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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Lamoens.

und flüsterte ihm ins Ohr: Ich errate, wer die fromme Schwester ist, welche
in der Unruhe ihrer Krankheit um sein Schicksal Sorge getragen hat! Die
Herzogin von Braganza hat mir die Wahrheit gesagt, als ich sie flehentlich
um ein Wort über Catalinas Schicksal bat. Sie lebt, sucht für sich Frieden
in Werken des Erbarmens für andre, sprach sie kurz und ihr finsteres Gesicht
erhellte sich für einen Augenblick, dann brach sie kurz ab. Du warst es, Ma¬
nuel, der an ihren Tod glaubte; jetzt aber bin ich gewiß, daß Catariua sich
hier verbirgt und daß ich auch sie sehen werde.

Sie folgten dem greisen Priester durch die hochgewölbten Gänge des Erd¬
geschosses und hielten die Schritte inne und den Atem an, als er vor einer
Zelle stillstand. Esmah richtete einen fragenden Blick auf den ehrwürdigen
Führer und flüsterte: Ist es hier, mein Vater, wo unser Freund weilt? Und
Pflegt ihn jene Schwester, von der Ihr sagtet?

Niemand pflegt ihn, als die alte Schwester Ines, entgegnete der Priester
mit einiger Befangenheit. Der Kranke darf nicht wissen, daß die, welche um
ihn und für ihn gesorgt hat, in diesem Hause weilt, uur Euch ward es ge¬
sagt -- vielleicht wäre es meine Pflicht gewesen, auch gegen Euch zu schweigen!

Seid unbesorgt, Ehrwürdiger, wir werden Euer Vertrauen zu ehren wissen,
versetzte Barreto und wandte sich dann zu seinem Weibe und seinem alten
Steuermann. Geht Bartolomeo voran und bereitet ihn auf unser Kommen vor?

Nicht doch! fiel Esmah mit lebhafter Bewegung ein. Ich werde zuerst
eintreten, mein Anblick wird ihn nicht erschrecken, noch erregen. Ihr aber harrt
Meines Rufes und sollt nicht lange harren.

Der Hospitalpriester hatte die Thür zu der Zelle geöffnet, Esmah folgte
ihm lautlos in das hochgewölbte längliche Gemach. Es war völlig schlicht: eine
Strohmatte über dem steinernen Fußboden, ein gutes Lager, ein Hvlztisch, ein
Sessel für die Pflegerin und ein schlichtes Kruzifix bildeten die ganze Aus¬
stattung. Aber das geöffnete einzige Fenster war hoch und breit, der Blick des
hier ruhenden konnte auf die blühenden Bänme des Klostergartens schweifen
und ein Stück des lichten Abendhimmels sehen. Der Kranke, welcher niemand
als den Priester oder die pflegende Ordensschwester erwartet hatte, wandte sein
Haupt laugsam der Thür zu, Esmahs Augen, die sich augenblicklich mit Thränen
füllten, schauten in ein bleiches Gesicht, mit tiefen Leidensspuren, aber von
edlem, stillgefaßtem Ausdruck. In Camoens' Auge blitzte, wie sie hinter dem
Priester hervortrat, ein Strahl des Erkennens auf. er streckte die Hände vor
sich hin, sie wußte nicht, ob seine Bewegung freudig oder abwehrend sei, aber
sie trat rasch an sein Lager heran, bot ihm ihre Wange und sagte herzlich: Gott
sei gepriesen, daß Ihr es seid, Senhor Luis, Manuel wollte an das Glück des
Wiederfindens nicht glauben, ich aber war gewiß, daß Ihr zu uns gekommen
sein würdet, wenn die Krankheit nicht Euern Vorsatz gehemmt hätte.

Camoens schüttelte leicht das Haupt: Ich wagte nicht zu hoffe", Herrin,


Lamoens.

und flüsterte ihm ins Ohr: Ich errate, wer die fromme Schwester ist, welche
in der Unruhe ihrer Krankheit um sein Schicksal Sorge getragen hat! Die
Herzogin von Braganza hat mir die Wahrheit gesagt, als ich sie flehentlich
um ein Wort über Catalinas Schicksal bat. Sie lebt, sucht für sich Frieden
in Werken des Erbarmens für andre, sprach sie kurz und ihr finsteres Gesicht
erhellte sich für einen Augenblick, dann brach sie kurz ab. Du warst es, Ma¬
nuel, der an ihren Tod glaubte; jetzt aber bin ich gewiß, daß Catariua sich
hier verbirgt und daß ich auch sie sehen werde.

Sie folgten dem greisen Priester durch die hochgewölbten Gänge des Erd¬
geschosses und hielten die Schritte inne und den Atem an, als er vor einer
Zelle stillstand. Esmah richtete einen fragenden Blick auf den ehrwürdigen
Führer und flüsterte: Ist es hier, mein Vater, wo unser Freund weilt? Und
Pflegt ihn jene Schwester, von der Ihr sagtet?

Niemand pflegt ihn, als die alte Schwester Ines, entgegnete der Priester
mit einiger Befangenheit. Der Kranke darf nicht wissen, daß die, welche um
ihn und für ihn gesorgt hat, in diesem Hause weilt, uur Euch ward es ge¬
sagt — vielleicht wäre es meine Pflicht gewesen, auch gegen Euch zu schweigen!

Seid unbesorgt, Ehrwürdiger, wir werden Euer Vertrauen zu ehren wissen,
versetzte Barreto und wandte sich dann zu seinem Weibe und seinem alten
Steuermann. Geht Bartolomeo voran und bereitet ihn auf unser Kommen vor?

