlung, der den noch jungen Mann wohl um zehn Jahre älter
erscheinen ließ, als er war.

Nach dem Tode ihrer Eltern sahen sich die Geschwister genötigt, einen
großen Teil der kostbaren Luxusgegenstände, die sich in Siebenhofen angesammelt
hatten, zu verkaufen, sowie überhaupt das gesamte Hauswesen wesentlich einzu¬
schränken. Während der jüngere Bruder sich der Bewirtschaftung des vernach¬
lässigten Gutes annahm, zog Bohemund es vor, „auswärts" sein Glück zu
versuchen. Er wurde früh Offizier, verließ jedoch trotz raschen Avancements
die militärische Laufbahn, um die ihm von dem Nachfolger des amüsanten


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[0336] Aus der «Lhronik derer von Riffelshausen. Du Wirst freilich viel zu schaffen haben, arme Schwester, sagte er; doch denke daran, wie langweilig dir diese einsamen Winterabende gewesen sind. Da wird die Schwägerin eine angenehme Gesellschaft sein. Die? rief Cäcilie, und ihre blauen Augen wurden scharf wie Stahl. Da ist mir jede Kaufmannsfrau in Nummelshausen lieber. Ich möchte doch wissen, was du eigentlich gegen die arme Therese ein¬ zuwenden hast! entgegnete Georg ärgerlich. Aber die Schwester packte mit energischen Bewegungen das Strickzeug zusammen, legte es auf ihren Arbeits¬ tisch, nahm das Kaffeebrett und ging zur Thüre hinaus. Zweites Aapitel. Die Familie derer von Riffelshausen befand sich zwar in wenig glänzenden Vermögensverhältnissen, gehörte aber doch nicht zu jener Klasse unsers armen Adels, die von den alten, aus „besserer Zeit" stammenden Ansprüchen nicht lassen kann, obgleich die Mittel zu deren Befriedigung längst nicht mehr vor¬ handen sind. Der Vater der im vorigen Kapitel eingeführten Geschwister hatte den zweifelhaften Vorzug gehabt, mit einem der thüringischen Herzöge intim befreundet zu sein- Jener Herzog war bekannt wegen seiner ausgesprochenen Vorliebe für das Amüsante, was an und für sich gewiß recht lobenswert war. Daß der Freiherr von Riffelshausen unter der amüsanten Umgebung des Herzogs immer der amüsanteste blieb, hatte dem Hause Siebenhofen manchen herzoglichen Besuch und auch eine wunderschöne Frau eingetragen, dem Baron aber den besten Teil seines Vermögens gekostet. Die schöne Frau beschenkte ihren Manu mit drei Kindern, von denen zwei, Bvhemund und Cäcilie, die aristokratischen Züge der Riffelshausen trugen, die Adlernase, den stolzen Mund mit den fein geschwungenen, schmalen Lippen, blane Augen, die im Zorne wie blanke Messer blitzen konnten, und welliges, blondes Haar. Georg, der Jüngste, war der sanften, dunkeläugiger Mutter nachgeartet. Er hatte das Unglück gehabt, durch einen Sturz den Gebrauch seines rechten Fußes zu verlieren und ging seit Jahren schon an einer Krücke. Selten verließ ihn der Ausdruck tiefen Ernstes und ruhiger Sammlung, der den noch jungen Mann wohl um zehn Jahre älter erscheinen ließ, als er war. Nach dem Tode ihrer Eltern sahen sich die Geschwister genötigt, einen großen Teil der kostbaren Luxusgegenstände, die sich in Siebenhofen angesammelt hatten, zu verkaufen, sowie überhaupt das gesamte Hauswesen wesentlich einzu¬ schränken. Während der jüngere Bruder sich der Bewirtschaftung des vernach¬ lässigten Gutes annahm, zog Bohemund es vor, „auswärts" sein Glück zu versuchen. Er wurde früh Offizier, verließ jedoch trotz raschen Avancements die militärische Laufbahn, um die ihm von dem Nachfolger des amüsanten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/336>, abgerufen am 22.07.2024.