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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Kunstausstellung.

läßt sich die alte eingewurzelte Gewohnheit selbst mit militärischer Dazwischen-
kunft nicht ganz unterdrücken. Der Unfug in seiner ganzen Größe besteht bei
den Griechen nnter türkischer Herrschaft. Diese kennt keine Polizei und läßt mit
vollkommener Indolenz gewähren. Man muß das Schauspiel des ewigen Feuers
in der Grabeskirche in Jerusalem gesehen haben, um sich davon einen Begriff
zu machen.

Apropos Polizei. Daß die Rotjacken mit schmutzigen Hosen und zerrissenen
Stiefel" und meist ohne Kopfbedeckung, welchen diese wichtige Errungenschaft
europäischer Zivilisation zur Ausübung obliegt, mit der Strammheit und
Sauberkeit deutscher Schutzmänner keinen Vergleich aushalten, will ich gern zu¬
geben. Es ist indes darum mit der Ordnung und Sicherheit in Athen nicht
schlechter bestellt als in unsern großen Städten, wo man an jeder Ecke hört
und liest, was alles bei Geld- und Freiheitsstrafe verboten ist. Die Statistik
unsrer Kriminal- und Zuchtpolizeigerichte füllt weit längere Tabellen aus. Man
glaubt hier eben nicht alles reglementiren nud diszipliniren zu sollen, und wo
man eingreifen muß, geschieht es in maßvoller Weise und mit Einhaltung an¬
ständiger und höflicher Form, die in südlichen Ländern den Leuten im Blute
liegt und die keiner dem andern versagt. Wer lange in der Fremde gelebt und
verkehrt hat, wird diesen Unterschied sehr augenehm empfunden haben.




T>le Historienmalerei
auf der Berliner Jubiläums-Runstausstellung.
von Adolf Rosenberg. 2.

in größten wird die Schwierigkeit bei der Klassifizirung von
Gemälden geschichtlichen Inhalts, wenn man das eigentliche
Historienbild von dem historischen Genre scheiden und dabei nur
die Bedeutung des Gegenstandes, nicht die Art der künstlerischen
Ausführung, als Maßstab gelten lassen will. Der Kunstkritiker
muß sich das Rüstzeug des Historikers leihen, um das geschichtlich Bedeutende
und für die Folgezeit nachwirkende von dem Nebensächlichen und Genrehafteu
zu trennen. Dabei wird er nur in seltenen Fällen zu einer sichern und un¬
anfechtbaren Entscheidung gelangen. Es kann z. B. keinem Zweifel unterliegen,


Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Kunstausstellung.

läßt sich die alte eingewurzelte Gewohnheit selbst mit militärischer Dazwischen-
kunft nicht ganz unterdrücken. Der Unfug in seiner ganzen Größe besteht bei
den Griechen nnter türkischer Herrschaft. Diese kennt keine Polizei und läßt mit
vollkommener Indolenz gewähren. Man muß das Schauspiel des ewigen Feuers
in der Grabeskirche in Jerusalem gesehen haben, um sich davon einen Begriff
zu machen.

Apropos Polizei. Daß die Rotjacken mit schmutzigen Hosen und zerrissenen
Stiefel» und meist ohne Kopfbedeckung, welchen diese wichtige Errungenschaft
europäischer Zivilisation zur Ausübung obliegt, mit der Strammheit und
Sauberkeit deutscher Schutzmänner keinen Vergleich aushalten, will ich gern zu¬
geben. Es ist indes darum mit der Ordnung und Sicherheit in Athen nicht
schlechter bestellt als in unsern großen Städten, wo man an jeder Ecke hört
und liest, was alles bei Geld- und Freiheitsstrafe verboten ist. Die Statistik
unsrer Kriminal- und Zuchtpolizeigerichte füllt weit längere Tabellen aus. Man
glaubt hier eben nicht alles reglementiren nud diszipliniren zu sollen, und wo
man eingreifen muß, geschieht es in maßvoller Weise und mit Einhaltung an¬
ständiger und höflicher Form, die in südlichen Ländern den Leuten im Blute
liegt und die keiner dem andern versagt. Wer lange in der Fremde gelebt und
verkehrt hat, wird diesen Unterschied sehr augenehm empfunden haben.




T>le Historienmalerei
auf der Berliner Jubiläums-Runstausstellung.
von Adolf Rosenberg. 2.

in größten wird die Schwierigkeit bei der Klassifizirung von
Gemälden geschichtlichen Inhalts, wenn man das eigentliche
Historienbild von dem historischen Genre scheiden und dabei nur
die Bedeutung des Gegenstandes, nicht die Art der künstlerischen
Ausführung, als Maßstab gelten lassen will. Der Kunstkritiker
muß sich das Rüstzeug des Historikers leihen, um das geschichtlich Bedeutende
und für die Folgezeit nachwirkende von dem Nebensächlichen und Genrehafteu
zu trennen. Dabei wird er nur in seltenen Fällen zu einer sichern und un¬
anfechtbaren Entscheidung gelangen. Es kann z. B. keinem Zweifel unterliegen,


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[0266] Die Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Kunstausstellung. läßt sich die alte eingewurzelte Gewohnheit selbst mit militärischer Dazwischen- kunft nicht ganz unterdrücken. Der Unfug in seiner ganzen Größe besteht bei den Griechen nnter türkischer Herrschaft. Diese kennt keine Polizei und läßt mit vollkommener Indolenz gewähren. Man muß das Schauspiel des ewigen Feuers in der Grabeskirche in Jerusalem gesehen haben, um sich davon einen Begriff zu machen. Apropos Polizei. Daß die Rotjacken mit schmutzigen Hosen und zerrissenen Stiefel» und meist ohne Kopfbedeckung, welchen diese wichtige Errungenschaft europäischer Zivilisation zur Ausübung obliegt, mit der Strammheit und Sauberkeit deutscher Schutzmänner keinen Vergleich aushalten, will ich gern zu¬ geben. Es ist indes darum mit der Ordnung und Sicherheit in Athen nicht schlechter bestellt als in unsern großen Städten, wo man an jeder Ecke hört und liest, was alles bei Geld- und Freiheitsstrafe verboten ist. Die Statistik unsrer Kriminal- und Zuchtpolizeigerichte füllt weit längere Tabellen aus. Man glaubt hier eben nicht alles reglementiren nud diszipliniren zu sollen, und wo man eingreifen muß, geschieht es in maßvoller Weise und mit Einhaltung an¬ ständiger und höflicher Form, die in südlichen Ländern den Leuten im Blute liegt und die keiner dem andern versagt. Wer lange in der Fremde gelebt und verkehrt hat, wird diesen Unterschied sehr augenehm empfunden haben. T>le Historienmalerei auf der Berliner Jubiläums-Runstausstellung. von Adolf Rosenberg. 2. in größten wird die Schwierigkeit bei der Klassifizirung von Gemälden geschichtlichen Inhalts, wenn man das eigentliche Historienbild von dem historischen Genre scheiden und dabei nur die Bedeutung des Gegenstandes, nicht die Art der künstlerischen Ausführung, als Maßstab gelten lassen will. Der Kunstkritiker muß sich das Rüstzeug des Historikers leihen, um das geschichtlich Bedeutende und für die Folgezeit nachwirkende von dem Nebensächlichen und Genrehafteu zu trennen. Dabei wird er nur in seltenen Fällen zu einer sichern und un¬ anfechtbaren Entscheidung gelangen. Es kann z. B. keinem Zweifel unterliegen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/266>, abgerufen am 22.07.2024.