Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
"Lamoens.

Geschütze feuerten wenigemcile und waren dann nutzlos, wir konnten sie nicht
in die ungestüme Vorwärtsbewegung hineinreißen, und sie standen den Nach¬
drängenden im Wege. Ob die Heiden von ihrem Sultan, der während der
Schlacht gestorben sein soll, oder vom Satan selbst geführt wurden, weiß ich
nicht, aber sie wurden gut geführt. Sie hatten den Fluß vor sich und die
Mauern ihrer Stadt Alcaecr zum Stützpunkte, sie widerstanden uns im Mittel
der Schlacht in trotzigen, dichten Massen und dehnten ans beiden Flügeln ihre
Geschwader immer weiter aus, sodaß selbst wir gemeinen Krieger sahen, daß
unsre Gemalthaufen in der Begier, sie nicht entrinnen zu lassen, sich zu weit
auseinander zettelten. Bald darnach, als die Sonne gegen den Mittag stieg,
begannen die Mohren in endlosen Zügen vorzudringen, unsre Reihen schmolzen
zum Erschrecken, und auf das Gerücht, daß im Rücken des Heeres das Lager
und alle Geschütze genommen seien, fingen die schlechtbewaffneten Leute, welche
hinter den Deutschen und den Neitergeschwädern des Herzogs vou Aveiro gestanden
hatten, an, sich zu zerstreuen. Der Feind drang immer heftiger ans uns ein,
die Schaar, bei der ich war und die Dom Antonio, der Prior von Crato,
führte, suchte sich mit den Schaaren, die um den König waren, zu vereinigen.
Wir konnten noch deutlich erkennen, wie der König an der Spitze von ein paar
hundert Reitern sich wieder und wieder auf die maurischen Reihen warf, ohne
sie durchbrechen zu können, wir sahen das goldne Kruzifix, das Fray Tellez
Alucita, des Königs Beichtvater, hoch trug, weithin glänzen, und des Königs
Banner ging noch von Hand zu Hand. Aber rechts und links von uns wirbelte
der staubende Wüstensand und der Pulverdampf in immer dichteren Wolken,
unter deu Hufen der arabischen Reiterhaufen knickten die Schaaren, die sich
ihnen eutgcgenwarfcn, wie Halme im Felde zusammen, zwischen Blutlachen und
Leichenhaufen erhoben und sammelten sich stets weniger Kämpfer, rings war
alles Sonnenbrand, wilde Flucht und Todes kämpf. In den letzten beiden
Stunden, da wir fochten, hat keiner mehr einen Befehl vernommen -- das
christliche Heer ward zwischen den ungeheuern Massen der Ungläubigen schier
zermalmt, es war, als ob der rollende Wüstensand unter unsern Füßen sich in
Rosse und Reiter verwandelte. Der Weg, auf dem wir flüchtete", war mit den
Leichen der Mohren bezeichnet, dazwischen lagen die Unsern. Mit meinen Augen
sah ich den Herzog von Aveiro und Dom Ahras de silva, den Bischof von
Porto, Dom Jcchme von Braganza und Don Fracisco de Albana, den Obristen
der Spanier, tot liegen, auch Fray Tellez, der das Kreuz noch in seiner blutigen
Hand hielt, lag da mit klaffender Stirnwunde! Andre werden Euch andre
Namen nennen können, wenn Jhrs begehrt.

Der König hatte Pagen um sich, sagte Camoens, dessen Erschütterung
selbst die halbverwildertcn Flüchtlinge ergriff, mit heiserer Stimme. Saht ihr
sie weder lebend noch tot?

Nein, Senhor, keinen von ihnen, sie werden liegen, wo Seine Majestät


«Lamoens.

