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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Skizzen aus der Levante und Griechenland.

wer eintritt, hat seinen Besitz, ob groß oder klein, dem Kloster zu schenken; bei
der andern besteht eine Art von Teilung, sodaß jeder Mönch ein abgegrenztes
Stück Land erhält, das er bebaut oder bebauen läßt und über dessen Er¬
trägnis er verfügen kann. In frühern Zeiten war dies ganz bedeutend, die
griechische Regierung hat aber viel davon eingezogen und trachtet darnach, das
ganze Institut aufzuheben. Dagegen begegnet man ihm noch häufig in den
türkischen Provinzen, und seinen berühmten Sitz und Mittelpunkt hat es aus
dem heiligen Berge der Halbinsel Athos. Nonnenklöster kommen nur auf den
Inseln vor, sie rekrntiren sich meist aus den Frauen der Papas, die sich, wenn
sie in ein höheres Amt aufsteigen, von ihnen trennen müssen. Für die Kranken¬
pflege bildet man jetzt barmherzige Schwestern aus, aber ohne Ordensregel und
Gelübde. Überhaupt steht der Cölibat in Griechenland durchaus nicht in An¬
sehen, man sucht vielmehr eine Ehre darin, sich frühzeitig zu verheiraten und
möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen. Seit der politischen Selbständigkeit
ist die Kirche von dem Patriarchat in Konstantinopel vollständig emanzipirt,
dasselbe genießt nur noch formelle Auszeichnung, so sendet es z. B. das heilige
Salböl. Die oberste Kirchengewalt bildet eine Synode von fünf geistlichen und
zwei weltlichen Mitgliedern. Der höchste Würdenträger ist der Metropolit in
Athen, sodann giebt es zehn Erzbischöfe und vielleicht die doppelte Zahl von
Bischöfen, außerdem viele Archimandriten (Diakonen). Alle werden von Staate
bezahlt, aber in überaus bescheidenem Maße. Der höchste Gehalt ist zehn¬
tausend Franks.

Ich bin manchmal in Klöstern eingekehrt, habe sie aber mehr weltlich als
geistlich gefunden. Der Hegumenos (Abt) desjenigen, das auf dem Schlachtfelde
von Charonea liegt, hatte unter Oberst Fabrier in Morea gckümpft, und in
seiner Zelle hingen verschiedne erbeutete Türkenwaffen, sogar die Trophäen eines
Schädels. Dabei war er Freund und Kenner der alten Literatur, und als ich
ihn begrüßte, legte er ein Buch weg, das sich später als Thevkrits Jdhllen er¬
wies. Wie alle Griechen sind auch die Priester leidenschaftliche Politiker, aber
keine Reaktionäre, wie bei uns, sie erstreben für sich keine Herrschaft und sind
Patrioten mit Leib und Seele.

Das Hauptfest der Griechen ist Ostern und es wird mit einer Ausge¬
lassenheit und einem Lärm begangen, wie sie sich aus den strengen Fasten, die vor¬
ausgegangen sind, erklären. Auch im ärmsten Hanse darf das Lamm nicht fehlen,
und der Wein fließt in Strömen. Um Mitternacht, wo Ostern anbricht, löst sich
der Bann. Die Kirchen sind gepfropft voll, den Kanonenschuß als Signal er¬
wartend. Sobald er erdröhnt, entzünden sich unzählige Kerzen, bengalische Feuer
stammen auf, und der schlechteste Schießprügel muß herhalten, um loszuknallen.
Die Griechen kennen nun einmal kein Vergnügen ohne Pulver, und es ist um
diese Zeit lebensgefährlich, auf der Straße zu sein, da Unglücksfälle nicht selten
sind. Man hat daher neuerdings in Athen Einschrünlnngen anbefohlen, doch


Grenzboten III. 1S86. 33
Skizzen aus der Levante und Griechenland.

wer eintritt, hat seinen Besitz, ob groß oder klein, dem Kloster zu schenken; bei
der andern besteht eine Art von Teilung, sodaß jeder Mönch ein abgegrenztes
Stück Land erhält, das er bebaut oder bebauen läßt und über dessen Er¬
trägnis er verfügen kann. In frühern Zeiten war dies ganz bedeutend, die
griechische Regierung hat aber viel davon eingezogen und trachtet darnach, das
ganze Institut aufzuheben. Dagegen begegnet man ihm noch häufig in den
türkischen Provinzen, und seinen berühmten Sitz und Mittelpunkt hat es aus
dem heiligen Berge der Halbinsel Athos. Nonnenklöster kommen nur auf den
Inseln vor, sie rekrntiren sich meist aus den Frauen der Papas, die sich, wenn
sie in ein höheres Amt aufsteigen, von ihnen trennen müssen. Für die Kranken¬
pflege bildet man jetzt barmherzige Schwestern aus, aber ohne Ordensregel und
Gelübde. Überhaupt steht der Cölibat in Griechenland durchaus nicht in An¬
sehen, man sucht vielmehr eine Ehre darin, sich frühzeitig zu verheiraten und
möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen. Seit der politischen Selbständigkeit
ist die Kirche von dem Patriarchat in Konstantinopel vollständig emanzipirt,
dasselbe genießt nur noch formelle Auszeichnung, so sendet es z. B. das heilige
Salböl. Die oberste Kirchengewalt bildet eine Synode von fünf geistlichen und
zwei weltlichen Mitgliedern. Der höchste Würdenträger ist der Metropolit in
Athen, sodann giebt es zehn Erzbischöfe und vielleicht die doppelte Zahl von
Bischöfen, außerdem viele Archimandriten (Diakonen). Alle werden von Staate
bezahlt, aber in überaus bescheidenem Maße. Der höchste Gehalt ist zehn¬
tausend Franks.

