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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die neuen Publikationen des deutschen archäologischen Instituts.

daß durch die Thatsache, daß die beiden Hauptpublikationcn nach Berlin verlegt
wurden, die Sache des Instituts in Rom im allgemeinen nicht gefördert werden
könne; auch sah man infolge des Bruches mit der Vergangenheit, welche für
viele die schönsten Erinnerungen ihrer Studien und ihrer Wirksamkeit enthielt,
dem neugeplauteu Unternehmen nicht allenthalben mit Mut und Vertrauen ent¬
gegen, weil man durch grundsätzliche Ausschließung der fremden Sprachen na¬
mentlich den italienischen Gelehrten, die von Anfang an und in den schwierigsten
Lagen des Instituts, dessen Bestand mehr als einmal gefährdet war, bis in die
neueste Zeit in treuer Gemeinschaft mit den Deutschen gearbeitet hatten, die
weitere Teilnahme an den neuen Jnstitutsschriften unmöglich "lachen würde.
Leider suchte man von einer Seite durch unvorsichtige, teilweise von politischer
Leidenschaft beeinflußte Äußerungen und dnrch ungünstige Beleuchtung der Sach¬
lage die Ansicht zu erwecken, man wolle durch grundsätzliche Beseitigung der
italienischen Sprache die italienischen Gelehrten von den deutschen Publikationen
fernhalten. So suchte man in Italien selbst, dessen Gastfreundschaft das In¬
stitut bisher in so hohem Maße genossen hatte, Mißtrauen gegen die neue Sache
zu erwecken.

Diese Thatsachen werden es gerechtfertigt erscheinen lassen, einerseits die
Gründe zu entwickeln -- soweit sie bisher in die Öffentlichkeit gedrungen sind --,
welche für die Neugestaltung der Jnstitutsschriften maßgebend waren, anderseits
aber allen Befürchtungen und mißliebigen Äußerungen durch den Hinweis auf
den Charakter der jetzigen Publikationen die Spitze abzubrechen.

Der Ausbau des Gebäudes, das Winckelmann errichtet hatte, lag nach dem
Tode seines Begründers vorzugsweise in den Händen der italienischen Gelehrten.
Erst zu Anfang dieses Jahrhunderts bildete sich in Rom ein Sammelpunkt
wissenschaftlicher Bestrebungen in einem Kreise deutscher Männer. 1802 war
Wilhelm von Humboldt als Vertreter der preußische" Regierung nach Rom ge¬
kommen, und wenige Jahre später, 1806, war ihm Friedrich Gottlieb Welcker
als junger, vielverheißender Gelehrter gefolgt. 1810 folgten Niebuhr und
Bunsen, dieser als Nachfolger Humboldts, jeuer, um in der ewigen Stadt den
Grund zu seinen großen philologisch-historischen Arbeiten zu legen. Eigentlich
archäologische Bestrebungen bildeten sich erst, als das Jahr 1822 den spätern
Begründer und langjährigen Leiter des Instituts, Eduard Gerhard, einen
Schüler August Böckhs und Friedrich August Wolfs, nach Rom führte. Dieser
wurde bald in einen Kreis von Müuneru eingeführt, die, von gleicher Liebe zum
klassischen Altertum beseelt und von gleichen idealen Anschauungen wie er durch¬
drungen, durch die Pflege gemeinsamer Interessen treue Freundschaft unterhielten.
Die kleine Gesellschaft es waren u. a. Stackelberg, damals mit den Arbeiten
über den Apollontempel von Beissa beschäftigt, Theodor Panofka, Kestner, der
Sohn von "Werthers Lotte," hannöverscher und großbritannischer Gesandter
beim päpstlichen Stuhle -- nannte sich "römische Hyperboräer." Die married-


Die neuen Publikationen des deutschen archäologischen Instituts.

daß durch die Thatsache, daß die beiden Hauptpublikationcn nach Berlin verlegt
wurden, die Sache des Instituts in Rom im allgemeinen nicht gefördert werden
könne; auch sah man infolge des Bruches mit der Vergangenheit, welche für
viele die schönsten Erinnerungen ihrer Studien und ihrer Wirksamkeit enthielt,
dem neugeplauteu Unternehmen nicht allenthalben mit Mut und Vertrauen ent¬
gegen, weil man durch grundsätzliche Ausschließung der fremden Sprachen na¬
mentlich den italienischen Gelehrten, die von Anfang an und in den schwierigsten
Lagen des Instituts, dessen Bestand mehr als einmal gefährdet war, bis in die
neueste Zeit in treuer Gemeinschaft mit den Deutschen gearbeitet hatten, die
weitere Teilnahme an den neuen Jnstitutsschriften unmöglich »lachen würde.
Leider suchte man von einer Seite durch unvorsichtige, teilweise von politischer
Leidenschaft beeinflußte Äußerungen und dnrch ungünstige Beleuchtung der Sach¬
lage die Ansicht zu erwecken, man wolle durch grundsätzliche Beseitigung der
italienischen Sprache die italienischen Gelehrten von den deutschen Publikationen
fernhalten. So suchte man in Italien selbst, dessen Gastfreundschaft das In¬
stitut bisher in so hohem Maße genossen hatte, Mißtrauen gegen die neue Sache
zu erwecken.

Diese Thatsachen werden es gerechtfertigt erscheinen lassen, einerseits die
Gründe zu entwickeln — soweit sie bisher in die Öffentlichkeit gedrungen sind —,
welche für die Neugestaltung der Jnstitutsschriften maßgebend waren, anderseits
aber allen Befürchtungen und mißliebigen Äußerungen durch den Hinweis auf
den Charakter der jetzigen Publikationen die Spitze abzubrechen.

