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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Wiederkehr der Zeiten von Windischgrcitz und Melden gefaselt wird, so sollten
die Ängstlicher sich vor allem erinnern, wodurch vor vierzig Jahren das Säbel¬
regiment möglich und -- notwendig gemacht wurde.




Allgemeineres über Irland.

le Betrachtung ausländischer Zustände und fremder Parteiverhält¬
nisse hat eine andre Bedeutung für den Politiker von Fach, als
für den, der vor allein den heimischen Zuständen seine persönliche
Sympathie zuwendet und diese eignen Interessen verstehen will.
Nur jener hat z. B. das Bedürfnis, die ausländischen Dinge in
ihren oft so mannichfachen Faktoren so genau zu durchdringen, daß er die Zu¬
kunft berechnen kann; dieser ist mehr darauf aus, die eignen Verhältnisse an
die fremden zu halten, Befürchtungen und Hoffnungen für die eignen aus den
fremden abzuleiten und Heilmittel und vorgeschlagne Reformen gemäß den aus¬
ländischen Erfahrungen schärfer zu prüfen. Dies bescheidnere Ziel übersteigt
nicht so sehr die uns mögliche Kenntnis des Auslandes, eine Kenntnis, die
unsre politische Tagesliteratur keineswegs in besondern: Maße erleichtert. Wir
werden durch diese nicht einmal in den Stand gesetzt, die englisch-irischen wohl¬
unterrichteten Stimmen von den andern unbedeutenden neben ihnen zu unter¬
scheiden, die sich ebenso laut in den Angelegenheiten ihres Vaterlandes hörbar
machen. Unsre Zeitungen teilen demgemäß ganz Widersprechendes über die
Absichten der Führer, selbst Gladstones mit, und ebenso dunkel ist bis jetzt,
wie die im allgemeinen Gladstone ungünstigen Wahlen eingreifen werden in
die Gestaltung des künftigen englischen Ministeriums, ob es ein aus den großen
politischen Parteien gemischtes unionistisches Ministerium sein wird, oder ob
uoch einmal die reine Toryregierung es unternehmen wird, die irische Frage
zu lösen oder die Ruhe durch Gewalt herzustellen. Einige englische Publi¬
zisten sehen sehr schwarz; in der "Kölnischen Zeitung" sagt ein offenbar tief
eingeweihter Engländer, daß er, selbst wenn Gladstone nicht siege, die Revo¬
lution als unvermeidlich erachte; die Unthaten in Irland würden gerade darum
nicht abnehmen, Priester und Fenier nicht nachlassen in ihren Anreizungen,
weil ein notorisch so hervorragender Mann wie Gladstone mit ganzer Über¬
zeugung für ihre politische und wirtschaftliche Befreiung eingetreten sei. Diese
Sache müsse endlich durchdringen. Derselbe Mann spricht von dem Gelde
Amerikas, das die irische Revolution bezahle und die fehlende Begeisterung und
Kampfesfrcudigkeit der Iren mehr als ersetze. Selbst Gladstone hat nach einem


Wiederkehr der Zeiten von Windischgrcitz und Melden gefaselt wird, so sollten
die Ängstlicher sich vor allem erinnern, wodurch vor vierzig Jahren das Säbel¬
regiment möglich und — notwendig gemacht wurde.




Allgemeineres über Irland.

