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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Lamoens,

gleich das Zeichen zur Abfahrt, es war, als strebe er in miruhig-sehnsüchtiger
Erwartung nach dem Deck seines Schiffes. Die Heil- und Segensrufe, die ihm
znklangen, erschollen laut und anhaltend genug, und doch brausten sie nicht zu¬
versichtlich gen Himmel, verhaltenes Schluchzen, wehmütiges Bangen, ein Ton,
der den Schutz aller Heiligen für den jugendlichen Herrscher erflehte, war in
ihnen! Auch Camoens hatte aufjauchzen wollen, und eben doch, wie von plötz¬
licher Todesahnung erfaßt, nur: Fahrt wohl, mein König, Gott schütze Euch!
gerufen. Und in diesem Augenblicke, als Dom Sebastian halb unmutig von
den Rnfern hinweg- und der Flotte znblickte, ward Camoens von einer heftigen
Erregung erfaßt, in der er vergaß, auf den König und das Gefolge der jungen
portugiesische" Edeln weiter zu achten. In eine seitwärts liegende Schaluppe
war Tellez Alucita, der Beichtvater, mit zwei königlichen Kaptanen einge¬
stiegen, Camoens hatte deutlich gesehen, daß der finster vor sich hiublickcnde
Priester ihm auswich und nicht Lebewohl sagen wollte. Und indem er noch
hangend erwog, was Fray Tellez' Nückhaltung zu bedeuten haben könne, ent¬
deckte er auf einmal zwischen der Schaar von Hausbeamten und Dienern, die
dem König ins Feld folgen sollten und zum Ufer drängten, während die Boote
mit Dom Sebastian und seinen nächsten Begleitern schon auf der Flut tanzten,
ein wohlbekanntes Gesicht. Es war der alte Miraflores, der Stallmeister der
Gräfin Catarina -- wie kam er hierher ohne seine Herrin? was fiel ihm ein, sich
unter des Königs Diener zu mischen und seine Füße auf die Stufen zum Wasser
hinab zu setzen? Das Blut schoß Camoens heiß zu Kopfe und drohte ihm die
Besinnung zu rauben, er sah Miraflores in eines der Boote steigen, sah das
Gesicht des Alten mit einem unverkennbaren Ausdrucke von Hohn auf sich ge¬
richtet. Miraflores stand in fester Haltung dicht an der Spitze des Bootes,
neben dem führenden jugendlichen Seemanne, dem er eifrig zusprach. Und ehe
Camoens die Bestürzung, mit der ihn die Erscheinung, die Miene des Alten
packte, nur etwas von sich abgeschüttelt hatte, begann der Ruderer mit wohl¬
klingender Stimme ein altes Volkslied, das so an Camoens' Ohr schlug, als ob
es ihm, ihm allein zngesnngen würde:


Der Fürst von Portugal
Baut Schiffe kühn und start,
Und mit ihm zieht vom Hafenplatz,
Mein Töchterlein, dein Schah.
Baut Schiffe, kühn nud stark,
Und schickt aufs Meer sie bald,
Und mit ihm zieht vom Hafenplatz,
Mein Töchterlein, dein Schatz!
Baut Schiffe stark und kühn,
Und schickt muss Meer sie früh,
Und mit ihm zieht vom Hafenplatz,
Mein Töchterlein, dein Schatz!

Lamoens,

gleich das Zeichen zur Abfahrt, es war, als strebe er in miruhig-sehnsüchtiger
Erwartung nach dem Deck seines Schiffes. Die Heil- und Segensrufe, die ihm
znklangen, erschollen laut und anhaltend genug, und doch brausten sie nicht zu¬
versichtlich gen Himmel, verhaltenes Schluchzen, wehmütiges Bangen, ein Ton,
der den Schutz aller Heiligen für den jugendlichen Herrscher erflehte, war in
ihnen! Auch Camoens hatte aufjauchzen wollen, und eben doch, wie von plötz¬
licher Todesahnung erfaßt, nur: Fahrt wohl, mein König, Gott schütze Euch!
gerufen. Und in diesem Augenblicke, als Dom Sebastian halb unmutig von
den Rnfern hinweg- und der Flotte znblickte, ward Camoens von einer heftigen
Erregung erfaßt, in der er vergaß, auf den König und das Gefolge der jungen
portugiesische« Edeln weiter zu achten. In eine seitwärts liegende Schaluppe
war Tellez Alucita, der Beichtvater, mit zwei königlichen Kaptanen einge¬
stiegen, Camoens hatte deutlich gesehen, daß der finster vor sich hiublickcnde
Priester ihm auswich und nicht Lebewohl sagen wollte. Und indem er noch
hangend erwog, was Fray Tellez' Nückhaltung zu bedeuten haben könne, ent¬
deckte er auf einmal zwischen der Schaar von Hausbeamten und Dienern, die
dem König ins Feld folgen sollten und zum Ufer drängten, während die Boote
mit Dom Sebastian und seinen nächsten Begleitern schon auf der Flut tanzten,
ein wohlbekanntes Gesicht. Es war der alte Miraflores, der Stallmeister der
Gräfin Catarina — wie kam er hierher ohne seine Herrin? was fiel ihm ein, sich
unter des Königs Diener zu mischen und seine Füße auf die Stufen zum Wasser
hinab zu setzen? Das Blut schoß Camoens heiß zu Kopfe und drohte ihm die
Besinnung zu rauben, er sah Miraflores in eines der Boote steigen, sah das
Gesicht des Alten mit einem unverkennbaren Ausdrucke von Hohn auf sich ge¬
richtet. Miraflores stand in fester Haltung dicht an der Spitze des Bootes,
neben dem führenden jugendlichen Seemanne, dem er eifrig zusprach. Und ehe
Camoens die Bestürzung, mit der ihn die Erscheinung, die Miene des Alten
packte, nur etwas von sich abgeschüttelt hatte, begann der Ruderer mit wohl¬
klingender Stimme ein altes Volkslied, das so an Camoens' Ohr schlug, als ob
es ihm, ihm allein zngesnngen würde:


