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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Der oberösterreichische Lauernphilosoph.

zu danken. Ihr seid die unermüdlichen Vorkämpfer der Kultur und der Hu¬
manität." Und welche kuriose Gesellschaft kommt zusammen, wenn man alle
seine "großen Männer, edeln Menschenfreunde," seine "Heiligen" nebeneinander
stellt: Roßmäßler, Roskoff (evangelischer Theolog, Verfasser der "Geschichte des
Teufels"), Feuerbach, Vogt, Ludwig Pfau, die freigcmeindlichcn Prediger Uhlich,
scholl, Baltzcr, dann Johannes Scherr (dessen Äußerungen angenehm von der
Mehrzahl der übrigen abstechen), Karl Heinzen, Hcickel, Karl Grün (Herausgeber
von Feuerbachs Nachlaß), Hellwald, Dühring, Paul Heyse, Moleschott, Bauern¬
feld, allerlei Wiener Literaten, Döbel-Port und die Schauspielerin Gallmeyer ?c.
Doch daß wir ihm nicht Unrecht thun: die Gallmeycr gehörte zu denjenigen,
welche den philosophischen Bauern als eine Sehenswürdigkeit aufsuchten. Von
solchen hatte Denbler natürlich auszustehen. Eine Nomanschreiberin teilt ihm
ganz unbefangen mit, sie wünsche seine Bekanntschaft, um sein Leben für einen
Roman zu benutzen, worauf sie die galante Antwort erhält: "Ich einfacher un¬
gebildeter Bauer bin freilich einer solchen Ehre nicht wert und Sie werden sich
an mir sehr enttäuscht finden. Dafür ist der Gewinn doppelt auf meiner Seite,
da die persönliche Bekanntschaft mit der Verfasserin vou . . . und . . . zu einem
meiner sehnlichsten Wünsche gehört." Einmal macht er auch "sehr bedenkliche"
Erfahrungen mit einem großen Manne. Wir möchten übrigens wohl wissen,
ob alle seine Korrespondenten in die Veröffentlichung ihrer Briefe gewilligt
haben, es wäre das von psychologischem Interesse. Zu dem ergötzlichsten gehört
ans jeden Fall eine Auseinandersetzung über das allgemeine Stimmrecht. Hell¬
wald fordert dasselbe, Denbler macht ihn auf die Gefährlichkeit dieser Waffe,
z. B. in den Händen der Geistlichkeit, aufmerksam, und Hellwald kann hiergegen
zwar nichts einwenden, führt jedoch ans, daß der Liberalismus prinzipiell auch
auf Programmpuukteu bestehen müsse, welche praktisch sich nicht bewähren.

Wie viel und was Deubler gelesen haben muß, ist zum Staunen. Er
benutzte dazu die Wintermonate, im Sommer wirtschaftete er fleißig, und, wie
man sieht, mit Verstand und geschäftlichem Talent, da fein Besitzstand sich fort¬
während hob, er Bauten ausführen, seiner Vücherliebhaberci fröhnen, aus¬
gedehnte Gastfreundschaft üben und sich noch in kräftigen Jahren auf einen
Ruhesitz zurückziehen konnte. Zu seinen letzten Erlebnissen gehörte das Luther¬
jubiläum, gegen dessen Feier, wie Professor Döbel-Port versichert, der Alte im
allgemeinen nichts einzuwenden hatte. Das war doch gütig von ihm.

Kurzum, der philosophische Bauer ist eine höchst interessante Figur und
hätte einen andern Biographen verdient.




Der oberösterreichische Lauernphilosoph.

zu danken. Ihr seid die unermüdlichen Vorkämpfer der Kultur und der Hu¬
manität." Und welche kuriose Gesellschaft kommt zusammen, wenn man alle
seine „großen Männer, edeln Menschenfreunde," seine „Heiligen" nebeneinander
stellt: Roßmäßler, Roskoff (evangelischer Theolog, Verfasser der „Geschichte des
Teufels"), Feuerbach, Vogt, Ludwig Pfau, die freigcmeindlichcn Prediger Uhlich,
scholl, Baltzcr, dann Johannes Scherr (dessen Äußerungen angenehm von der
Mehrzahl der übrigen abstechen), Karl Heinzen, Hcickel, Karl Grün (Herausgeber
von Feuerbachs Nachlaß), Hellwald, Dühring, Paul Heyse, Moleschott, Bauern¬
feld, allerlei Wiener Literaten, Döbel-Port und die Schauspielerin Gallmeyer ?c.
Doch daß wir ihm nicht Unrecht thun: die Gallmeycr gehörte zu denjenigen,
welche den philosophischen Bauern als eine Sehenswürdigkeit aufsuchten. Von
solchen hatte Denbler natürlich auszustehen. Eine Nomanschreiberin teilt ihm
ganz unbefangen mit, sie wünsche seine Bekanntschaft, um sein Leben für einen
Roman zu benutzen, worauf sie die galante Antwort erhält: „Ich einfacher un¬
gebildeter Bauer bin freilich einer solchen Ehre nicht wert und Sie werden sich
an mir sehr enttäuscht finden. Dafür ist der Gewinn doppelt auf meiner Seite,
da die persönliche Bekanntschaft mit der Verfasserin vou . . . und . . . zu einem
meiner sehnlichsten Wünsche gehört." Einmal macht er auch „sehr bedenkliche"
Erfahrungen mit einem großen Manne. Wir möchten übrigens wohl wissen,
ob alle seine Korrespondenten in die Veröffentlichung ihrer Briefe gewilligt
haben, es wäre das von psychologischem Interesse. Zu dem ergötzlichsten gehört
ans jeden Fall eine Auseinandersetzung über das allgemeine Stimmrecht. Hell¬
wald fordert dasselbe, Denbler macht ihn auf die Gefährlichkeit dieser Waffe,
z. B. in den Händen der Geistlichkeit, aufmerksam, und Hellwald kann hiergegen
zwar nichts einwenden, führt jedoch ans, daß der Liberalismus prinzipiell auch
auf Programmpuukteu bestehen müsse, welche praktisch sich nicht bewähren.

