Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
nervöse Maler.

Prosawerke der damaligen Zeit vergleichen. Dabei ist Margarethens Stil nicht
kunstlos, einzelne landschaftliche Schilderungen, kleine Genrebilder erscheinen noch
heute stilistisch vortrefflich.

Ein Schlußkapitel giebt eine kurze Geschichte der Königin Johanna, der
Mutter Heinrichs IV.

Hiermit nehmen wir Abschied von Lotheißens trefflichem Buche, das für
den Literarhistoriker nicht minder wie für den Kultur- und Kirchenhistorikcr
gleich anziehend und belehrend ist. Weitere Kreise wird die Darstellung der rein
menschlichen Verhältnisse kaum weniger fesseln, als Margarethens schriftstellerische
Thätigkeit, der sie doch ihr Fortleben in der Geschichte hauptsächlich verdankt.




nervöse Maler.

n frühern Zeiten standen vorzugsweise Schauspieler und Sänger
in dem Rufe, Lob in unbegrenzten Massen ohne die geringste
Beschwerde zu vertragen, hingegen durch den bescheidensten Tadel
in eine solche Aufregung versetzt zu werden, daß sie Kritikern,
auf deren Urteil sie noch am Tage vorher ausdrücklich den aller¬
größten Wert gelegt hatten, nur noch mit der äußersten Verachtung begegnen
konnten. Seitdem jedoch, dank der nnermiidlichen Arbeit der Kunstwissenschaft,
die gebildete Welt sich allgemeiner und eingehender mit den Werken der bil¬
denden Kunst beschäftigt, scheinen die Maler den Bühnenkünstlern jenen Ruhm
streitig machen zu wollen. Mit immer seltener werdenden Ausnahmen bekennen
sie sich zu der Ansicht, daß keinem Nichtmaler gestattet werden dürfe, sich anders
als bewundernd über Bilder zu äußern; das Verständnis des Laien reiche ge¬
rade so weit, um loben und kaufen zu können, nehme er sich aber heraus, an
der Auffassung, der Komposition, der Zeichnung, der Färbung eiuer Malerarbeit
etwas auszustellen, so müsse er mit Nachdruck, womöglich grob an sein Un¬
vermögen, etwas ähnliches, geschweige etwas besseres zu schaffen, erinnert werden.
Wir haben nicht nötig, an die zum Teil burlesken Ausbrüche des Malerzorns
gegen "Kunstschreiber" aus den letzten Jahren zu erinnern. Während das
Seltenerwerden der einst so häufigen Fehden zwischen Schauspielern und Jour¬
nalisten vielleicht aus dem jetzt durchschnittlich höhern Bildungsgrade der erstern
zu erklären ist, diese sich auch für die geschichtliche und ästhetische Theaterliteratur
zu interessiren Pflegen, tragen viele Maler ihre Abneigung gegen Bildung, ihre
Gleichgiltigkeit gegen Geschichte und Theorie ihrer Kunst mit einer gewissen


nervöse Maler.

Prosawerke der damaligen Zeit vergleichen. Dabei ist Margarethens Stil nicht
kunstlos, einzelne landschaftliche Schilderungen, kleine Genrebilder erscheinen noch
heute stilistisch vortrefflich.

Ein Schlußkapitel giebt eine kurze Geschichte der Königin Johanna, der
Mutter Heinrichs IV.

Hiermit nehmen wir Abschied von Lotheißens trefflichem Buche, das für
den Literarhistoriker nicht minder wie für den Kultur- und Kirchenhistorikcr
gleich anziehend und belehrend ist. Weitere Kreise wird die Darstellung der rein
menschlichen Verhältnisse kaum weniger fesseln, als Margarethens schriftstellerische
Thätigkeit, der sie doch ihr Fortleben in der Geschichte hauptsächlich verdankt.




nervöse Maler.

