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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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"Lamoens.

getrieben, als ihn mein Flehen ein letztesmal zögern ließ! Ich -- kenne Euch
ganz; Fray Tcllez Alucita hat mich nicht umsonst in der Stunde, da er Dom
Sebastian grausam von mir trennte, an Euch verwiesen. Ich war bereit, für
meine Sünden jede Buße auf mich zu nehmen, aber daß eben Euer Antlitz das
erste sein muß, das ich in Portugal erblicke, ist härtere Buße als ich verdient
habe! Reiche mir deinen Arm, Miraflores, wir dürfen hier nicht warten. Nach
dem Kloster der heiligen Anna, wie ich es gesagt!

Catarina Palmeirim verstummte und wandte sich, ihre leidensblasscn Züge
wieder verhüllend, ab. Aber auch Camoens war nach einem einzigen lauten
Aufschrei verstummt, und während in den gedrängten Zuschaucrreihen, die sich
vor der hohen Frauengestalt bereitwillig und ehrfurchtsvoll öffneten, sein Name
unter Flüchen und Drohungen wiederholt ward, lag der Träger dieses Namens
bewußtlos zwischen den verwundeten Kriegern, welche man aus den Tanger¬
schiffen getragen und am Ufer niedergelegt hatte.




Zwölftes Aapitel.

Im Sonnenuntergange eines Frühlingsabends, in dem die blühenden Gärten
längs des Tajo wie die Wellen des Stromes in rosiges Licht getaucht schienen
und die scheidenden Sonnenstrahlen die ersten berauschenden Düfte der Lenz¬
nacht hervorzulocken begannen, gingen in einem entlegenen Stadtteile von
Lissabon drei Gestalten hin und wieder, die in minder stillen Straßen durch
die Verschiedenheit ihrer Erscheinung, wie durch den Eifer ihres Gesprächs auf¬
gefallen wären. Hier freilich, zwischen den langgestreckten Garten- und Hof-
maueru, über die man nur von fern einige Gebäude und sonst nur lange Reihen
von Vaumwipfeln emporragen sah, welche in voller Blütenpracht standen, be¬
gegnete den dreien so gut wie niemand, und Senhor Manuel Barreto hatte
anch vorhin, als er seiner jungen Gemahlin aus der Sänfte half und die Träger
nach einer weit zurückliegenden Kirchenpforte wegschickte, die einsame Straße
mit umso größerer Zufriedenheit begrüßt, als er den Mann in ihr harren sah,
den er hier zu finden gewünscht hatte. Vartolomeo Okaz, der ehemalige Steuer¬
mann, war mit stürmischer Eile auf seinen alten Gönner zugeschritten, aber
die edle Haltung und die fremdartige Schönheit der jungen Frau neben Senhor
Manuel ließen ihn bald etwas zögern und zuletzt mit einen: ungeschickten Ver¬
suche enden, der Dame den Saum des dunkelgrüne" reichen Seidenkleides zu
küssen. Esmah Catarina, welche Okaz aus Erzählungen ihres Gatten kannte,
reichte ihm lächelnd ihre Hand zum Kuß und sah gleich Barreto erwartend auf
die Lippen des Wackern, die sich heute nicht öffnen wollten.

Nun Alter, wir sind deinem dringenden Rufe gefolgt und hoffen, daß du
diesmal glücklicher gewesen bist, als früher wir selbst! hub Barreto an. Soivie


«Lamoens.

getrieben, als ihn mein Flehen ein letztesmal zögern ließ! Ich — kenne Euch
ganz; Fray Tcllez Alucita hat mich nicht umsonst in der Stunde, da er Dom
Sebastian grausam von mir trennte, an Euch verwiesen. Ich war bereit, für
meine Sünden jede Buße auf mich zu nehmen, aber daß eben Euer Antlitz das
erste sein muß, das ich in Portugal erblicke, ist härtere Buße als ich verdient
habe! Reiche mir deinen Arm, Miraflores, wir dürfen hier nicht warten. Nach
dem Kloster der heiligen Anna, wie ich es gesagt!

Catarina Palmeirim verstummte und wandte sich, ihre leidensblasscn Züge
wieder verhüllend, ab. Aber auch Camoens war nach einem einzigen lauten
Aufschrei verstummt, und während in den gedrängten Zuschaucrreihen, die sich
vor der hohen Frauengestalt bereitwillig und ehrfurchtsvoll öffneten, sein Name
unter Flüchen und Drohungen wiederholt ward, lag der Träger dieses Namens
bewußtlos zwischen den verwundeten Kriegern, welche man aus den Tanger¬
schiffen getragen und am Ufer niedergelegt hatte.




Zwölftes Aapitel.