Geschütze feuerten wenigemcile und waren dann nutzlos, wir konnten sie nicht
in die ungestüme Vorwärtsbewegung hineinreißen, und sie standen den Nach¬
drängenden im Wege. Ob die Heiden von ihrem Sultan, der während der
Schlacht gestorben sein soll, oder vom Satan selbst geführt wurden, weiß ich
nicht, aber sie wurden gut geführt. Sie hatten den Fluß vor sich und die
Mauern ihrer Stadt Alcaecr zum Stützpunkte, sie widerstanden uns im Mittel
der Schlacht in trotzigen, dichten Massen und dehnten ans beiden Flügeln ihre
Geschwader immer weiter aus, sodaß selbst wir gemeinen Krieger sahen, daß
unsre Gemalthaufen in der Begier, sie nicht entrinnen zu lassen, sich zu weit
auseinander zettelten. Bald darnach, als die Sonne gegen den Mittag stieg,
begannen die Mohren in endlosen Zügen vorzudringen, unsre Reihen schmolzen
zum Erschrecken, und auf das Gerücht, daß im Rücken des Heeres das Lager
und alle Geschütze genommen seien, fingen die schlechtbewaffneten Leute, welche
hinter den Deutschen und den Neitergeschwädern des Herzogs vou Aveiro gestanden
hatten, an, sich zu zerstreuen. Der Feind drang immer heftiger ans uns ein,
die Schaar, bei der ich war und die Dom Antonio, der Prior von Crato,
führte, suchte sich mit den Schaaren, die um den König waren, zu vereinigen.
Wir konnten noch deutlich erkennen, wie der König an der Spitze von ein paar
hundert Reitern sich wieder und wieder auf die maurischen Reihen warf, ohne
sie durchbrechen zu können, wir sahen das goldne Kruzifix, das Fray Tellez
Alucita, des Königs Beichtvater, hoch trug, weithin glänzen, und des Königs
Banner ging noch von Hand zu Hand. Aber rechts und links von uns wirbelte
der staubende Wüstensand und der Pulverdampf in immer dichteren Wolken,
unter deu Hufen der arabischen Reiterhaufen knickten die Schaaren, die sich
ihnen eutgcgenwarfcn, wie Halme im Felde zusammen, zwischen Blutlachen und
Leichenhaufen erhoben und sammelten sich stets weniger Kämpfer, rings war
alles Sonnenbrand, wilde Flucht und Todes kämpf. In den letzten beiden
Stunden, da wir fochten, hat keiner mehr einen Befehl vernommen — das
christliche Heer ward zwischen den ungeheuern Massen der Ungläubigen schier
zermalmt, es war, als ob der rollende Wüstensand unter unsern Füßen sich in
Rosse und Reiter verwandelte. Der Weg, auf dem wir flüchtete», war mit den
Leichen der Mohren bezeichnet, dazwischen lagen die Unsern. Mit meinen Augen
sah ich den Herzog von Aveiro und Dom Ahras de silva, den Bischof von
Porto, Dom Jcchme von Braganza und Don Fracisco de Albana, den Obristen
der Spanier, tot liegen, auch Fray Tellez, der das Kreuz noch in seiner blutigen
Hand hielt, lag da mit klaffender Stirnwunde! Andre werden Euch andre
Namen nennen können, wenn Jhrs begehrt.

Der König hatte Pagen um sich, sagte Camoens, dessen Erschütterung
selbst die halbverwildertcn Flüchtlinge ergriff, mit heiserer Stimme. Saht ihr
sie weder lebend noch tot?

