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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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sein, der die Farben seiner Korporation trägt. Das haben auch die Burschen¬
schafter eingesehen, die früher in wirrem Haar und schmutzigem Hemdenkragen den
nußern Ausdruck ihrer Prinzipien zu tragen meinten. Wenn aber der Korps-
nnd der Verbindungsstudent sich zum Modenarren herabwürdigt und gar zum
Anhänger der jetzt herrschenden greulichen englischen Mode, so ist das tief zu
bedauern. Es ist geradezu erstaunlich, ans welche Geschmacklosigkeiten man ge¬
kommen ist. Mau lief im Sommer mit japanischen Fächern, man hatte ein
Armband um den Arm hängen, man trug Miniaturstöckchen, die abgeschnitten
schienen; man trägt noch heute die engen, großkarrirten Spleenhosen und die
gcschnäbelten absatzlosen Schuhe, man trägt Mützen, aus denen mit Mühe und
Not vorn die Nase nud hinten der unterste Haarschopf Hervorsicht, oder solche,
die sich zu ihrem Träger verhalten wie der Punkt zum i; und zu cilledem nun
der herrliche Scheitel, dessen tadellose Erhaltung eine der Hauptsorgen des
Studenten ist! Unwürdig ist es für einen, der der geistigen Aristokratie ange¬
hören will, solche Dinge mitzumachen; noch unwürdiger, Wert darauf zu legen.

Die schärfsten Angriffe endlich richteten sich gegen das Duellunwesen, be¬
sonders gegen die Bestimmungsmcnsuren. Wie viel ist schon wider und für
das Duell geschrieben worden, und doch haben sich die Meinungen weder der
Gegner noch der Anhänger desselben nur im geringsten geändert. Die Schlcigcr-
meusur ist nicht eigentlich ein Duell, sie ist mehr eine ritterliche Waffenübung
und eine Mutprobe. Daher die Bestimmungsmcnsuren. Sie wird allerdings
auch zum Zweikampfe, da Streitigkeiten dnrch sie beendet werden; die weitaus
größere Zahl der Mensuren gehören aber der ersten Kategorie an. Auch das
sogenannte "Anrempeln" ist in den meisten Fällen nur das Mittel, eine Mensur
zu erlangen. Selbst der Gegner des Duells und der Mensur wird zugeben
müssen, daß die Mensur in ihren beiden Arten uicht ohne Nutzen sei. Sie ent¬
scheidet die zwischen jungen Leuten uicht immer zu umgehenden Händel in einer
anständigen Weise, und sie erhöht den persönlichen Mut und das Selbstvertrauen.
Wer sich gut auf Mensur geschlagen hat, schlägt sich auch gemeiniglich gut
durchs Leben. Für den Gegner der Mensur freilich kommen diese Vorteile
uicht in Betracht gegen die weit bedeutenderen Schäden. Daß die Mensuren
viel Zeit und Geld verschlingen, dagegen läßt sich nichts sagen; hier kann und
muß auch Wandel geschafft werden. Aber diesen Punkt betonen die Gegner am
wenigsten. Für sie ist auch das Stndentendnell ein "geadelter Mord," für sie
ist das "Gesichterzerfetzen" ein kindisches Spiel, dessen sich wahrhaft Gebildete
schämen sollten. Mit Gegengründen ist hier, wie schon gesagt, nicht viel aus¬
zurichten; nur das eine möge hervorgehoben werden, daß der Schläger, wie er
auf der Mensur gehandhabt wird, keine tötliche Waffe ist, trotz der gegenteiligen
Auffassung des höchsten Gerichtshofes. In den außerordentlich seltenen Fällen
des tötlichen Ausganges eines Schlägerduclls ist meist nachzuweisen, daß die
eigentliche Todesursache falsche Behandlung oder mangelnde Schonung war.


sein, der die Farben seiner Korporation trägt. Das haben auch die Burschen¬
schafter eingesehen, die früher in wirrem Haar und schmutzigem Hemdenkragen den
nußern Ausdruck ihrer Prinzipien zu tragen meinten. Wenn aber der Korps-
nnd der Verbindungsstudent sich zum Modenarren herabwürdigt und gar zum
Anhänger der jetzt herrschenden greulichen englischen Mode, so ist das tief zu
bedauern. Es ist geradezu erstaunlich, ans welche Geschmacklosigkeiten man ge¬
kommen ist. Mau lief im Sommer mit japanischen Fächern, man hatte ein
Armband um den Arm hängen, man trug Miniaturstöckchen, die abgeschnitten
schienen; man trägt noch heute die engen, großkarrirten Spleenhosen und die
gcschnäbelten absatzlosen Schuhe, man trägt Mützen, aus denen mit Mühe und
Not vorn die Nase nud hinten der unterste Haarschopf Hervorsicht, oder solche,
die sich zu ihrem Träger verhalten wie der Punkt zum i; und zu cilledem nun
der herrliche Scheitel, dessen tadellose Erhaltung eine der Hauptsorgen des
Studenten ist! Unwürdig ist es für einen, der der geistigen Aristokratie ange¬
hören will, solche Dinge mitzumachen; noch unwürdiger, Wert darauf zu legen.

Die schärfsten Angriffe endlich richteten sich gegen das Duellunwesen, be¬
sonders gegen die Bestimmungsmcnsuren. Wie viel ist schon wider und für
das Duell geschrieben worden, und doch haben sich die Meinungen weder der
Gegner noch der Anhänger desselben nur im geringsten geändert. Die Schlcigcr-
meusur ist nicht eigentlich ein Duell, sie ist mehr eine ritterliche Waffenübung
und eine Mutprobe. Daher die Bestimmungsmcnsuren. Sie wird allerdings
auch zum Zweikampfe, da Streitigkeiten dnrch sie beendet werden; die weitaus
größere Zahl der Mensuren gehören aber der ersten Kategorie an. Auch das
sogenannte „Anrempeln" ist in den meisten Fällen nur das Mittel, eine Mensur
zu erlangen. Selbst der Gegner des Duells und der Mensur wird zugeben
müssen, daß die Mensur in ihren beiden Arten uicht ohne Nutzen sei. Sie ent¬
scheidet die zwischen jungen Leuten uicht immer zu umgehenden Händel in einer
anständigen Weise, und sie erhöht den persönlichen Mut und das Selbstvertrauen.
Wer sich gut auf Mensur geschlagen hat, schlägt sich auch gemeiniglich gut
durchs Leben. Für den Gegner der Mensur freilich kommen diese Vorteile
uicht in Betracht gegen die weit bedeutenderen Schäden. Daß die Mensuren
viel Zeit und Geld verschlingen, dagegen läßt sich nichts sagen; hier kann und
muß auch Wandel geschafft werden. Aber diesen Punkt betonen die Gegner am
wenigsten. Für sie ist auch das Stndentendnell ein „geadelter Mord," für sie
ist das „Gesichterzerfetzen" ein kindisches Spiel, dessen sich wahrhaft Gebildete
schämen sollten. Mit Gegengründen ist hier, wie schon gesagt, nicht viel aus¬
zurichten; nur das eine möge hervorgehoben werden, daß der Schläger, wie er
auf der Mensur gehandhabt wird, keine tötliche Waffe ist, trotz der gegenteiligen
Auffassung des höchsten Gerichtshofes. In den außerordentlich seltenen Fällen
des tötlichen Ausganges eines Schlägerduclls ist meist nachzuweisen, daß die
eigentliche Todesursache falsche Behandlung oder mangelnde Schonung war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/141>, abgerufen am 25.08.2024.