Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Verwaltung der Vrtspolizei in den Städten.

mehr Wert darauf legen, daß sich der Bewerber für den Dienst in der städtischen
Verwaltung als im Polizeidienst erprobt hat oder dafür geeignet erscheint.
Mancher dienstunfähig gewordene Beamte wird auch der Ersparnis der Pension
halber im Dienste behalten. Die Maßnahmen der Polizeiverwaltung oder ihre
Anträge auf Herstellung dieser oder jener Anlage, auf Vornahme irgend einer
Arbeit werden fast ausschließlich nur von dem Gesichtspunkte ans betrachtet,
welche Kosten sie verursachen und ob ihnen nicht eine entsprechende Einnahme
entgegengesetzt werden kann, vielleicht auch, ob nicht etwa irgend eine in der
Stadt maßgebende Person ein Interesse dafür oder dawider hat. Beispiele für
diese Behauptungen beizubringen ist unnötig, jeder Leser der Grenzboten wird
solche aus seinen Gemeindeverhältnissen selbst entnehmen können. Es soll
damit keiner Stadtverwaltung ein Vorwurf gemacht werden, es entspricht dies
alles der Natur der Sache: die Stadtverwaltung soll, wie bemerkt, in erster
Linie eine wirtschaftliche sein und muß daher diese Interessen bis zu einem
gewissen Grade einseitig vertreten, und daß den Mitgliedern einer städtischen
Berwaltnng, welche ja meist nicht Berufsbeamte, sondern Männer sind, die
das städtische Amt mir neben ihrem bürgerlichen Gewerbe bekleiden, nicht in
jedem Angenblicke der Unterschied ihres lind des öffentlichen Interesses ein¬
leuchtet oder die Kraft innewohnt, ihr persönliches Interesse einem ihnen
möglicherweise noch zweifelhaften öffentlichen Interesse unterzuordnen, tan"
niemanden, der die menschliche Natur kennt, verwundern. Das ist ja ge¬
rade der heute leider so gründlich verkannte Vorzug des Berufsbcamteu vor
dem ans den Gemcindegenossen gewählten Mitgliede der Selbstverwaltnngs--
bchörden, daß der Bernfsbeamte nnr das Interesse seines Amtes kennt und
deshalb die verschiednen ihm bei dessen Ausübung entgegentretenden Interessen
unparteiisch abwägen kann, während der "Mann ans dem Volke" zunächst
darauf angewiesen ist, sein eignes Interesse zu fördern, und aus Mangel an
Schulung nie oder doch nur schwer den objektiven Standpunkt des Berufs¬
beamten erreichen kaum Die Ansichten der nicht berufsmäßigen Mitglieder der
Stadtverwaltung oder die Wünsche einer Stadtvervrdlietenversammlung üben
immer einen sehr lebhafte" Einfluß auch auf die städtische" Berufsbeamten aus;
Ausgaben, die für polizeiliche Zwecke zu machen sind, stoßen bei der Bevölkerung
besonders leicht auf Widerstand, da ihr, die stets die Überzeugung hegt, selbst
genügend das polizeiliche Interesse zu wahren, das Verständnis für solche Dinge
regelmäßig fehlt. Besonders nachteilig wirkt aber das bei unserm jetzt lebhaft
erregten politischen Leben so stark wuchernde Parteiwesen in den Städten, nicht
bloß bei Besetzung der Stellen, da man diese uur an Anhänger der herrschenden
Partei zu vergeben wünscht, sondern auch bei der Handhabung der Stadt¬
verwaltung, indem dabei alles vermieden werden muß, was geeignet wäre, der
Bevölkerung Zweifel an der Unfehlbarkeit der herrschenden Partei zu erregen,
sei es durch Erhöhung der dem Stadtsäckel obliegenden Ausgaben, sei es durch


Die Verwaltung der Vrtspolizei in den Städten.