n frühern Zeiten standen vorzugsweise Schauspieler und Sänger
in dem Rufe, Lob in unbegrenzten Massen ohne die geringste
Beschwerde zu vertragen, hingegen durch den bescheidensten Tadel
in eine solche Aufregung versetzt zu werden, daß sie Kritikern,
auf deren Urteil sie noch am Tage vorher ausdrücklich den aller¬
größten Wert gelegt hatten, nur noch mit der äußersten Verachtung begegnen
konnten. Seitdem jedoch, dank der nnermiidlichen Arbeit der Kunstwissenschaft,
die gebildete Welt sich allgemeiner und eingehender mit den Werken der bil¬
denden Kunst beschäftigt, scheinen die Maler den Bühnenkünstlern jenen Ruhm
streitig machen zu wollen. Mit immer seltener werdenden Ausnahmen bekennen
sie sich zu der Ansicht, daß keinem Nichtmaler gestattet werden dürfe, sich anders
als bewundernd über Bilder zu äußern; das Verständnis des Laien reiche ge¬
rade so weit, um loben und kaufen zu können, nehme er sich aber heraus, an
der Auffassung, der Komposition, der Zeichnung, der Färbung eiuer Malerarbeit
etwas auszustellen, so müsse er mit Nachdruck, womöglich grob an sein Un¬
vermögen, etwas ähnliches, geschweige etwas besseres zu schaffen, erinnert werden.
Wir haben nicht nötig, an die zum Teil burlesken Ausbrüche des Malerzorns
gegen „Kunstschreiber" aus den letzten Jahren zu erinnern. Während das
Seltenerwerden der einst so häufigen Fehden zwischen Schauspielern und Jour¬
nalisten vielleicht aus dem jetzt durchschnittlich höhern Bildungsgrade der erstern
zu erklären ist, diese sich auch für die geschichtliche und ästhetische Theaterliteratur
zu interessiren Pflegen, tragen viele Maler ihre Abneigung gegen Bildung, ihre
Gleichgiltigkeit gegen Geschichte und Theorie ihrer Kunst mit einer gewissen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198899"/>
          <fw type="header" place="top"> nervöse Maler.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_492" prev="#ID_491"> Prosawerke der damaligen Zeit vergleichen. Dabei ist Margarethens Stil nicht<lb/>
kunstlos, einzelne landschaftliche Schilderungen, kleine Genrebilder erscheinen noch<lb/>
heute stilistisch vortrefflich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_493"> Ein Schlußkapitel giebt eine kurze Geschichte der Königin Johanna, der<lb/>
Mutter Heinrichs IV.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_494"> Hiermit nehmen wir Abschied von Lotheißens trefflichem Buche, das für<lb/>
den Literarhistoriker nicht minder wie für den Kultur- und Kirchenhistorikcr<lb/>
gleich anziehend und belehrend ist. Weitere Kreise wird die Darstellung der rein<lb/>
menschlichen Verhältnisse kaum weniger fesseln, als Margarethens schriftstellerische<lb/>
Thätigkeit, der sie doch ihr Fortleben in der Geschichte hauptsächlich verdankt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> nervöse Maler.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_495" next="#ID_496"> n frühern Zeiten standen vorzugsweise Schauspieler und Sänger<lb/>
in dem Rufe, Lob in unbegrenzten Massen ohne die geringste<lb/>
Beschwerde zu vertragen, hingegen durch den bescheidensten Tadel<lb/>
in eine solche Aufregung versetzt zu werden, daß sie Kritikern,<lb/>
auf deren Urteil sie noch am Tage vorher ausdrücklich den aller¬<lb/>
größten Wert gelegt hatten, nur noch mit der äußersten Verachtung begegnen<lb/>
konnten. Seitdem jedoch, dank der nnermiidlichen Arbeit der Kunstwissenschaft,<lb/>
die gebildete Welt sich allgemeiner und eingehender mit den Werken der bil¬<lb/>
denden Kunst beschäftigt, scheinen die Maler den Bühnenkünstlern jenen Ruhm<lb/>
streitig machen zu wollen. Mit immer seltener werdenden Ausnahmen bekennen<lb/>
