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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Verwaltung der Vrtspolizei in den Städten.

schaftliche Gemeinschaft von ihren Nachbarn ab, während oft solche wirtschaftlich
getrennte Gemeinwesen doch durch den Verkehr der Bevölkerung Beziehungen
zueinander haben, welche eine Gemeinschaft der Polizeiinteressm im Gefolge
haben. Bei dem heutigen Wachstnmc unsrer Städte sind viele derselben mit
benachbarten Orten thatsächlich zusammengewachsen, während sie in der Ver¬
waltung getrennt sind. Weil nnn die Bevölkerung beliebig in solchen aneinander
gewachsenen Gemeinden umherzieht, mancher der Billigkeit der Wohnungen
halber, mancher auch vielleicht gerade mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der
Polizeiverwaltnug mit Vorliebe seinen Wohnsitz in diese Vororte verlegt, so
entsteht dadurch eine bedeutende Erschwerung der Polizeiverwaltnug z. B. bei
der Überwachung verdächtiger Personen, der Vornahme von Ermittelungen oder
gar der Ausführung gleichzeitiger Haussuchungen, da in den Vororten stets
nur auf Grund eines Ersuchens eingeschritten werden kann und es keiner Be¬
merkung bedarf, daß auch beim besten Willen hierdurch leicht unersetzbare Zeit¬
verluste entstehen, und die erst infolge eines ErsuchungsschreibenS vorgeuvmiueuen
Handlungen nicht immer mit der Frische ausgeführt werden, mit der dies von
der ersuchenden Behörde geschehen sein würde, nicht zu gedenken der so leicht
vorkommenden Fälle gegenseitiger Eifersucht zwischen den verschiednen Polizei-
Verwaltungen. Andre Orte sind zwar nicht unmittelbar mit den Städten zu¬
sammengewachsen, aber doch so nahe herangerückt, daß zahlreiche Leute, welche
tagsüber in der Stadt arbeiten, sich dort niederlassen und daher abends dort¬
hin zurückkehren; hier sind die bei Ausübung der Polizeiverwaltnug entstehenden
Schwierigkeiten, wenn auch nicht ganz so groß wie bei den erstgenannten Orten,
doch immer noch erheblich genng, um oft schwer empfunden zu werdeu. Diese
Schwierigkeiten sind, wenn man nicht die kleinere Gemeinde der größern einver¬
leiben will, was nur zu leicht auf eine Vergewaltigung hinausläuft, nur durch
Errichtung einer staatlichen Polizeiverwaltnug zu umgehen, da einer solchen
die verschiednen Gemeinwesen unbeschadet ihrer wirtschaftlichen Interessen unter¬
stellt werdeu können, während von den rechtlich einander gleichstehenden Ge¬
meinden nicht die eine nnter die Polizeigewalt der andern gestellt werden kann.

Sodann lahmt der Widerstreit der städtischen und der staatlichen Interessen
die Polizei in jeder Richtung. Den Stadtgemeinden liegt in erster Linie die
Pflege wirtschaftlicher Interessen ob, und je eifriger ihre Verwaltungen diese
Interessen wahren, umso weniger Interesse können sie an der Polizeiverwaltung
haben, deren Kosten bei oberflächlicher Betrachtung leicht als eine unfruchtbare
Kapitalanlage erscheinen, zumal da der Laie das thatkräftige Eingreifen der
Polizei sehr leicht als Hemmung der wirtschaftlichen Entwicklung auffaßt. Man
versucht deshalb mit möglichst wenigen und möglichst billig bezahlten Arbeits¬
kräften die Pvlizeiverwaltung zu führen und muß bei der Besetzung der Stellen,
namentlich bei der des mit der Leitung der Polizei bekunden Magistratsmitgliedes,
insbesondre wenn dies der Bürgermeister oder dessen Stellvertreter selbst ist,


Die Verwaltung der Vrtspolizei in den Städten.

schaftliche Gemeinschaft von ihren Nachbarn ab, während oft solche wirtschaftlich
getrennte Gemeinwesen doch durch den Verkehr der Bevölkerung Beziehungen
zueinander haben, welche eine Gemeinschaft der Polizeiinteressm im Gefolge
haben. Bei dem heutigen Wachstnmc unsrer Städte sind viele derselben mit
benachbarten Orten thatsächlich zusammengewachsen, während sie in der Ver¬
waltung getrennt sind. Weil nnn die Bevölkerung beliebig in solchen aneinander
gewachsenen Gemeinden umherzieht, mancher der Billigkeit der Wohnungen
halber, mancher auch vielleicht gerade mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der
Polizeiverwaltnug mit Vorliebe seinen Wohnsitz in diese Vororte verlegt, so
entsteht dadurch eine bedeutende Erschwerung der Polizeiverwaltnug z. B. bei
der Überwachung verdächtiger Personen, der Vornahme von Ermittelungen oder
gar der Ausführung gleichzeitiger Haussuchungen, da in den Vororten stets
nur auf Grund eines Ersuchens eingeschritten werden kann und es keiner Be¬
merkung bedarf, daß auch beim besten Willen hierdurch leicht unersetzbare Zeit¬
verluste entstehen, und die erst infolge eines ErsuchungsschreibenS vorgeuvmiueuen
Handlungen nicht immer mit der Frische ausgeführt werden, mit der dies von
der ersuchenden Behörde geschehen sein würde, nicht zu gedenken der so leicht
vorkommenden Fälle gegenseitiger Eifersucht zwischen den verschiednen Polizei-
Verwaltungen. Andre Orte sind zwar nicht unmittelbar mit den Städten zu¬
sammengewachsen, aber doch so nahe herangerückt, daß zahlreiche Leute, welche
tagsüber in der Stadt arbeiten, sich dort niederlassen und daher abends dort¬
hin zurückkehren; hier sind die bei Ausübung der Polizeiverwaltnug entstehenden
Schwierigkeiten, wenn auch nicht ganz so groß wie bei den erstgenannten Orten,
doch immer noch erheblich genng, um oft schwer empfunden zu werdeu. Diese
Schwierigkeiten sind, wenn man nicht die kleinere Gemeinde der größern einver¬
leiben will, was nur zu leicht auf eine Vergewaltigung hinausläuft, nur durch
Errichtung einer staatlichen Polizeiverwaltnug zu umgehen, da einer solchen
die verschiednen Gemeinwesen unbeschadet ihrer wirtschaftlichen Interessen unter¬
stellt werdeu können, während von den rechtlich einander gleichstehenden Ge¬
meinden nicht die eine nnter die Polizeigewalt der andern gestellt werden kann.

