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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Scharnhorst? Toben bis zu seinem Eintritt in den preußischen Dienst.

hin den Kampf auf dem Schlachtfelde sein; daraus ergiebt sich ihm dann die
Folgerung: alles, was im Kriege nicht brauchbar, nur auf den Schein berechnet
M. muß' abgeschafft werden. 'So ergießt sich sein Spott über die Regi¬
menter, bei denen die Parade die Hauptsache sei, die nur solche Übungen machten,
welche sie auf dem Paradcfelde verwenden könnten. Bemerkenswert sind auch
Äußerungen wie folgende: "Ich keime Offiziere, welche Wunder glauben wie
weit sie es gebracht haben, wenn sie die Bärtigen, Starken, Großen und Kleinen,
hoch und niedrig, schlecht und gut Berittenen so nebeneinander stellen, daß im
Ganzen eine Symmetrie herauskommt -- aber eine Truppe zum Gefechte zu
rangiren, daran haben sie nie gedacht. Was thut nicht das Vorurteil, und wo
bringt das den Menschen nicht hiu, wenn er ohne zu denken handelt?" und:
"Schöne Leute und schöne Pferde machen nicht das Wesen einer Kavallerie ans."

Dem klaren Ange Scharnhorsts entgingen auch nicht die Mißstände, welche
durch die damals in Hannover eingerissene Adelsherrschaft hervorgerufen wurden.
Scharf, aber wahr ist sein Ausspruch: "Ohne das Avancement nach Geschicklich-
keit wird der Dummkopf Offizier und also auch bei guter Gesundheit Stabs¬
offizier oder gar Chef, und dann leistet eine kostbare Waffe dem Staate nicht
den großen und wichtigen Nutzen, welchen sie leisten kann, dann werden un¬
sägliche Kosten ohne Nutzen verwendet, vielleicht brave Männer oft zwecklos
geopfert."

Scharnhorst selbst litt uuter diesen Verhältnissen. Er hätte seine soziale
Stellung wesentlich verbessern können, wenn er sich entschlossen hätte, ein adliches
Fräulein heimzuführen. Aber seine Wahl fiel auf Klara Schmalz, mit deren
Bruder, dem Verfasser einer Biographie des Grafen Wilhelm von Bückeburg,
er innig befreundet war. Mit ihr vermählte sich der neunnndzwanzigjährige
Leutnant, dessen Gehalt sich damals auf monatlich 34 Reichsthaler und
11 Pfennige belief. Die mit Kindern reich gesegnete Ehe war äußerst glücklich,
beide Gatten verstanden sich auss beste und paßten trefflich zusammen. Zu
ihrer großen Freude besserten sich ihre pekuniären Verhältnisse nach beinahe
achtjähriger Ehe. indem Scharnhorst endlich im Jahre 1792 zum Kapitän be¬
fördert wurde.

Kurze Zeit darauf mußte er in den Krieg ziehen. So schwer ihm auch
die Trennung von seiner Familie fiel, so begrüßte er doch den Feldzug mit
Freuden. Denn er hoffte während desselben seiue Talente noch besser als im
Frieden verwerten zu können und die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten ans
sich zu ziehen. Diese Erwartungen erfüllten sich freilich zunächst nicht, auch
verlief der Feldzug in den Niederlanden, den er mitmachte, im großen und ganzen
ungünstig. Da war ihm denn die literarische Thätigkeit, die er während der
Mußestunden im Felde eifrigst betrieb, ein rechter Trost. Mit der Art und
Weise der Kriegführung, die uur darin bestanden hatte, daß die Grenzfestungcu
der Reihe nach blockirt worden waren, war er durchaus uicht einverstanden: da-


Scharnhorst? Toben bis zu seinem Eintritt in den preußischen Dienst.

hin den Kampf auf dem Schlachtfelde sein; daraus ergiebt sich ihm dann die
Folgerung: alles, was im Kriege nicht brauchbar, nur auf den Schein berechnet
M. muß' abgeschafft werden. 'So ergießt sich sein Spott über die Regi¬
menter, bei denen die Parade die Hauptsache sei, die nur solche Übungen machten,
welche sie auf dem Paradcfelde verwenden könnten. Bemerkenswert sind auch
Äußerungen wie folgende: „Ich keime Offiziere, welche Wunder glauben wie
weit sie es gebracht haben, wenn sie die Bärtigen, Starken, Großen und Kleinen,
hoch und niedrig, schlecht und gut Berittenen so nebeneinander stellen, daß im
Ganzen eine Symmetrie herauskommt — aber eine Truppe zum Gefechte zu
rangiren, daran haben sie nie gedacht. Was thut nicht das Vorurteil, und wo
bringt das den Menschen nicht hiu, wenn er ohne zu denken handelt?" und:
„Schöne Leute und schöne Pferde machen nicht das Wesen einer Kavallerie ans."

Dem klaren Ange Scharnhorsts entgingen auch nicht die Mißstände, welche
durch die damals in Hannover eingerissene Adelsherrschaft hervorgerufen wurden.
Scharf, aber wahr ist sein Ausspruch: „Ohne das Avancement nach Geschicklich-
keit wird der Dummkopf Offizier und also auch bei guter Gesundheit Stabs¬
offizier oder gar Chef, und dann leistet eine kostbare Waffe dem Staate nicht
den großen und wichtigen Nutzen, welchen sie leisten kann, dann werden un¬
sägliche Kosten ohne Nutzen verwendet, vielleicht brave Männer oft zwecklos
geopfert."