le Betrachtung ausländischer Zustände und fremder Parteiverhält¬
nisse hat eine andre Bedeutung für den Politiker von Fach, als
für den, der vor allein den heimischen Zuständen seine persönliche
Sympathie zuwendet und diese eignen Interessen verstehen will.
Nur jener hat z. B. das Bedürfnis, die ausländischen Dinge in
ihren oft so mannichfachen Faktoren so genau zu durchdringen, daß er die Zu¬
kunft berechnen kann; dieser ist mehr darauf aus, die eignen Verhältnisse an
die fremden zu halten, Befürchtungen und Hoffnungen für die eignen aus den
fremden abzuleiten und Heilmittel und vorgeschlagne Reformen gemäß den aus¬
ländischen Erfahrungen schärfer zu prüfen. Dies bescheidnere Ziel übersteigt
nicht so sehr die uns mögliche Kenntnis des Auslandes, eine Kenntnis, die
unsre politische Tagesliteratur keineswegs in besondern: Maße erleichtert. Wir
werden durch diese nicht einmal in den Stand gesetzt, die englisch-irischen wohl¬
unterrichteten Stimmen von den andern unbedeutenden neben ihnen zu unter¬
scheiden, die sich ebenso laut in den Angelegenheiten ihres Vaterlandes hörbar
machen. Unsre Zeitungen teilen demgemäß ganz Widersprechendes über die
Absichten der Führer, selbst Gladstones mit, und ebenso dunkel ist bis jetzt,
wie die im allgemeinen Gladstone ungünstigen Wahlen eingreifen werden in
die Gestaltung des künftigen englischen Ministeriums, ob es ein aus den großen
politischen Parteien gemischtes unionistisches Ministerium sein wird, oder ob
uoch einmal die reine Toryregierung es unternehmen wird, die irische Frage
zu lösen oder die Ruhe durch Gewalt herzustellen. Einige englische Publi¬
zisten sehen sehr schwarz; in der „Kölnischen Zeitung" sagt ein offenbar tief
eingeweihter Engländer, daß er, selbst wenn Gladstone nicht siege, die Revo¬
lution als unvermeidlich erachte; die Unthaten in Irland würden gerade darum
nicht abnehmen, Priester und Fenier nicht nachlassen in ihren Anreizungen,
weil ein notorisch so hervorragender Mann wie Gladstone mit ganzer Über¬
zeugung für ihre politische und wirtschaftliche Befreiung eingetreten sei. Diese
Sache müsse endlich durchdringen. Derselbe Mann spricht von dem Gelde
Amerikas, das die irische Revolution bezahle und die fehlende Begeisterung und
Kampfesfrcudigkeit der Iren mehr als ersetze. Selbst Gladstone hat nach einem


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[0205] Wiederkehr der Zeiten von Windischgrcitz und Melden gefaselt wird, so sollten die Ängstlicher sich vor allem erinnern, wodurch vor vierzig Jahren das Säbel¬ regiment möglich und — notwendig gemacht wurde. Allgemeineres über Irland. le Betrachtung ausländischer Zustände und fremder Parteiverhält¬ nisse hat eine andre Bedeutung für den Politiker von Fach, als für den, der vor allein den heimischen Zuständen seine persönliche Sympathie zuwendet und diese eignen Interessen verstehen will. Nur jener hat z. B. das Bedürfnis, die ausländischen Dinge in ihren oft so mannichfachen Faktoren so genau zu durchdringen, daß er die Zu¬ kunft berechnen kann; dieser ist mehr darauf aus, die eignen Verhältnisse an die fremden zu halten, Befürchtungen und Hoffnungen für die eignen aus den fremden abzuleiten und Heilmittel und vorgeschlagne Reformen gemäß den aus¬ ländischen Erfahrungen schärfer zu prüfen. Dies bescheidnere Ziel übersteigt nicht so sehr die uns mögliche Kenntnis des Auslandes, eine Kenntnis, die unsre politische Tagesliteratur keineswegs in besondern: Maße erleichtert. Wir werden durch diese nicht einmal in den Stand gesetzt, die englisch-irischen wohl¬ unterrichteten Stimmen von den andern unbedeutenden neben ihnen zu unter¬ scheiden, die sich ebenso laut in den Angelegenheiten ihres Vaterlandes hörbar machen. Unsre Zeitungen teilen demgemäß ganz Widersprechendes über die Absichten der Führer, selbst Gladstones mit, und ebenso dunkel ist bis jetzt, wie die im allgemeinen Gladstone ungünstigen Wahlen eingreifen werden in die Gestaltung des künftigen englischen Ministeriums, ob es ein aus den großen politischen Parteien gemischtes unionistisches Ministerium sein wird, oder ob uoch einmal die reine Toryregierung es unternehmen wird, die irische Frage zu lösen oder die Ruhe durch Gewalt herzustellen. Einige englische Publi¬ zisten sehen sehr schwarz; in der „Kölnischen Zeitung" sagt ein offenbar tief eingeweihter Engländer, daß er, selbst wenn Gladstone nicht siege, die Revo¬ lution als unvermeidlich erachte; die Unthaten in Irland würden gerade darum nicht abnehmen, Priester und Fenier nicht nachlassen in ihren Anreizungen, weil ein notorisch so hervorragender Mann wie Gladstone mit ganzer Über¬ zeugung für ihre politische und wirtschaftliche Befreiung eingetreten sei. Diese Sache müsse endlich durchdringen. Derselbe Mann spricht von dem Gelde Amerikas, das die irische Revolution bezahle und die fehlende Begeisterung und Kampfesfrcudigkeit der Iren mehr als ersetze. Selbst Gladstone hat nach einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/205>, abgerufen am 22.07.2024.