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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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nervöse Maler.

Beschwerde unbegründet sei, sondern daß sie, die Unterzeichner, "sowohl der
Person des Herrn Adolf Rosenberg als seinen schriftlichen Aufsätzen gegenüber
stets die vollkommenste Nichtbeachtung geübt haben." Natürlich fragt sich jeder
Leser, was die Herren eigentlich mit dieser Erklärung wollen? Sie leugnen
nicht, können also augenscheinlich nicht leugnen, daß bei dem Feste die sonst
üblichen Vorkehrungen, um den Berichterstattern ihr mühevolles Geschäft zu er¬
leichtern, vernachlässigt worden sind. Sie, achtuudzwciuzig Mann hoch, können
unmöglich behaupten, daß Künstler im allgemeinen sich nie um die gute Meinung
von Kritikern bemüht oder für ein günstiges Urteil sich bedankt hätten. Ge¬
nannt oder irgendwie gekennzeichnet war keine Person, folglich hatte niemand
von den achtundzwanzig das Recht, Rosenbergs Äußerungen als persönlichen
Angriff auszulegen. Sie ergriffen eben nur die unpassende Gelegenheit, einem
Kunstschreiber öffentlich etwas verletzendes zu sagen. Darauf ist ihnen von
Dr. Rosenberg selbst und andern gebührend gedient worden. Nur in einer Be¬
ziehung ist wahrscheinlich der Mehrzahl der Unterzeichner, denen sich dann
noch fünfzehn angeschlossen haben, Unrecht geschehen, nämlich mit der Be¬
hauptung, gerade diese Erklärung beweise, wie aufmerksam die Herren alles
lasen, was Personen, denen gegenüber sie angeblich die vollkommenste Nicht¬
beachtung üben, geschrieben haben. Diesen Schluß halten wir für falsch. Die
meisten Maler lesen überhaupt nichts, denn lesen kann es nicht genannt werden,
wenn jemand die Berichte über Kunstausstellungen überfliegt, um zu sehen, ob
sein Name darin vorkommt. Einer der achtundzwanzig hat bereits reumütig
bekannt, die Erklärung zwar unterschrieben, aber nicht gelesen zu haben, ein
zweiter wenigstens stillschweigend zugegeben, daß es unbesonnen war, einen
Schriftsteller herauszufordern, welcher von ihm schriftliche Beweise des Gegen¬
teiles von Nichtbeachtung in den Händen hat. Einem dritten ist durch I)r. Rosen¬
berg eben derselbe Umstand ins Gedächtnis zurückgerufen worden. Und man
wird den meisten mit der Annahme nicht zu nahe treten, daß sie entweder nicht
gelesen oder doch nicht überlegt haben, wofür sie ihren Namen hergaben.
Einigen mag es willkommen gewesen sein, auf diese Art das Publikum von ihrer
Existenz zu unterrichten. Wer einigermaßen Personen- und Ortskenntnis besitzt
und sich ein wenig auf den (sozusagen) Stil versteht, kann kaum darüber in
Zweifel sein, daß ein streitsüchtiger und durch übermäßiges Lob seiner Vir¬
tuosität verzogner Mann es verstanden hat, seinen Kollegen so "einzuheizen,"
daß sie glaubten, ein Heldenstück auszuführen. In der Hitze ist dann wohl
versäumt worden, den Rat eines befreundeten Journalisten einzuholen, der den
nervösen Malern vermutlich klargemacht haben würde, daß sie im Begriffe
seien, einen dummen Streich zu machen, sie aber sicherlich über den Unterschied
zwischen "schriftlich" und "schriftstellerisch" belehrt hätte. Dieses "schriftlich"
hat eine fatale Ähnlichkeit mit der lateinisch seinsollenden Aufschrift an dem
Hause eines Berliner Künstlers.


nervöse Maler.

Beschwerde unbegründet sei, sondern daß sie, die Unterzeichner, „sowohl der
Person des Herrn Adolf Rosenberg als seinen schriftlichen Aufsätzen gegenüber
stets die vollkommenste Nichtbeachtung geübt haben." Natürlich fragt sich jeder
Leser, was die Herren eigentlich mit dieser Erklärung wollen? Sie leugnen
nicht, können also augenscheinlich nicht leugnen, daß bei dem Feste die sonst
üblichen Vorkehrungen, um den Berichterstattern ihr mühevolles Geschäft zu er¬
leichtern, vernachlässigt worden sind. Sie, achtuudzwciuzig Mann hoch, können
unmöglich behaupten, daß Künstler im allgemeinen sich nie um die gute Meinung
von Kritikern bemüht oder für ein günstiges Urteil sich bedankt hätten. Ge¬
nannt oder irgendwie gekennzeichnet war keine Person, folglich hatte niemand
von den achtundzwanzig das Recht, Rosenbergs Äußerungen als persönlichen
Angriff auszulegen. Sie ergriffen eben nur die unpassende Gelegenheit, einem
Kunstschreiber öffentlich etwas verletzendes zu sagen. Darauf ist ihnen von
Dr. Rosenberg selbst und andern gebührend gedient worden. Nur in einer Be¬
ziehung ist wahrscheinlich der Mehrzahl der Unterzeichner, denen sich dann
noch fünfzehn angeschlossen haben, Unrecht geschehen, nämlich mit der Be¬
hauptung, gerade diese Erklärung beweise, wie aufmerksam die Herren alles
lasen, was Personen, denen gegenüber sie angeblich die vollkommenste Nicht¬
beachtung üben, geschrieben haben. Diesen Schluß halten wir für falsch. Die
meisten Maler lesen überhaupt nichts, denn lesen kann es nicht genannt werden,
wenn jemand die Berichte über Kunstausstellungen überfliegt, um zu sehen, ob
sein Name darin vorkommt. Einer der achtundzwanzig hat bereits reumütig
bekannt, die Erklärung zwar unterschrieben, aber nicht gelesen zu haben, ein
zweiter wenigstens stillschweigend zugegeben, daß es unbesonnen war, einen
Schriftsteller herauszufordern, welcher von ihm schriftliche Beweise des Gegen¬
teiles von Nichtbeachtung in den Händen hat. Einem dritten ist durch I)r. Rosen¬
berg eben derselbe Umstand ins Gedächtnis zurückgerufen worden. Und man
wird den meisten mit der Annahme nicht zu nahe treten, daß sie entweder nicht
gelesen oder doch nicht überlegt haben, wofür sie ihren Namen hergaben.
Einigen mag es willkommen gewesen sein, auf diese Art das Publikum von ihrer
Existenz zu unterrichten. Wer einigermaßen Personen- und Ortskenntnis besitzt
und sich ein wenig auf den (sozusagen) Stil versteht, kann kaum darüber in
Zweifel sein, daß ein streitsüchtiger und durch übermäßiges Lob seiner Vir¬
tuosität verzogner Mann es verstanden hat, seinen Kollegen so „einzuheizen,"
daß sie glaubten, ein Heldenstück auszuführen. In der Hitze ist dann wohl
versäumt worden, den Rat eines befreundeten Journalisten einzuholen, der den
nervösen Malern vermutlich klargemacht haben würde, daß sie im Begriffe
seien, einen dummen Streich zu machen, sie aber sicherlich über den Unterschied
zwischen „schriftlich" und „schriftstellerisch" belehrt hätte. Dieses „schriftlich"
hat eine fatale Ähnlichkeit mit der lateinisch seinsollenden Aufschrift an dem
Hause eines Berliner Künstlers.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/181>, abgerufen am 22.07.2024.