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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus "Österreich.

Welche Minister Tisza sich berief, als er die Bekränzung des Hentzi-Denkmals
inkorrekt und taktlos nannte; wahrscheinlich hat er es sonst auch an der Ent¬
schlossenheit und dem Takte fehlen lassen, welche jene Stellung von ihm forderte,
denn sonst hätte der Skandal in Pest nicht solche Dimensionen annehmen können.
Nun ertönt diesseits und jenseits der Leitha großes Klagegeschrei, man will
die einfachsten Verhältnisse nicht begreifen, übertreibt hier und droht dort. Keine
bessere Rechtfertigung konnte die Maßregel finden, als die in Ungarn auf¬
tretende Forderung einer nationalen Armee! Eben weil man wußte, daß solche
Tendenzen bestehen, mußte ja jeder Versuch, die Einheit des kaiserlichen Heeres
anzutasten, sofort niedergeschlagen werden. Die Verdienste des aus dem Dienste
scheidenden Generals sind in dem kaiserlichen Handschreiben warm genug aner¬
kannt, aber wenn man nun einen Feldherrn aus ihm macht, so ist das Über¬
treibung, und vor den Freunden, welche ihn jetzt ungefähr wie einen spanischen
oder französischen politischen General schildern, wird Herrn von Edelsheim
wohl am meisten grauen. Er stammt bekanntlich ans Baden, wo sein Bruder
1866 Minister war, ist frühzeitig in österreichische Dienste getreten und hat
sich stets als "schneidiger" Reiteroffizier bewährt. Sein kühner Ritt bei Ma-
genta hat eine Stelle in der Kriegsgeschichte; daß derselbe nutzlos blieb, ver¬
schuldete weder der junge Oberst noch seine Husaren. Dagegen ist der Versuch
einer Wiederholung des Bravourstücks bei Königgrätz immer als ein zweckloses
Hin opfern der Leute angesehen worden. Und auch über die nach ihm benannte
Abrinden"gsmethode der Kavallerie find die Ansichten immer geteilt gewesen.
Während in den Jahren zwischen 1860 und 1866 seine Anhänger von dieser
Methode eine gänzliche Umwälzung erwarteten, hoben andre hervor, daß durch
dieselbe gewiß die Leistungsfähigkeit der Truppe bedeutend erhöht werden könne,
daß sie aber auch einen sehr großen Verbrauch an Menschen- und Pferdematcrial
mit sich bringe und zu ausschließlich das alte, aber längst nicht mehr bewährte
System ins Auge fasse, welches mit dem Ausdrucke bezeichnet zu werden pflegt:
"den Stier bei den Hörnern packen." Edelsheim stand in dem Rufe, die
Disziplin mit eiserner Strenge aufrecht zu erhalten, heute rühmt mau an ihm
vor allem, daß er sich in Ungarn populär zu machen gewußt habe. Nun ist
es gewiß sehr erfreulich, wenn von oben herab das Beispiel eines guten Ein¬
vernehmens zwischen Militär und Zivil gegeben wird, aber Hauptaufgabe kann
das doch nicht für einen kommandirenden General sein, und in ernsten Mo¬
menten muß er auch bereit sein, sich unbeliebt zu machen. Gegen die Ver¬
fügungen der höchsten Militärbehörde ist vernünftigerweise garnichts einzu¬
wenden. Einer Versetzung hat wahrscheinlich General Edelsheim selbst die
Pensionirung vorgezogen; dnrch die Versetzung des Generals Jansky, der die
Schreier in Pest gegen sich aufgebracht hatte, ist weiteren Konflikten vorgebeugt,
allein diese Versetzung durste unter keinen Umständen den Charakter einer Strafe
haben, und daher mußte er zugleich befördert werden. Wenn deshalb von der


Aus «Österreich.

Welche Minister Tisza sich berief, als er die Bekränzung des Hentzi-Denkmals
inkorrekt und taktlos nannte; wahrscheinlich hat er es sonst auch an der Ent¬
schlossenheit und dem Takte fehlen lassen, welche jene Stellung von ihm forderte,
denn sonst hätte der Skandal in Pest nicht solche Dimensionen annehmen können.
Nun ertönt diesseits und jenseits der Leitha großes Klagegeschrei, man will
die einfachsten Verhältnisse nicht begreifen, übertreibt hier und droht dort. Keine
bessere Rechtfertigung konnte die Maßregel finden, als die in Ungarn auf¬
tretende Forderung einer nationalen Armee! Eben weil man wußte, daß solche
Tendenzen bestehen, mußte ja jeder Versuch, die Einheit des kaiserlichen Heeres
anzutasten, sofort niedergeschlagen werden. Die Verdienste des aus dem Dienste
scheidenden Generals sind in dem kaiserlichen Handschreiben warm genug aner¬
kannt, aber wenn man nun einen Feldherrn aus ihm macht, so ist das Über¬
treibung, und vor den Freunden, welche ihn jetzt ungefähr wie einen spanischen
oder französischen politischen General schildern, wird Herrn von Edelsheim
wohl am meisten grauen. Er stammt bekanntlich ans Baden, wo sein Bruder
1866 Minister war, ist frühzeitig in österreichische Dienste getreten und hat
sich stets als „schneidiger" Reiteroffizier bewährt. Sein kühner Ritt bei Ma-
genta hat eine Stelle in der Kriegsgeschichte; daß derselbe nutzlos blieb, ver¬
schuldete weder der junge Oberst noch seine Husaren. Dagegen ist der Versuch
einer Wiederholung des Bravourstücks bei Königgrätz immer als ein zweckloses
Hin opfern der Leute angesehen worden. Und auch über die nach ihm benannte
Abrinden»gsmethode der Kavallerie find die Ansichten immer geteilt gewesen.
Während in den Jahren zwischen 1860 und 1866 seine Anhänger von dieser
Methode eine gänzliche Umwälzung erwarteten, hoben andre hervor, daß durch
dieselbe gewiß die Leistungsfähigkeit der Truppe bedeutend erhöht werden könne,
daß sie aber auch einen sehr großen Verbrauch an Menschen- und Pferdematcrial
mit sich bringe und zu ausschließlich das alte, aber längst nicht mehr bewährte
System ins Auge fasse, welches mit dem Ausdrucke bezeichnet zu werden pflegt:
„den Stier bei den Hörnern packen." Edelsheim stand in dem Rufe, die
Disziplin mit eiserner Strenge aufrecht zu erhalten, heute rühmt mau an ihm
vor allem, daß er sich in Ungarn populär zu machen gewußt habe. Nun ist
es gewiß sehr erfreulich, wenn von oben herab das Beispiel eines guten Ein¬
vernehmens zwischen Militär und Zivil gegeben wird, aber Hauptaufgabe kann
das doch nicht für einen kommandirenden General sein, und in ernsten Mo¬
menten muß er auch bereit sein, sich unbeliebt zu machen. Gegen die Ver¬
fügungen der höchsten Militärbehörde ist vernünftigerweise garnichts einzu¬
wenden. Einer Versetzung hat wahrscheinlich General Edelsheim selbst die
Pensionirung vorgezogen; dnrch die Versetzung des Generals Jansky, der die
Schreier in Pest gegen sich aufgebracht hatte, ist weiteren Konflikten vorgebeugt,
allein diese Versetzung durste unter keinen Umständen den Charakter einer Strafe
haben, und daher mußte er zugleich befördert werden. Wenn deshalb von der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/204>, abgerufen am 22.07.2024.