mehr Wert darauf legen, daß sich der Bewerber für den Dienst in der städtischen
Verwaltung als im Polizeidienst erprobt hat oder dafür geeignet erscheint.
Mancher dienstunfähig gewordene Beamte wird auch der Ersparnis der Pension
halber im Dienste behalten. Die Maßnahmen der Polizeiverwaltung oder ihre
Anträge auf Herstellung dieser oder jener Anlage, auf Vornahme irgend einer
Arbeit werden fast ausschließlich nur von dem Gesichtspunkte ans betrachtet,
welche Kosten sie verursachen und ob ihnen nicht eine entsprechende Einnahme
entgegengesetzt werden kann, vielleicht auch, ob nicht etwa irgend eine in der
Stadt maßgebende Person ein Interesse dafür oder dawider hat. Beispiele für
diese Behauptungen beizubringen ist unnötig, jeder Leser der Grenzboten wird
solche aus seinen Gemeindeverhältnissen selbst entnehmen können. Es soll
damit keiner Stadtverwaltung ein Vorwurf gemacht werden, es entspricht dies
alles der Natur der Sache: die Stadtverwaltung soll, wie bemerkt, in erster
Linie eine wirtschaftliche sein und muß daher diese Interessen bis zu einem
gewissen Grade einseitig vertreten, und daß den Mitgliedern einer städtischen
Berwaltnng, welche ja meist nicht Berufsbeamte, sondern Männer sind, die
das städtische Amt mir neben ihrem bürgerlichen Gewerbe bekleiden, nicht in
jedem Angenblicke der Unterschied ihres lind des öffentlichen Interesses ein¬
leuchtet oder die Kraft innewohnt, ihr persönliches Interesse einem ihnen
möglicherweise noch zweifelhaften öffentlichen Interesse unterzuordnen, tan»
niemanden, der die menschliche Natur kennt, verwundern. Das ist ja ge¬
rade der heute leider so gründlich verkannte Vorzug des Berufsbcamteu vor
dem ans den Gemcindegenossen gewählten Mitgliede der Selbstverwaltnngs--
bchörden, daß der Bernfsbeamte nnr das Interesse seines Amtes kennt und
deshalb die verschiednen ihm bei dessen Ausübung entgegentretenden Interessen
unparteiisch abwägen kann, während der „Mann ans dem Volke" zunächst
darauf angewiesen ist, sein eignes Interesse zu fördern, und aus Mangel an
Schulung nie oder doch nur schwer den objektiven Standpunkt des Berufs¬
beamten erreichen kaum Die Ansichten der nicht berufsmäßigen Mitglieder der
Stadtverwaltung oder die Wünsche einer Stadtvervrdlietenversammlung üben
immer einen sehr lebhafte» Einfluß auch auf die städtische» Berufsbeamten aus;
Ausgaben, die für polizeiliche Zwecke zu machen sind, stoßen bei der Bevölkerung
besonders leicht auf Widerstand, da ihr, die stets die Überzeugung hegt, selbst
genügend das polizeiliche Interesse zu wahren, das Verständnis für solche Dinge
regelmäßig fehlt. Besonders nachteilig wirkt aber das bei unserm jetzt lebhaft
erregten politischen Leben so stark wuchernde Parteiwesen in den Städten, nicht
bloß bei Besetzung der Stellen, da man diese uur an Anhänger der herrschenden
Partei zu vergeben wünscht, sondern auch bei der Handhabung der Stadt¬
verwaltung, indem dabei alles vermieden werden muß, was geeignet wäre, der
Bevölkerung Zweifel an der Unfehlbarkeit der herrschenden Partei zu erregen,
sei es durch Erhöhung der dem Stadtsäckel obliegenden Ausgaben, sei es durch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198973"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Verwaltung der Vrtspolizei in den Städten.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_691" prev="#ID_690" next="#ID_692"> mehr Wert darauf legen, daß sich der Bewerber für den Dienst in der städtischen<lb/>