Im Sonnenuntergange eines Frühlingsabends, in dem die blühenden Gärten
längs des Tajo wie die Wellen des Stromes in rosiges Licht getaucht schienen
und die scheidenden Sonnenstrahlen die ersten berauschenden Düfte der Lenz¬
nacht hervorzulocken begannen, gingen in einem entlegenen Stadtteile von
Lissabon drei Gestalten hin und wieder, die in minder stillen Straßen durch
die Verschiedenheit ihrer Erscheinung, wie durch den Eifer ihres Gesprächs auf¬
gefallen wären. Hier freilich, zwischen den langgestreckten Garten- und Hof-
maueru, über die man nur von fern einige Gebäude und sonst nur lange Reihen
von Vaumwipfeln emporragen sah, welche in voller Blütenpracht standen, be¬
gegnete den dreien so gut wie niemand, und Senhor Manuel Barreto hatte
anch vorhin, als er seiner jungen Gemahlin aus der Sänfte half und die Träger
nach einer weit zurückliegenden Kirchenpforte wegschickte, die einsame Straße
mit umso größerer Zufriedenheit begrüßt, als er den Mann in ihr harren sah,
den er hier zu finden gewünscht hatte. Vartolomeo Okaz, der ehemalige Steuer¬
mann, war mit stürmischer Eile auf seinen alten Gönner zugeschritten, aber
die edle Haltung und die fremdartige Schönheit der jungen Frau neben Senhor
Manuel ließen ihn bald etwas zögern und zuletzt mit einen: ungeschickten Ver¬
suche enden, der Dame den Saum des dunkelgrüne» reichen Seidenkleides zu
küssen. Esmah Catarina, welche Okaz aus Erzählungen ihres Gatten kannte,
reichte ihm lächelnd ihre Hand zum Kuß und sah gleich Barreto erwartend auf
die Lippen des Wackern, die sich heute nicht öffnen wollten.

Nun Alter, wir sind deinem dringenden Rufe gefolgt und hoffen, daß du
diesmal glücklicher gewesen bist, als früher wir selbst! hub Barreto an. Soivie


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[0282] «Lamoens. getrieben, als ihn mein Flehen ein letztesmal zögern ließ! Ich — kenne Euch ganz; Fray Tcllez Alucita hat mich nicht umsonst in der Stunde, da er Dom Sebastian grausam von mir trennte, an Euch verwiesen. Ich war bereit, für meine Sünden jede Buße auf mich zu nehmen, aber daß eben Euer Antlitz das erste sein muß, das ich in Portugal erblicke, ist härtere Buße als ich verdient habe! Reiche mir deinen Arm, Miraflores, wir dürfen hier nicht warten. Nach dem Kloster der heiligen Anna, wie ich es gesagt! Catarina Palmeirim verstummte und wandte sich, ihre leidensblasscn Züge wieder verhüllend, ab. Aber auch Camoens war nach einem einzigen lauten Aufschrei verstummt, und während in den gedrängten Zuschaucrreihen, die sich vor der hohen Frauengestalt bereitwillig und ehrfurchtsvoll öffneten, sein Name unter Flüchen und Drohungen wiederholt ward, lag der Träger dieses Namens bewußtlos zwischen den verwundeten Kriegern, welche man aus den Tanger¬ schiffen getragen und am Ufer niedergelegt hatte. Zwölftes Aapitel. Im Sonnenuntergange eines Frühlingsabends, in dem die blühenden Gärten längs des Tajo wie die Wellen des Stromes in rosiges Licht getaucht schienen und die scheidenden Sonnenstrahlen die ersten berauschenden Düfte der Lenz¬ nacht hervorzulocken begannen, gingen in einem entlegenen Stadtteile von Lissabon drei Gestalten hin und wieder, die in minder stillen Straßen durch die Verschiedenheit ihrer Erscheinung, wie durch den Eifer ihres Gesprächs auf¬ gefallen wären. Hier freilich, zwischen den langgestreckten Garten- und Hof- maueru, über die man nur von fern einige Gebäude und sonst nur lange Reihen von Vaumwipfeln emporragen sah, welche in voller Blütenpracht standen, be¬ gegnete den dreien so gut wie niemand, und Senhor Manuel Barreto hatte anch vorhin, als er seiner jungen Gemahlin aus der Sänfte half und die Träger nach einer weit zurückliegenden Kirchenpforte wegschickte, die einsame Straße mit umso größerer Zufriedenheit begrüßt, als er den Mann in ihr harren sah, den er hier zu finden gewünscht hatte. Vartolomeo Okaz, der ehemalige Steuer¬ mann, war mit stürmischer Eile auf seinen alten Gönner zugeschritten, aber die edle Haltung und die fremdartige Schönheit der jungen Frau neben Senhor Manuel ließen ihn bald etwas zögern und zuletzt mit einen: ungeschickten Ver¬ suche enden, der Dame den Saum des dunkelgrüne» reichen Seidenkleides zu küssen. Esmah Catarina, welche Okaz aus Erzählungen ihres Gatten kannte, reichte ihm lächelnd ihre Hand zum Kuß und sah gleich Barreto erwartend auf die Lippen des Wackern, die sich heute nicht öffnen wollten. Nun Alter, wir sind deinem dringenden Rufe gefolgt und hoffen, daß du diesmal glücklicher gewesen bist, als früher wir selbst! hub Barreto an. Soivie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/282>, abgerufen am 22.07.2024.