Nicht doch! fiel Esmah mit lebhafter Bewegung ein. Ich werde zuerst
eintreten, mein Anblick wird ihn nicht erschrecken, noch erregen. Ihr aber harrt
Meines Rufes und sollt nicht lange harren.

Der Hospitalpriester hatte die Thür zu der Zelle geöffnet, Esmah folgte
ihm lautlos in das hochgewölbte längliche Gemach. Es war völlig schlicht: eine
Strohmatte über dem steinernen Fußboden, ein gutes Lager, ein Hvlztisch, ein
Sessel für die Pflegerin und ein schlichtes Kruzifix bildeten die ganze Aus¬
stattung. Aber das geöffnete einzige Fenster war hoch und breit, der Blick des
hier ruhenden konnte auf die blühenden Bänme des Klostergartens schweifen
und ein Stück des lichten Abendhimmels sehen. Der Kranke, welcher niemand
als den Priester oder die pflegende Ordensschwester erwartet hatte, wandte sein
Haupt laugsam der Thür zu, Esmahs Augen, die sich augenblicklich mit Thränen
füllten, schauten in ein bleiches Gesicht, mit tiefen Leidensspuren, aber von
edlem, stillgefaßtem Ausdruck. In Camoens' Auge blitzte, wie sie hinter dem
Priester hervortrat, ein Strahl des Erkennens auf. er streckte die Hände vor
sich hin, sie wußte nicht, ob seine Bewegung freudig oder abwehrend sei, aber
sie trat rasch an sein Lager heran, bot ihm ihre Wange und sagte herzlich: Gott
sei gepriesen, daß Ihr es seid, Senhor Luis, Manuel wollte an das Glück des
Wiederfindens nicht glauben, ich aber war gewiß, daß Ihr zu uns gekommen
sein würdet, wenn die Krankheit nicht Euern Vorsatz gehemmt hätte.

Camoens schüttelte leicht das Haupt: Ich wagte nicht zu hoffe», Herrin,


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[0287] Lamoens. und flüsterte ihm ins Ohr: Ich errate, wer die fromme Schwester ist, welche in der Unruhe ihrer Krankheit um sein Schicksal Sorge getragen hat! Die Herzogin von Braganza hat mir die Wahrheit gesagt, als ich sie flehentlich um ein Wort über Catalinas Schicksal bat. Sie lebt, sucht für sich Frieden in Werken des Erbarmens für andre, sprach sie kurz und ihr finsteres Gesicht erhellte sich für einen Augenblick, dann brach sie kurz ab. Du warst es, Ma¬ nuel, der an ihren Tod glaubte; jetzt aber bin ich gewiß, daß Catariua sich hier verbirgt und daß ich auch sie sehen werde. Sie folgten dem greisen Priester durch die hochgewölbten Gänge des Erd¬ geschosses und hielten die Schritte inne und den Atem an, als er vor einer Zelle stillstand. Esmah richtete einen fragenden Blick auf den ehrwürdigen Führer und flüsterte: Ist es hier, mein Vater, wo unser Freund weilt? Und Pflegt ihn jene Schwester, von der Ihr sagtet? Niemand pflegt ihn, als die alte Schwester Ines, entgegnete der Priester mit einiger Befangenheit. Der Kranke darf nicht wissen, daß die, welche um ihn und für ihn gesorgt hat, in diesem Hause weilt, uur Euch ward es ge¬ sagt — vielleicht wäre es meine Pflicht gewesen, auch gegen Euch zu schweigen! Seid unbesorgt, Ehrwürdiger, wir werden Euer Vertrauen zu ehren wissen, versetzte Barreto und wandte sich dann zu seinem Weibe und seinem alten Steuermann. Geht Bartolomeo voran und bereitet ihn auf unser Kommen vor? Nicht doch! fiel Esmah mit lebhafter Bewegung ein. Ich werde zuerst eintreten, mein Anblick wird ihn nicht erschrecken, noch erregen. Ihr aber harrt Meines Rufes und sollt nicht lange harren. Der Hospitalpriester hatte die Thür zu der Zelle geöffnet, Esmah folgte ihm lautlos in das hochgewölbte längliche Gemach. Es war völlig schlicht: eine Strohmatte über dem steinernen Fußboden, ein gutes Lager, ein Hvlztisch, ein Sessel für die Pflegerin und ein schlichtes Kruzifix bildeten die ganze Aus¬ stattung. Aber das geöffnete einzige Fenster war hoch und breit, der Blick des hier ruhenden konnte auf die blühenden Bänme des Klostergartens schweifen und ein Stück des lichten Abendhimmels sehen. Der Kranke, welcher niemand als den Priester oder die pflegende Ordensschwester erwartet hatte, wandte sein Haupt laugsam der Thür zu, Esmahs Augen, die sich augenblicklich mit Thränen füllten, schauten in ein bleiches Gesicht, mit tiefen Leidensspuren, aber von edlem, stillgefaßtem Ausdruck. In Camoens' Auge blitzte, wie sie hinter dem Priester hervortrat, ein Strahl des Erkennens auf. er streckte die Hände vor sich hin, sie wußte nicht, ob seine Bewegung freudig oder abwehrend sei, aber sie trat rasch an sein Lager heran, bot ihm ihre Wange und sagte herzlich: Gott sei gepriesen, daß Ihr es seid, Senhor Luis, Manuel wollte an das Glück des Wiederfindens nicht glauben, ich aber war gewiß, daß Ihr zu uns gekommen sein würdet, wenn die Krankheit nicht Euern Vorsatz gehemmt hätte. Camoens schüttelte leicht das Haupt: Ich wagte nicht zu hoffe», Herrin,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/287>, abgerufen am 22.07.2024.