Verwaltung als im Polizeidienst erprobt hat oder dafür geeignet erscheint.<lb/>
Mancher dienstunfähig gewordene Beamte wird auch der Ersparnis der Pension<lb/>
halber im Dienste behalten. Die Maßnahmen der Polizeiverwaltung oder ihre<lb/>
Anträge auf Herstellung dieser oder jener Anlage, auf Vornahme irgend einer<lb/>
Arbeit werden fast ausschließlich nur von dem Gesichtspunkte ans betrachtet,<lb/>
welche Kosten sie verursachen und ob ihnen nicht eine entsprechende Einnahme<lb/>
entgegengesetzt werden kann, vielleicht auch, ob nicht etwa irgend eine in der<lb/>
Stadt maßgebende Person ein Interesse dafür oder dawider hat. Beispiele für<lb/>
diese Behauptungen beizubringen ist unnötig, jeder Leser der Grenzboten wird<lb/>
solche aus seinen Gemeindeverhältnissen selbst entnehmen können. Es soll<lb/>
damit keiner Stadtverwaltung ein Vorwurf gemacht werden, es entspricht dies<lb/>
alles der Natur der Sache: die Stadtverwaltung soll, wie bemerkt, in erster<lb/>
Linie eine wirtschaftliche sein und muß daher diese Interessen bis zu einem<lb/>
gewissen Grade einseitig vertreten, und daß den Mitgliedern einer städtischen<lb/>
Berwaltnng, welche ja meist nicht Berufsbeamte, sondern Männer sind, die<lb/>
das städtische Amt mir neben ihrem bürgerlichen Gewerbe bekleiden, nicht in<lb/>
jedem Angenblicke der Unterschied ihres lind des öffentlichen Interesses ein¬<lb/>
leuchtet oder die Kraft innewohnt, ihr persönliches Interesse einem ihnen<lb/>
möglicherweise noch zweifelhaften öffentlichen Interesse unterzuordnen, tan»<lb/>
niemanden, der die menschliche Natur kennt, verwundern. Das ist ja ge¬<lb/>
rade der heute leider so gründlich verkannte Vorzug des Berufsbcamteu vor<lb/>
dem ans den Gemcindegenossen gewählten Mitgliede der Selbstverwaltnngs--<lb/>
bchörden, daß der Bernfsbeamte nnr das Interesse seines Amtes kennt und<lb/>
deshalb die verschiednen ihm bei dessen Ausübung entgegentretenden Interessen<lb/>
unparteiisch abwägen kann, während der &#x201E;Mann ans dem Volke" zunächst<lb/>
darauf angewiesen ist, sein eignes Interesse zu fördern, und aus Mangel an<lb/>
Schulung nie oder doch nur schwer den objektiven Standpunkt des Berufs¬<lb/>
beamten erreichen kaum Die Ansichten der nicht berufsmäßigen Mitglieder der<lb/>
Stadtverwaltung oder die Wünsche einer Stadtvervrdlietenversammlung üben<lb/>
immer einen sehr lebhafte» Einfluß auch auf die städtische» Berufsbeamten aus;<lb/>
Ausgaben, die für polizeiliche Zwecke zu machen sind, stoßen bei der Bevölkerung<lb/>
besonders leicht auf Widerstand, da ihr, die stets die Überzeugung hegt, selbst<lb/>
genügend das polizeiliche Interesse zu wahren, das Verständnis für solche Dinge<lb/>
regelmäßig fehlt. Besonders nachteilig wirkt aber das bei unserm jetzt lebhaft<lb/>
erregten politischen Leben so stark wuchernde Parteiwesen in den Städten, nicht<lb/>
bloß bei Besetzung der Stellen, da man diese uur an Anhänger der herrschenden<lb/>
Partei zu vergeben wünscht, sondern auch bei der Handhabung der Stadt¬<lb/>
verwaltung, indem dabei alles vermieden werden muß, was geeignet wäre, der<lb/>
Bevölkerung Zweifel an der Unfehlbarkeit der herrschenden Partei zu erregen,<lb/>