Nein, Senhor, keinen von ihnen, sie werden liegen, wo Seine Majestät


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198960"/>
          <fw type="header" place="top"> «Lamoens.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_652" prev="#ID_651"> Geschütze feuerten wenigemcile und waren dann nutzlos, wir konnten sie nicht<lb/>
in die ungestüme Vorwärtsbewegung hineinreißen, und sie standen den Nach¬<lb/>
drängenden im Wege. Ob die Heiden von ihrem Sultan, der während der<lb/>
Schlacht gestorben sein soll, oder vom Satan selbst geführt wurden, weiß ich<lb/>
nicht, aber sie wurden gut geführt. Sie hatten den Fluß vor sich und die<lb/>
Mauern ihrer Stadt Alcaecr zum Stützpunkte, sie widerstanden uns im Mittel<lb/>
der Schlacht in trotzigen, dichten Massen und dehnten ans beiden Flügeln ihre<lb/>
Geschwader immer weiter aus, sodaß selbst wir gemeinen Krieger sahen, daß<lb/>
unsre Gemalthaufen in der Begier, sie nicht entrinnen zu lassen, sich zu weit<lb/>
auseinander zettelten. Bald darnach, als die Sonne gegen den Mittag stieg,<lb/>
begannen die Mohren in endlosen Zügen vorzudringen, unsre Reihen schmolzen<lb/>
zum Erschrecken, und auf das Gerücht, daß im Rücken des Heeres das Lager<lb/>
und alle Geschütze genommen seien, fingen die schlechtbewaffneten Leute, welche<lb/>
hinter den Deutschen und den Neitergeschwädern des Herzogs vou Aveiro gestanden<lb/>
hatten, an, sich zu zerstreuen. Der Feind drang immer heftiger ans uns ein,<lb/>
die Schaar, bei der ich war und die Dom Antonio, der Prior von Crato,<lb/>
führte, suchte sich mit den Schaaren, die um den König waren, zu vereinigen.<lb/>
Wir konnten noch deutlich erkennen, wie der König an der Spitze von ein paar<lb/>
hundert Reitern sich wieder und wieder auf die maurischen Reihen warf, ohne<lb/>
sie durchbrechen zu können, wir sahen das goldne Kruzifix, das Fray Tellez<lb/>
Alucita, des Königs Beichtvater, hoch trug, weithin glänzen, und des Königs<lb/>
Banner ging noch von Hand zu Hand. Aber rechts und links von uns wirbelte<lb/>
der staubende Wüstensand und der Pulverdampf in immer dichteren Wolken,<lb/>
unter deu Hufen der arabischen Reiterhaufen knickten die Schaaren, die sich<lb/>
ihnen eutgcgenwarfcn, wie Halme im Felde zusammen, zwischen Blutlachen und<lb/>
Leichenhaufen erhoben und sammelten sich stets weniger Kämpfer, rings war<lb/>
alles Sonnenbrand, wilde Flucht und Todes kämpf. In den letzten beiden<lb/>
Stunden, da wir fochten, hat keiner mehr einen Befehl vernommen &#x2014; das<lb/>
christliche Heer ward zwischen den ungeheuern Massen der Ungläubigen schier<lb/>
zermalmt, es war, als ob der rollende Wüstensand unter unsern Füßen sich in<lb/>
Rosse und Reiter verwandelte. Der Weg, auf dem wir flüchtete», war mit den<lb/>
Leichen der Mohren bezeichnet, dazwischen lagen die Unsern. Mit meinen Augen<lb/>
sah ich den Herzog von Aveiro und Dom Ahras de silva, den Bischof von<lb/>
Porto, Dom Jcchme von Braganza und Don Fracisco de Albana, den Obristen<lb/>
der Spanier, tot liegen, auch Fray Tellez, der das Kreuz noch in seiner blutigen<lb/>
Hand hielt, lag da mit klaffender Stirnwunde! Andre werden Euch andre<lb/>
Namen nennen können, wenn Jhrs begehrt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_653"> Der König hatte Pagen um sich, sagte Camoens, dessen Erschütterung<lb/>
selbst die halbverwildertcn Flüchtlinge ergriff, mit heiserer Stimme. Saht ihr<lb/>
sie weder lebend noch tot?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_654" next="#ID_655"> Nein, Senhor, keinen von ihnen, sie werden liegen, wo Seine Majestät</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0240] «Lamoens. Geschütze feuerten wenigemcile und waren dann nutzlos, wir konnten sie nicht in die ungestüme Vorwärtsbewegung hineinreißen, und sie standen den Nach¬ drängenden im Wege. Ob die Heiden von ihrem Sultan, der während der Schlacht gestorben sein soll, oder vom Satan selbst geführt wurden, weiß ich nicht, aber sie wurden gut geführt. Sie hatten den Fluß vor sich und die Mauern ihrer Stadt Alcaecr zum Stützpunkte, sie widerstanden uns im Mittel der Schlacht in trotzigen, dichten Massen und dehnten ans beiden Flügeln ihre Geschwader immer weiter aus, sodaß selbst wir gemeinen Krieger sahen, daß unsre Gemalthaufen in der Begier, sie nicht entrinnen zu lassen, sich zu weit auseinander zettelten. Bald darnach, als die Sonne gegen den Mittag stieg, begannen die Mohren in endlosen Zügen vorzudringen, unsre Reihen schmolzen zum Erschrecken, und auf das Gerücht, daß im Rücken des Heeres das Lager und alle Geschütze genommen seien, fingen die schlechtbewaffneten Leute, welche hinter den Deutschen und den Neitergeschwädern des Herzogs vou Aveiro gestanden hatten, an, sich zu zerstreuen. Der Feind drang immer heftiger ans uns ein, die Schaar, bei der ich war und die Dom Antonio, der Prior von Crato, führte, suchte sich mit den Schaaren, die um den König waren, zu vereinigen. Wir konnten noch deutlich erkennen, wie der König an der Spitze von ein paar hundert Reitern sich wieder und wieder auf die maurischen Reihen warf, ohne sie durchbrechen zu können, wir sahen das goldne Kruzifix, das Fray Tellez Alucita, des Königs Beichtvater, hoch trug, weithin glänzen, und des Königs Banner ging noch von Hand zu Hand. Aber rechts und links von uns wirbelte der staubende Wüstensand und der Pulverdampf in immer dichteren Wolken, unter deu Hufen der arabischen Reiterhaufen knickten die Schaaren, die sich ihnen eutgcgenwarfcn, wie Halme im Felde zusammen, zwischen Blutlachen und Leichenhaufen erhoben und sammelten sich stets weniger Kämpfer, rings war alles Sonnenbrand, wilde Flucht und Todes kämpf. In den letzten beiden Stunden, da wir fochten, hat keiner mehr einen Befehl vernommen — das christliche Heer ward zwischen den ungeheuern Massen der Ungläubigen schier zermalmt, es war, als ob der rollende Wüstensand unter unsern Füßen sich in Rosse und Reiter verwandelte. Der Weg, auf dem wir flüchtete», war mit den Leichen der Mohren bezeichnet, dazwischen lagen die Unsern. Mit meinen Augen sah ich den Herzog von Aveiro und Dom Ahras de silva, den Bischof von Porto, Dom Jcchme von Braganza und Don Fracisco de Albana, den Obristen der Spanier, tot liegen, auch Fray Tellez, der das Kreuz noch in seiner blutigen Hand hielt, lag da mit klaffender Stirnwunde! Andre werden Euch andre Namen nennen können, wenn Jhrs begehrt. Der König hatte Pagen um sich, sagte Camoens, dessen Erschütterung selbst die halbverwildertcn Flüchtlinge ergriff, mit heiserer Stimme. Saht ihr sie weder lebend noch tot? Nein, Senhor, keinen von ihnen, sie werden liegen, wo Seine Majestät

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/240
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/240>, abgerufen am 22.07.2024.