Sodann lahmt der Widerstreit der städtischen und der staatlichen Interessen
die Polizei in jeder Richtung. Den Stadtgemeinden liegt in erster Linie die
Pflege wirtschaftlicher Interessen ob, und je eifriger ihre Verwaltungen diese
Interessen wahren, umso weniger Interesse können sie an der Polizeiverwaltung
haben, deren Kosten bei oberflächlicher Betrachtung leicht als eine unfruchtbare
Kapitalanlage erscheinen, zumal da der Laie das thatkräftige Eingreifen der
Polizei sehr leicht als Hemmung der wirtschaftlichen Entwicklung auffaßt. Man
versucht deshalb mit möglichst wenigen und möglichst billig bezahlten Arbeits¬
kräften die Pvlizeiverwaltung zu führen und muß bei der Besetzung der Stellen,
namentlich bei der des mit der Leitung der Polizei bekunden Magistratsmitgliedes,
insbesondre wenn dies der Bürgermeister oder dessen Stellvertreter selbst ist,


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[0252] Die Verwaltung der Vrtspolizei in den Städten. schaftliche Gemeinschaft von ihren Nachbarn ab, während oft solche wirtschaftlich getrennte Gemeinwesen doch durch den Verkehr der Bevölkerung Beziehungen zueinander haben, welche eine Gemeinschaft der Polizeiinteressm im Gefolge haben. Bei dem heutigen Wachstnmc unsrer Städte sind viele derselben mit benachbarten Orten thatsächlich zusammengewachsen, während sie in der Ver¬ waltung getrennt sind. Weil nnn die Bevölkerung beliebig in solchen aneinander gewachsenen Gemeinden umherzieht, mancher der Billigkeit der Wohnungen halber, mancher auch vielleicht gerade mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Polizeiverwaltnug mit Vorliebe seinen Wohnsitz in diese Vororte verlegt, so entsteht dadurch eine bedeutende Erschwerung der Polizeiverwaltnug z. B. bei der Überwachung verdächtiger Personen, der Vornahme von Ermittelungen oder gar der Ausführung gleichzeitiger Haussuchungen, da in den Vororten stets nur auf Grund eines Ersuchens eingeschritten werden kann und es keiner Be¬ merkung bedarf, daß auch beim besten Willen hierdurch leicht unersetzbare Zeit¬ verluste entstehen, und die erst infolge eines ErsuchungsschreibenS vorgeuvmiueuen Handlungen nicht immer mit der Frische ausgeführt werden, mit der dies von der ersuchenden Behörde geschehen sein würde, nicht zu gedenken der so leicht vorkommenden Fälle gegenseitiger Eifersucht zwischen den verschiednen Polizei- Verwaltungen. Andre Orte sind zwar nicht unmittelbar mit den Städten zu¬ sammengewachsen, aber doch so nahe herangerückt, daß zahlreiche Leute, welche tagsüber in der Stadt arbeiten, sich dort niederlassen und daher abends dort¬ hin zurückkehren; hier sind die bei Ausübung der Polizeiverwaltnug entstehenden Schwierigkeiten, wenn auch nicht ganz so groß wie bei den erstgenannten Orten, doch immer noch erheblich genng, um oft schwer empfunden zu werdeu. Diese Schwierigkeiten sind, wenn man nicht die kleinere Gemeinde der größern einver¬ leiben will, was nur zu leicht auf eine Vergewaltigung hinausläuft, nur durch Errichtung einer staatlichen Polizeiverwaltnug zu umgehen, da einer solchen die verschiednen Gemeinwesen unbeschadet ihrer wirtschaftlichen Interessen unter¬ stellt werdeu können, während von den rechtlich einander gleichstehenden Ge¬ meinden nicht die eine nnter die Polizeigewalt der andern gestellt werden kann. Sodann lahmt der Widerstreit der städtischen und der staatlichen Interessen die Polizei in jeder Richtung. Den Stadtgemeinden liegt in erster Linie die Pflege wirtschaftlicher Interessen ob, und je eifriger ihre Verwaltungen diese Interessen wahren, umso weniger Interesse können sie an der Polizeiverwaltung haben, deren Kosten bei oberflächlicher Betrachtung leicht als eine unfruchtbare Kapitalanlage erscheinen, zumal da der Laie das thatkräftige Eingreifen der Polizei sehr leicht als Hemmung der wirtschaftlichen Entwicklung auffaßt. Man versucht deshalb mit möglichst wenigen und möglichst billig bezahlten Arbeits¬ kräften die Pvlizeiverwaltung zu führen und muß bei der Besetzung der Stellen, namentlich bei der des mit der Leitung der Polizei bekunden Magistratsmitgliedes, insbesondre wenn dies der Bürgermeister oder dessen Stellvertreter selbst ist,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/252>, abgerufen am 22.07.2024.