Der Ausbau des Gebäudes, das Winckelmann errichtet hatte, lag nach dem
Tode seines Begründers vorzugsweise in den Händen der italienischen Gelehrten.
Erst zu Anfang dieses Jahrhunderts bildete sich in Rom ein Sammelpunkt
wissenschaftlicher Bestrebungen in einem Kreise deutscher Männer. 1802 war
Wilhelm von Humboldt als Vertreter der preußische» Regierung nach Rom ge¬
kommen, und wenige Jahre später, 1806, war ihm Friedrich Gottlieb Welcker
als junger, vielverheißender Gelehrter gefolgt. 1810 folgten Niebuhr und
Bunsen, dieser als Nachfolger Humboldts, jeuer, um in der ewigen Stadt den
Grund zu seinen großen philologisch-historischen Arbeiten zu legen. Eigentlich
archäologische Bestrebungen bildeten sich erst, als das Jahr 1822 den spätern
Begründer und langjährigen Leiter des Instituts, Eduard Gerhard, einen
Schüler August Böckhs und Friedrich August Wolfs, nach Rom führte. Dieser
wurde bald in einen Kreis von Müuneru eingeführt, die, von gleicher Liebe zum
klassischen Altertum beseelt und von gleichen idealen Anschauungen wie er durch¬
drungen, durch die Pflege gemeinsamer Interessen treue Freundschaft unterhielten.
Die kleine Gesellschaft es waren u. a. Stackelberg, damals mit den Arbeiten
über den Apollontempel von Beissa beschäftigt, Theodor Panofka, Kestner, der
Sohn von „Werthers Lotte," hannöverscher und großbritannischer Gesandter
beim päpstlichen Stuhle — nannte sich „römische Hyperboräer." Die married-


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[0126] Die neuen Publikationen des deutschen archäologischen Instituts. daß durch die Thatsache, daß die beiden Hauptpublikationcn nach Berlin verlegt wurden, die Sache des Instituts in Rom im allgemeinen nicht gefördert werden könne; auch sah man infolge des Bruches mit der Vergangenheit, welche für viele die schönsten Erinnerungen ihrer Studien und ihrer Wirksamkeit enthielt, dem neugeplauteu Unternehmen nicht allenthalben mit Mut und Vertrauen ent¬ gegen, weil man durch grundsätzliche Ausschließung der fremden Sprachen na¬ mentlich den italienischen Gelehrten, die von Anfang an und in den schwierigsten Lagen des Instituts, dessen Bestand mehr als einmal gefährdet war, bis in die neueste Zeit in treuer Gemeinschaft mit den Deutschen gearbeitet hatten, die weitere Teilnahme an den neuen Jnstitutsschriften unmöglich »lachen würde. Leider suchte man von einer Seite durch unvorsichtige, teilweise von politischer Leidenschaft beeinflußte Äußerungen und dnrch ungünstige Beleuchtung der Sach¬ lage die Ansicht zu erwecken, man wolle durch grundsätzliche Beseitigung der italienischen Sprache die italienischen Gelehrten von den deutschen Publikationen fernhalten. So suchte man in Italien selbst, dessen Gastfreundschaft das In¬ stitut bisher in so hohem Maße genossen hatte, Mißtrauen gegen die neue Sache zu erwecken. Diese Thatsachen werden es gerechtfertigt erscheinen lassen, einerseits die Gründe zu entwickeln — soweit sie bisher in die Öffentlichkeit gedrungen sind —, welche für die Neugestaltung der Jnstitutsschriften maßgebend waren, anderseits aber allen Befürchtungen und mißliebigen Äußerungen durch den Hinweis auf den Charakter der jetzigen Publikationen die Spitze abzubrechen. Der Ausbau des Gebäudes, das Winckelmann errichtet hatte, lag nach dem Tode seines Begründers vorzugsweise in den Händen der italienischen Gelehrten. Erst zu Anfang dieses Jahrhunderts bildete sich in Rom ein Sammelpunkt wissenschaftlicher Bestrebungen in einem Kreise deutscher Männer. 1802 war Wilhelm von Humboldt als Vertreter der preußische» Regierung nach Rom ge¬ kommen, und wenige Jahre später, 1806, war ihm Friedrich Gottlieb Welcker als junger, vielverheißender Gelehrter gefolgt. 1810 folgten Niebuhr und Bunsen, dieser als Nachfolger Humboldts, jeuer, um in der ewigen Stadt den Grund zu seinen großen philologisch-historischen Arbeiten zu legen. Eigentlich archäologische Bestrebungen bildeten sich erst, als das Jahr 1822 den spätern Begründer und langjährigen Leiter des Instituts, Eduard Gerhard, einen Schüler August Böckhs und Friedrich August Wolfs, nach Rom führte. Dieser wurde bald in einen Kreis von Müuneru eingeführt, die, von gleicher Liebe zum klassischen Altertum beseelt und von gleichen idealen Anschauungen wie er durch¬ drungen, durch die Pflege gemeinsamer Interessen treue Freundschaft unterhielten. Die kleine Gesellschaft es waren u. a. Stackelberg, damals mit den Arbeiten über den Apollontempel von Beissa beschäftigt, Theodor Panofka, Kestner, der Sohn von „Werthers Lotte," hannöverscher und großbritannischer Gesandter beim päpstlichen Stuhle — nannte sich „römische Hyperboräer." Die married-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/126>, abgerufen am 22.07.2024.