sie sich zu der Ansicht, daß keinem Nichtmaler gestattet werden dürfe, sich anders<lb/>
als bewundernd über Bilder zu äußern; das Verständnis des Laien reiche ge¬<lb/>
rade so weit, um loben und kaufen zu können, nehme er sich aber heraus, an<lb/>
der Auffassung, der Komposition, der Zeichnung, der Färbung eiuer Malerarbeit<lb/>
etwas auszustellen, so müsse er mit Nachdruck, womöglich grob an sein Un¬<lb/>
vermögen, etwas ähnliches, geschweige etwas besseres zu schaffen, erinnert werden.<lb/>
Wir haben nicht nötig, an die zum Teil burlesken Ausbrüche des Malerzorns<lb/>
gegen &#x201E;Kunstschreiber" aus den letzten Jahren zu erinnern. Während das<lb/>
Seltenerwerden der einst so häufigen Fehden zwischen Schauspielern und Jour¬<lb/>
nalisten vielleicht aus dem jetzt durchschnittlich höhern Bildungsgrade der erstern<lb/>
zu erklären ist, diese sich auch für die geschichtliche und ästhetische Theaterliteratur<lb/>
zu interessiren Pflegen, tragen viele Maler ihre Abneigung gegen Bildung, ihre<lb/>
Gleichgiltigkeit gegen Geschichte und Theorie ihrer Kunst mit einer gewissen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0179] nervöse Maler. Prosawerke der damaligen Zeit vergleichen. Dabei ist Margarethens Stil nicht kunstlos, einzelne landschaftliche Schilderungen, kleine Genrebilder erscheinen noch heute stilistisch vortrefflich. Ein Schlußkapitel giebt eine kurze Geschichte der Königin Johanna, der Mutter Heinrichs IV. Hiermit nehmen wir Abschied von Lotheißens trefflichem Buche, das für den Literarhistoriker nicht minder wie für den Kultur- und Kirchenhistorikcr gleich anziehend und belehrend ist. Weitere Kreise wird die Darstellung der rein menschlichen Verhältnisse kaum weniger fesseln, als Margarethens schriftstellerische Thätigkeit, der sie doch ihr Fortleben in der Geschichte hauptsächlich verdankt. nervöse Maler. n frühern Zeiten standen vorzugsweise Schauspieler und Sänger in dem Rufe, Lob in unbegrenzten Massen ohne die geringste Beschwerde zu vertragen, hingegen durch den bescheidensten Tadel in eine solche Aufregung versetzt zu werden, daß sie Kritikern, auf deren Urteil sie noch am Tage vorher ausdrücklich den aller¬ größten Wert gelegt hatten, nur noch mit der äußersten Verachtung begegnen konnten. Seitdem jedoch, dank der nnermiidlichen Arbeit der Kunstwissenschaft, die gebildete Welt sich allgemeiner und eingehender mit den Werken der bil¬ denden Kunst beschäftigt, scheinen die Maler den Bühnenkünstlern jenen Ruhm streitig machen zu wollen. Mit immer seltener werdenden Ausnahmen bekennen sie sich zu der Ansicht, daß keinem Nichtmaler gestattet werden dürfe, sich anders als bewundernd über Bilder zu äußern; das Verständnis des Laien reiche ge¬ rade so weit, um loben und kaufen zu können, nehme er sich aber heraus, an der Auffassung, der Komposition, der Zeichnung, der Färbung eiuer Malerarbeit etwas auszustellen, so müsse er mit Nachdruck, womöglich grob an sein Un¬ vermögen, etwas ähnliches, geschweige etwas besseres zu schaffen, erinnert werden. Wir haben nicht nötig, an die zum Teil burlesken Ausbrüche des Malerzorns gegen „Kunstschreiber" aus den letzten Jahren zu erinnern. Während das Seltenerwerden der einst so häufigen Fehden zwischen Schauspielern und Jour¬ nalisten vielleicht aus dem jetzt durchschnittlich höhern Bildungsgrade der erstern zu erklären ist, diese sich auch für die geschichtliche und ästhetische Theaterliteratur zu interessiren Pflegen, tragen viele Maler ihre Abneigung gegen Bildung, ihre Gleichgiltigkeit gegen Geschichte und Theorie ihrer Kunst mit einer gewissen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/179
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/179>, abgerufen am 03.07.2024.