Ich bin manchmal in Klöstern eingekehrt, habe sie aber mehr weltlich als
geistlich gefunden. Der Hegumenos (Abt) desjenigen, das auf dem Schlachtfelde
von Charonea liegt, hatte unter Oberst Fabrier in Morea gckümpft, und in
seiner Zelle hingen verschiedne erbeutete Türkenwaffen, sogar die Trophäen eines
Schädels. Dabei war er Freund und Kenner der alten Literatur, und als ich
ihn begrüßte, legte er ein Buch weg, das sich später als Thevkrits Jdhllen er¬
wies. Wie alle Griechen sind auch die Priester leidenschaftliche Politiker, aber
keine Reaktionäre, wie bei uns, sie erstreben für sich keine Herrschaft und sind
Patrioten mit Leib und Seele.

Das Hauptfest der Griechen ist Ostern und es wird mit einer Ausge¬
lassenheit und einem Lärm begangen, wie sie sich aus den strengen Fasten, die vor¬
ausgegangen sind, erklären. Auch im ärmsten Hanse darf das Lamm nicht fehlen,
und der Wein fließt in Strömen. Um Mitternacht, wo Ostern anbricht, löst sich
der Bann. Die Kirchen sind gepfropft voll, den Kanonenschuß als Signal er¬
wartend. Sobald er erdröhnt, entzünden sich unzählige Kerzen, bengalische Feuer
stammen auf, und der schlechteste Schießprügel muß herhalten, um loszuknallen.
Die Griechen kennen nun einmal kein Vergnügen ohne Pulver, und es ist um
diese Zeit lebensgefährlich, auf der Straße zu sein, da Unglücksfälle nicht selten
sind. Man hat daher neuerdings in Athen Einschrünlnngen anbefohlen, doch


Grenzboten III. 1S86. 33
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[0265] Skizzen aus der Levante und Griechenland. wer eintritt, hat seinen Besitz, ob groß oder klein, dem Kloster zu schenken; bei der andern besteht eine Art von Teilung, sodaß jeder Mönch ein abgegrenztes Stück Land erhält, das er bebaut oder bebauen läßt und über dessen Er¬ trägnis er verfügen kann. In frühern Zeiten war dies ganz bedeutend, die griechische Regierung hat aber viel davon eingezogen und trachtet darnach, das ganze Institut aufzuheben. Dagegen begegnet man ihm noch häufig in den türkischen Provinzen, und seinen berühmten Sitz und Mittelpunkt hat es aus dem heiligen Berge der Halbinsel Athos. Nonnenklöster kommen nur auf den Inseln vor, sie rekrntiren sich meist aus den Frauen der Papas, die sich, wenn sie in ein höheres Amt aufsteigen, von ihnen trennen müssen. Für die Kranken¬ pflege bildet man jetzt barmherzige Schwestern aus, aber ohne Ordensregel und Gelübde. Überhaupt steht der Cölibat in Griechenland durchaus nicht in An¬ sehen, man sucht vielmehr eine Ehre darin, sich frühzeitig zu verheiraten und möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen. Seit der politischen Selbständigkeit ist die Kirche von dem Patriarchat in Konstantinopel vollständig emanzipirt, dasselbe genießt nur noch formelle Auszeichnung, so sendet es z. B. das heilige Salböl. Die oberste Kirchengewalt bildet eine Synode von fünf geistlichen und zwei weltlichen Mitgliedern. Der höchste Würdenträger ist der Metropolit in Athen, sodann giebt es zehn Erzbischöfe und vielleicht die doppelte Zahl von Bischöfen, außerdem viele Archimandriten (Diakonen). Alle werden von Staate bezahlt, aber in überaus bescheidenem Maße. Der höchste Gehalt ist zehn¬ tausend Franks. Ich bin manchmal in Klöstern eingekehrt, habe sie aber mehr weltlich als geistlich gefunden. Der Hegumenos (Abt) desjenigen, das auf dem Schlachtfelde von Charonea liegt, hatte unter Oberst Fabrier in Morea gckümpft, und in seiner Zelle hingen verschiedne erbeutete Türkenwaffen, sogar die Trophäen eines Schädels. Dabei war er Freund und Kenner der alten Literatur, und als ich ihn begrüßte, legte er ein Buch weg, das sich später als Thevkrits Jdhllen er¬ wies. Wie alle Griechen sind auch die Priester leidenschaftliche Politiker, aber keine Reaktionäre, wie bei uns, sie erstreben für sich keine Herrschaft und sind Patrioten mit Leib und Seele. Das Hauptfest der Griechen ist Ostern und es wird mit einer Ausge¬ lassenheit und einem Lärm begangen, wie sie sich aus den strengen Fasten, die vor¬ ausgegangen sind, erklären. Auch im ärmsten Hanse darf das Lamm nicht fehlen, und der Wein fließt in Strömen. Um Mitternacht, wo Ostern anbricht, löst sich der Bann. Die Kirchen sind gepfropft voll, den Kanonenschuß als Signal er¬ wartend. Sobald er erdröhnt, entzünden sich unzählige Kerzen, bengalische Feuer stammen auf, und der schlechteste Schießprügel muß herhalten, um loszuknallen. Die Griechen kennen nun einmal kein Vergnügen ohne Pulver, und es ist um diese Zeit lebensgefährlich, auf der Straße zu sein, da Unglücksfälle nicht selten sind. Man hat daher neuerdings in Athen Einschrünlnngen anbefohlen, doch Grenzboten III. 1S86. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/265>, abgerufen am 22.07.2024.