Der Fürst von Portugal
Baut Schiffe kühn und start,
Und mit ihm zieht vom Hafenplatz,
Mein Töchterlein, dein Schah.
Baut Schiffe, kühn nud stark,
Und schickt aufs Meer sie bald,
Und mit ihm zieht vom Hafenplatz,
Mein Töchterlein, dein Schatz!
Baut Schiffe stark und kühn,
Und schickt muss Meer sie früh,
Und mit ihm zieht vom Hafenplatz,
Mein Töchterlein, dein Schatz!

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[0147] Lamoens, gleich das Zeichen zur Abfahrt, es war, als strebe er in miruhig-sehnsüchtiger Erwartung nach dem Deck seines Schiffes. Die Heil- und Segensrufe, die ihm znklangen, erschollen laut und anhaltend genug, und doch brausten sie nicht zu¬ versichtlich gen Himmel, verhaltenes Schluchzen, wehmütiges Bangen, ein Ton, der den Schutz aller Heiligen für den jugendlichen Herrscher erflehte, war in ihnen! Auch Camoens hatte aufjauchzen wollen, und eben doch, wie von plötz¬ licher Todesahnung erfaßt, nur: Fahrt wohl, mein König, Gott schütze Euch! gerufen. Und in diesem Augenblicke, als Dom Sebastian halb unmutig von den Rnfern hinweg- und der Flotte znblickte, ward Camoens von einer heftigen Erregung erfaßt, in der er vergaß, auf den König und das Gefolge der jungen portugiesische« Edeln weiter zu achten. In eine seitwärts liegende Schaluppe war Tellez Alucita, der Beichtvater, mit zwei königlichen Kaptanen einge¬ stiegen, Camoens hatte deutlich gesehen, daß der finster vor sich hiublickcnde Priester ihm auswich und nicht Lebewohl sagen wollte. Und indem er noch hangend erwog, was Fray Tellez' Nückhaltung zu bedeuten haben könne, ent¬ deckte er auf einmal zwischen der Schaar von Hausbeamten und Dienern, die dem König ins Feld folgen sollten und zum Ufer drängten, während die Boote mit Dom Sebastian und seinen nächsten Begleitern schon auf der Flut tanzten, ein wohlbekanntes Gesicht. Es war der alte Miraflores, der Stallmeister der Gräfin Catarina — wie kam er hierher ohne seine Herrin? was fiel ihm ein, sich unter des Königs Diener zu mischen und seine Füße auf die Stufen zum Wasser hinab zu setzen? Das Blut schoß Camoens heiß zu Kopfe und drohte ihm die Besinnung zu rauben, er sah Miraflores in eines der Boote steigen, sah das Gesicht des Alten mit einem unverkennbaren Ausdrucke von Hohn auf sich ge¬ richtet. Miraflores stand in fester Haltung dicht an der Spitze des Bootes, neben dem führenden jugendlichen Seemanne, dem er eifrig zusprach. Und ehe Camoens die Bestürzung, mit der ihn die Erscheinung, die Miene des Alten packte, nur etwas von sich abgeschüttelt hatte, begann der Ruderer mit wohl¬ klingender Stimme ein altes Volkslied, das so an Camoens' Ohr schlug, als ob es ihm, ihm allein zngesnngen würde: Der Fürst von Portugal Baut Schiffe kühn und start, Und mit ihm zieht vom Hafenplatz, Mein Töchterlein, dein Schah. Baut Schiffe, kühn nud stark, Und schickt aufs Meer sie bald, Und mit ihm zieht vom Hafenplatz, Mein Töchterlein, dein Schatz! Baut Schiffe stark und kühn, Und schickt muss Meer sie früh, Und mit ihm zieht vom Hafenplatz, Mein Töchterlein, dein Schatz!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/147>, abgerufen am 25.08.2024.