Scharnhorst selbst litt uuter diesen Verhältnissen. Er hätte seine soziale
Stellung wesentlich verbessern können, wenn er sich entschlossen hätte, ein adliches
Fräulein heimzuführen. Aber seine Wahl fiel auf Klara Schmalz, mit deren
Bruder, dem Verfasser einer Biographie des Grafen Wilhelm von Bückeburg,
er innig befreundet war. Mit ihr vermählte sich der neunnndzwanzigjährige
Leutnant, dessen Gehalt sich damals auf monatlich 34 Reichsthaler und
11 Pfennige belief. Die mit Kindern reich gesegnete Ehe war äußerst glücklich,
beide Gatten verstanden sich auss beste und paßten trefflich zusammen. Zu
ihrer großen Freude besserten sich ihre pekuniären Verhältnisse nach beinahe
achtjähriger Ehe. indem Scharnhorst endlich im Jahre 1792 zum Kapitän be¬
fördert wurde.

Kurze Zeit darauf mußte er in den Krieg ziehen. So schwer ihm auch
die Trennung von seiner Familie fiel, so begrüßte er doch den Feldzug mit
Freuden. Denn er hoffte während desselben seiue Talente noch besser als im
Frieden verwerten zu können und die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten ans
sich zu ziehen. Diese Erwartungen erfüllten sich freilich zunächst nicht, auch
verlief der Feldzug in den Niederlanden, den er mitmachte, im großen und ganzen
ungünstig. Da war ihm denn die literarische Thätigkeit, die er während der
Mußestunden im Felde eifrigst betrieb, ein rechter Trost. Mit der Art und
Weise der Kriegführung, die uur darin bestanden hatte, daß die Grenzfestungcu
der Reihe nach blockirt worden waren, war er durchaus uicht einverstanden: da-


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[0021] Scharnhorst? Toben bis zu seinem Eintritt in den preußischen Dienst. hin den Kampf auf dem Schlachtfelde sein; daraus ergiebt sich ihm dann die Folgerung: alles, was im Kriege nicht brauchbar, nur auf den Schein berechnet M. muß' abgeschafft werden. 'So ergießt sich sein Spott über die Regi¬ menter, bei denen die Parade die Hauptsache sei, die nur solche Übungen machten, welche sie auf dem Paradcfelde verwenden könnten. Bemerkenswert sind auch Äußerungen wie folgende: „Ich keime Offiziere, welche Wunder glauben wie weit sie es gebracht haben, wenn sie die Bärtigen, Starken, Großen und Kleinen, hoch und niedrig, schlecht und gut Berittenen so nebeneinander stellen, daß im Ganzen eine Symmetrie herauskommt — aber eine Truppe zum Gefechte zu rangiren, daran haben sie nie gedacht. Was thut nicht das Vorurteil, und wo bringt das den Menschen nicht hiu, wenn er ohne zu denken handelt?" und: „Schöne Leute und schöne Pferde machen nicht das Wesen einer Kavallerie ans." Dem klaren Ange Scharnhorsts entgingen auch nicht die Mißstände, welche durch die damals in Hannover eingerissene Adelsherrschaft hervorgerufen wurden. Scharf, aber wahr ist sein Ausspruch: „Ohne das Avancement nach Geschicklich- keit wird der Dummkopf Offizier und also auch bei guter Gesundheit Stabs¬ offizier oder gar Chef, und dann leistet eine kostbare Waffe dem Staate nicht den großen und wichtigen Nutzen, welchen sie leisten kann, dann werden un¬ sägliche Kosten ohne Nutzen verwendet, vielleicht brave Männer oft zwecklos geopfert." Scharnhorst selbst litt uuter diesen Verhältnissen. Er hätte seine soziale Stellung wesentlich verbessern können, wenn er sich entschlossen hätte, ein adliches Fräulein heimzuführen. Aber seine Wahl fiel auf Klara Schmalz, mit deren Bruder, dem Verfasser einer Biographie des Grafen Wilhelm von Bückeburg, er innig befreundet war. Mit ihr vermählte sich der neunnndzwanzigjährige Leutnant, dessen Gehalt sich damals auf monatlich 34 Reichsthaler und 11 Pfennige belief. Die mit Kindern reich gesegnete Ehe war äußerst glücklich, beide Gatten verstanden sich auss beste und paßten trefflich zusammen. Zu ihrer großen Freude besserten sich ihre pekuniären Verhältnisse nach beinahe achtjähriger Ehe. indem Scharnhorst endlich im Jahre 1792 zum Kapitän be¬ fördert wurde. Kurze Zeit darauf mußte er in den Krieg ziehen. So schwer ihm auch die Trennung von seiner Familie fiel, so begrüßte er doch den Feldzug mit Freuden. Denn er hoffte während desselben seiue Talente noch besser als im Frieden verwerten zu können und die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten ans sich zu ziehen. Diese Erwartungen erfüllten sich freilich zunächst nicht, auch verlief der Feldzug in den Niederlanden, den er mitmachte, im großen und ganzen ungünstig. Da war ihm denn die literarische Thätigkeit, die er während der Mußestunden im Felde eifrigst betrieb, ein rechter Trost. Mit der Art und Weise der Kriegführung, die uur darin bestanden hatte, daß die Grenzfestungcu der Reihe nach blockirt worden waren, war er durchaus uicht einverstanden: da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/21>, abgerufen am 22.07.2024.