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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Camoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.)

amoens blickte starr auf den Sprechenden, und dann auf dessen
Begleiter, von denen sich einige näher herandrängten, als ob sie
ihren Genossen schützen wollten. Er vermochte nicht zu sprechen
und hatte das Ungeheure, das in den wenigen abgerissenen Worten
des Seemanns lag, noch nicht erfaßt. Einer der Ankömmlinge,
welcher eine schwere Schulterwunde mit dem Nest seines Linnenhemdes verbunden
hatte und mit offenem Wams und nackter Brust vor Camoens stand, rüttelte
den Bestürzten am Arme und sagte: Wir merken, Senhor, daß wir die Ersten
sind, welche die Unglückskunde hierher tragen! Das Unheil ist schon vor zehn
Tagen geschehen und wird seitdem um nichts besser geworden sein, aber erfahren
müßt Ihr hier, was wir dort ertragen mußten!

Der König und des Königs Umgebung und -- Haus, was wißt Ihr
von ihnen? stieß Camoens hervor, und sein Blick wie die Farbe seines Gesichts
verrieten deutlich, daß er die Botschaft der Flüchtlinge zu begreifen anfing.

Ihr fragt mehr, Herr, als wir wissen! entgegnete der Krieger. Da, Nunv
Nunez und Johan Zorro und Pero Ayras haben gleich mir vom frühen Morgen
bis zur Nachmittagssonne in den Schlachtreihen gestanden, und meine Wunde
habe ich erst empfangen, als nur noch Verlorne Haufen und keine Reihen mehr
stritten. Mir ist, als hätte ich des Königs großes Banner und ihn selbst noch
uuter diesem Banner fechten und auf die Mohren eindringen sehen, als wir
selbst keinen Streich mehr thun konnten und denen da -- er deutete auf den
Seemann -- nachtaumelten, weil sie den Weg zur Küste zu kennen behaupteten.
Johan und Nuno dagegen versichern, daß sie den König schon eine halbe Stunde
früher hätten fallen sehen. Wenn Ihr hier noch nichts erfahren habt, Herr,
so werden sie wohl Recht haben.




Camoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.)

amoens blickte starr auf den Sprechenden, und dann auf dessen
Begleiter, von denen sich einige näher herandrängten, als ob sie
ihren Genossen schützen wollten. Er vermochte nicht zu sprechen
und hatte das Ungeheure, das in den wenigen abgerissenen Worten
des Seemanns lag, noch nicht erfaßt. Einer der Ankömmlinge,
welcher eine schwere Schulterwunde mit dem Nest seines Linnenhemdes verbunden
hatte und mit offenem Wams und nackter Brust vor Camoens stand, rüttelte
den Bestürzten am Arme und sagte: Wir merken, Senhor, daß wir die Ersten
sind, welche die Unglückskunde hierher tragen! Das Unheil ist schon vor zehn
Tagen geschehen und wird seitdem um nichts besser geworden sein, aber erfahren
müßt Ihr hier, was wir dort ertragen mußten!

Der König und des Königs Umgebung und — Haus, was wißt Ihr
von ihnen? stieß Camoens hervor, und sein Blick wie die Farbe seines Gesichts
verrieten deutlich, daß er die Botschaft der Flüchtlinge zu begreifen anfing.

Ihr fragt mehr, Herr, als wir wissen! entgegnete der Krieger. Da, Nunv
Nunez und Johan Zorro und Pero Ayras haben gleich mir vom frühen Morgen
bis zur Nachmittagssonne in den Schlachtreihen gestanden, und meine Wunde
habe ich erst empfangen, als nur noch Verlorne Haufen und keine Reihen mehr
stritten. Mir ist, als hätte ich des Königs großes Banner und ihn selbst noch
uuter diesem Banner fechten und auf die Mohren eindringen sehen, als wir
selbst keinen Streich mehr thun konnten und denen da — er deutete auf den
Seemann — nachtaumelten, weil sie den Weg zur Küste zu kennen behaupteten.
Johan und Nuno dagegen versichern, daß sie den König schon eine halbe Stunde
früher hätten fallen sehen. Wenn Ihr hier noch nichts erfahren habt, Herr,
so werden sie wohl Recht haben.


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[0238] [Abbildung] Camoens. Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.) amoens blickte starr auf den Sprechenden, und dann auf dessen Begleiter, von denen sich einige näher herandrängten, als ob sie ihren Genossen schützen wollten. Er vermochte nicht zu sprechen und hatte das Ungeheure, das in den wenigen abgerissenen Worten des Seemanns lag, noch nicht erfaßt. Einer der Ankömmlinge, welcher eine schwere Schulterwunde mit dem Nest seines Linnenhemdes verbunden hatte und mit offenem Wams und nackter Brust vor Camoens stand, rüttelte den Bestürzten am Arme und sagte: Wir merken, Senhor, daß wir die Ersten sind, welche die Unglückskunde hierher tragen! Das Unheil ist schon vor zehn Tagen geschehen und wird seitdem um nichts besser geworden sein, aber erfahren müßt Ihr hier, was wir dort ertragen mußten! Der König und des Königs Umgebung und — Haus, was wißt Ihr von ihnen? stieß Camoens hervor, und sein Blick wie die Farbe seines Gesichts verrieten deutlich, daß er die Botschaft der Flüchtlinge zu begreifen anfing. Ihr fragt mehr, Herr, als wir wissen! entgegnete der Krieger. Da, Nunv Nunez und Johan Zorro und Pero Ayras haben gleich mir vom frühen Morgen bis zur Nachmittagssonne in den Schlachtreihen gestanden, und meine Wunde habe ich erst empfangen, als nur noch Verlorne Haufen und keine Reihen mehr stritten. Mir ist, als hätte ich des Königs großes Banner und ihn selbst noch uuter diesem Banner fechten und auf die Mohren eindringen sehen, als wir selbst keinen Streich mehr thun konnten und denen da — er deutete auf den Seemann — nachtaumelten, weil sie den Weg zur Küste zu kennen behaupteten. Johan und Nuno dagegen versichern, daß sie den König schon eine halbe Stunde früher hätten fallen sehen. Wenn Ihr hier noch nichts erfahren habt, Herr, so werden sie wohl Recht haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/238>, abgerufen am 03.07.2024.