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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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us allen Ländern, welche von Deutschen in größerer Anzahl be¬
wohnt sind, kommen Kundgebungen der Sympathie für diejenigen
Landsleute in Osterreich, welche den ihnen aufgezwungenen Kampf
gegen das Slawentum mit Entschlossenheit führen, und insbesondre
erfreut sich das Wirken des "Deutschen Schnlvereins" lebhafter
Teilnahme. Dabei wird selten versäumt, Bedauern oder Entrüstung über die
durch Verblendete hervorgerufene Spaltung in dem Vereine auszusprechen, und
jeden, der das Überwuchern des Judentums für kein Glück ansieht, als Ver¬
räter an der nationalen Sache hinzustellen. Das erklärt sich leicht aus dem
Umstände, daß die Deutschen außerhalb Österreichs sich über die hiesigen Zu¬
stände fast ausschließlich von Zeitungen unterrichten lassen, die entweder von
Juden geleitet werden oder doch glauben, allen ihren jüdischen Lesern "Rech¬
nung tragen" zu müssen. Thatsächlich aber ist jene Darstellung des Entstehens
der allerdings bedauerlichen Spaltung und Zersplitterung der Kräfte unrichtig.
Der Hergang war folgender. Nachdem anfangs nur "Ortsgruppen" innerhalb
des großen Vereins gebildet worden waren, entstanden mit Genehmigung der
Zentralleitung auch Gruppen, welche nicht durch die Örtlichkeit bestimmt und
begrenzt waren, akademische, Frauenvereine !c. Als nun die Wiener akademische
Gruppe den Grundsatz aufstellte, nur Christen aufzunehmen, und ein vorstädtischcr
Verein eine Jüdin zurückwies, hielt es die Zentralleitnng für angemessen, diese
beiden Gruppen aufzulösen. Die von den Zeitungen gegebene Motivirung dieses
Schrittes, dessen formelle Berechtigung außer Zweifel steht, ist durchaus hin¬
fällig: es würden durch das Vorgehen der beiden Gruppen Personen abge¬
halten, sich an der guten Sache zu beteiligen. Denn es Hütte den jüdischen


Grmzbowl III. 1386. 26


us allen Ländern, welche von Deutschen in größerer Anzahl be¬
wohnt sind, kommen Kundgebungen der Sympathie für diejenigen
Landsleute in Osterreich, welche den ihnen aufgezwungenen Kampf
gegen das Slawentum mit Entschlossenheit führen, und insbesondre
erfreut sich das Wirken des „Deutschen Schnlvereins" lebhafter
Teilnahme. Dabei wird selten versäumt, Bedauern oder Entrüstung über die
durch Verblendete hervorgerufene Spaltung in dem Vereine auszusprechen, und
jeden, der das Überwuchern des Judentums für kein Glück ansieht, als Ver¬
räter an der nationalen Sache hinzustellen. Das erklärt sich leicht aus dem
Umstände, daß die Deutschen außerhalb Österreichs sich über die hiesigen Zu¬
stände fast ausschließlich von Zeitungen unterrichten lassen, die entweder von
Juden geleitet werden oder doch glauben, allen ihren jüdischen Lesern „Rech¬
nung tragen" zu müssen. Thatsächlich aber ist jene Darstellung des Entstehens
der allerdings bedauerlichen Spaltung und Zersplitterung der Kräfte unrichtig.
Der Hergang war folgender. Nachdem anfangs nur „Ortsgruppen" innerhalb
des großen Vereins gebildet worden waren, entstanden mit Genehmigung der
Zentralleitung auch Gruppen, welche nicht durch die Örtlichkeit bestimmt und
begrenzt waren, akademische, Frauenvereine !c. Als nun die Wiener akademische
Gruppe den Grundsatz aufstellte, nur Christen aufzunehmen, und ein vorstädtischcr
Verein eine Jüdin zurückwies, hielt es die Zentralleitnng für angemessen, diese
beiden Gruppen aufzulösen. Die von den Zeitungen gegebene Motivirung dieses
Schrittes, dessen formelle Berechtigung außer Zweifel steht, ist durchaus hin¬
fällig: es würden durch das Vorgehen der beiden Gruppen Personen abge¬
halten, sich an der guten Sache zu beteiligen. Denn es Hütte den jüdischen


Grmzbowl III. 1386. 26
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[0201] [Abbildung] us allen Ländern, welche von Deutschen in größerer Anzahl be¬ wohnt sind, kommen Kundgebungen der Sympathie für diejenigen Landsleute in Osterreich, welche den ihnen aufgezwungenen Kampf gegen das Slawentum mit Entschlossenheit führen, und insbesondre erfreut sich das Wirken des „Deutschen Schnlvereins" lebhafter Teilnahme. Dabei wird selten versäumt, Bedauern oder Entrüstung über die durch Verblendete hervorgerufene Spaltung in dem Vereine auszusprechen, und jeden, der das Überwuchern des Judentums für kein Glück ansieht, als Ver¬ räter an der nationalen Sache hinzustellen. Das erklärt sich leicht aus dem Umstände, daß die Deutschen außerhalb Österreichs sich über die hiesigen Zu¬ stände fast ausschließlich von Zeitungen unterrichten lassen, die entweder von Juden geleitet werden oder doch glauben, allen ihren jüdischen Lesern „Rech¬ nung tragen" zu müssen. Thatsächlich aber ist jene Darstellung des Entstehens der allerdings bedauerlichen Spaltung und Zersplitterung der Kräfte unrichtig. Der Hergang war folgender. Nachdem anfangs nur „Ortsgruppen" innerhalb des großen Vereins gebildet worden waren, entstanden mit Genehmigung der Zentralleitung auch Gruppen, welche nicht durch die Örtlichkeit bestimmt und begrenzt waren, akademische, Frauenvereine !c. Als nun die Wiener akademische Gruppe den Grundsatz aufstellte, nur Christen aufzunehmen, und ein vorstädtischcr Verein eine Jüdin zurückwies, hielt es die Zentralleitnng für angemessen, diese beiden Gruppen aufzulösen. Die von den Zeitungen gegebene Motivirung dieses Schrittes, dessen formelle Berechtigung außer Zweifel steht, ist durchaus hin¬ fällig: es würden durch das Vorgehen der beiden Gruppen Personen abge¬ halten, sich an der guten Sache zu beteiligen. Denn es Hütte den jüdischen Grmzbowl III. 1386. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/201>, abgerufen am 03.07.2024.