sei es durch Erhöhung der dem Stadtsäckel obliegenden Ausgaben, sei es durch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0253] Die Verwaltung der Vrtspolizei in den Städten. mehr Wert darauf legen, daß sich der Bewerber für den Dienst in der städtischen Verwaltung als im Polizeidienst erprobt hat oder dafür geeignet erscheint. Mancher dienstunfähig gewordene Beamte wird auch der Ersparnis der Pension halber im Dienste behalten. Die Maßnahmen der Polizeiverwaltung oder ihre Anträge auf Herstellung dieser oder jener Anlage, auf Vornahme irgend einer Arbeit werden fast ausschließlich nur von dem Gesichtspunkte ans betrachtet, welche Kosten sie verursachen und ob ihnen nicht eine entsprechende Einnahme entgegengesetzt werden kann, vielleicht auch, ob nicht etwa irgend eine in der Stadt maßgebende Person ein Interesse dafür oder dawider hat. Beispiele für diese Behauptungen beizubringen ist unnötig, jeder Leser der Grenzboten wird solche aus seinen Gemeindeverhältnissen selbst entnehmen können. Es soll damit keiner Stadtverwaltung ein Vorwurf gemacht werden, es entspricht dies alles der Natur der Sache: die Stadtverwaltung soll, wie bemerkt, in erster Linie eine wirtschaftliche sein und muß daher diese Interessen bis zu einem gewissen Grade einseitig vertreten, und daß den Mitgliedern einer städtischen Berwaltnng, welche ja meist nicht Berufsbeamte, sondern Männer sind, die das städtische Amt mir neben ihrem bürgerlichen Gewerbe bekleiden, nicht in jedem Angenblicke der Unterschied ihres lind des öffentlichen Interesses ein¬ leuchtet oder die Kraft innewohnt, ihr persönliches Interesse einem ihnen möglicherweise noch zweifelhaften öffentlichen Interesse unterzuordnen, tan» niemanden, der die menschliche Natur kennt, verwundern. Das ist ja ge¬ rade der heute leider so gründlich verkannte Vorzug des Berufsbcamteu vor dem ans den Gemcindegenossen gewählten Mitgliede der Selbstverwaltnngs-- bchörden, daß der Bernfsbeamte nnr das Interesse seines Amtes kennt und deshalb die verschiednen ihm bei dessen Ausübung entgegentretenden Interessen unparteiisch abwägen kann, während der „Mann ans dem Volke" zunächst darauf angewiesen ist, sein eignes Interesse zu fördern, und aus Mangel an Schulung nie oder doch nur schwer den objektiven Standpunkt des Berufs¬ beamten erreichen kaum Die Ansichten der nicht berufsmäßigen Mitglieder der Stadtverwaltung oder die Wünsche einer Stadtvervrdlietenversammlung üben immer einen sehr lebhafte» Einfluß auch auf die städtische» Berufsbeamten aus; Ausgaben, die für polizeiliche Zwecke zu machen sind, stoßen bei der Bevölkerung besonders leicht auf Widerstand, da ihr, die stets die Überzeugung hegt, selbst genügend das polizeiliche Interesse zu wahren, das Verständnis für solche Dinge regelmäßig fehlt. Besonders nachteilig wirkt aber das bei unserm jetzt lebhaft erregten politischen Leben so stark wuchernde Parteiwesen in den Städten, nicht bloß bei Besetzung der Stellen, da man diese uur an Anhänger der herrschenden Partei zu vergeben wünscht, sondern auch bei der Handhabung der Stadt¬ verwaltung, indem dabei alles vermieden werden muß, was geeignet wäre, der Bevölkerung Zweifel an der Unfehlbarkeit der herrschenden Partei zu erregen, sei es durch Erhöhung der dem Stadtsäckel obliegenden Ausgaben, sei es durch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/253
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/253>, abgerufen am 25.08.2024.