Wie viel und was Deubler gelesen haben muß, ist zum Staunen. Er
benutzte dazu die Wintermonate, im Sommer wirtschaftete er fleißig, und, wie
man sieht, mit Verstand und geschäftlichem Talent, da fein Besitzstand sich fort¬
während hob, er Bauten ausführen, seiner Vücherliebhaberci fröhnen, aus¬
gedehnte Gastfreundschaft üben und sich noch in kräftigen Jahren auf einen
Ruhesitz zurückziehen konnte. Zu seinen letzten Erlebnissen gehörte das Luther¬
jubiläum, gegen dessen Feier, wie Professor Döbel-Port versichert, der Alte im
allgemeinen nichts einzuwenden hatte. Das war doch gütig von ihm.

Kurzum, der philosophische Bauer ist eine höchst interessante Figur und
hätte einen andern Biographen verdient.




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[0029] Der oberösterreichische Lauernphilosoph. zu danken. Ihr seid die unermüdlichen Vorkämpfer der Kultur und der Hu¬ manität." Und welche kuriose Gesellschaft kommt zusammen, wenn man alle seine „großen Männer, edeln Menschenfreunde," seine „Heiligen" nebeneinander stellt: Roßmäßler, Roskoff (evangelischer Theolog, Verfasser der „Geschichte des Teufels"), Feuerbach, Vogt, Ludwig Pfau, die freigcmeindlichcn Prediger Uhlich, scholl, Baltzcr, dann Johannes Scherr (dessen Äußerungen angenehm von der Mehrzahl der übrigen abstechen), Karl Heinzen, Hcickel, Karl Grün (Herausgeber von Feuerbachs Nachlaß), Hellwald, Dühring, Paul Heyse, Moleschott, Bauern¬ feld, allerlei Wiener Literaten, Döbel-Port und die Schauspielerin Gallmeyer ?c. Doch daß wir ihm nicht Unrecht thun: die Gallmeycr gehörte zu denjenigen, welche den philosophischen Bauern als eine Sehenswürdigkeit aufsuchten. Von solchen hatte Denbler natürlich auszustehen. Eine Nomanschreiberin teilt ihm ganz unbefangen mit, sie wünsche seine Bekanntschaft, um sein Leben für einen Roman zu benutzen, worauf sie die galante Antwort erhält: „Ich einfacher un¬ gebildeter Bauer bin freilich einer solchen Ehre nicht wert und Sie werden sich an mir sehr enttäuscht finden. Dafür ist der Gewinn doppelt auf meiner Seite, da die persönliche Bekanntschaft mit der Verfasserin vou . . . und . . . zu einem meiner sehnlichsten Wünsche gehört." Einmal macht er auch „sehr bedenkliche" Erfahrungen mit einem großen Manne. Wir möchten übrigens wohl wissen, ob alle seine Korrespondenten in die Veröffentlichung ihrer Briefe gewilligt haben, es wäre das von psychologischem Interesse. Zu dem ergötzlichsten gehört ans jeden Fall eine Auseinandersetzung über das allgemeine Stimmrecht. Hell¬ wald fordert dasselbe, Denbler macht ihn auf die Gefährlichkeit dieser Waffe, z. B. in den Händen der Geistlichkeit, aufmerksam, und Hellwald kann hiergegen zwar nichts einwenden, führt jedoch ans, daß der Liberalismus prinzipiell auch auf Programmpuukteu bestehen müsse, welche praktisch sich nicht bewähren. Wie viel und was Deubler gelesen haben muß, ist zum Staunen. Er benutzte dazu die Wintermonate, im Sommer wirtschaftete er fleißig, und, wie man sieht, mit Verstand und geschäftlichem Talent, da fein Besitzstand sich fort¬ während hob, er Bauten ausführen, seiner Vücherliebhaberci fröhnen, aus¬ gedehnte Gastfreundschaft üben und sich noch in kräftigen Jahren auf einen Ruhesitz zurückziehen konnte. Zu seinen letzten Erlebnissen gehörte das Luther¬ jubiläum, gegen dessen Feier, wie Professor Döbel-Port versichert, der Alte im allgemeinen nichts einzuwenden hatte. Das war doch gütig von ihm. Kurzum, der philosophische Bauer ist eine höchst interessante Figur und hätte einen andern Biographen verdient.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/29>, abgerufen am 03.07.2024.